Zugegeben, es fällt einem im Moment mehr als schwer sich vorzustellen, dass in ein paar Monaten ganz normal der Festivalsommer los gehen soll. Die Auswirkungen, die die Ausbreitung des Coronavirus (beziehungsweise der Versuch diese zu verhindern) auf unser soziales Leben hat, sind aktuell radikal, und wann wir tatsächlich wieder ein „normales“ Leben inklusive Kino, Theater, Konzerten und Großveranstaltungen führen werden, ist nicht so ganz absehbar. Im Moment besteht die Hoffnung, dass nach Ostern die größten Restriktionen wieder aufgehoben werden. Aber dann bleibt immer noch die Frage, in wieweit Institutionen, Veranstalter, Kinos, Clubs und auch Künstler selbst die Zwangspause unbeschadet überstanden haben werden.
Der Veranstalter FKP Scorpio, der unter anderem mit Hurricane, Southside und Highfield für ein paar der größten Festivals des Sommers verantwortlich zeichnet, verkündete letzte Woche, dass die Planung bis dato normal voranschreite. Und wahrscheinlich ist unsere größte Chance um bis zum Sommer wieder ein gewisses Maß an Normalität zu erreichen, uns jetzt möglichst an das Konzept des Social Distancings zu halten.
Was aber nicht heißt, dass man sich in der Zwischenzeit nicht über tolle Neuigkeiten aus der Musikbranche freuen darf. Und so eine war in der letzten Woche für uns eindeutig die Line-Up Verkündung des Glastonbury Festivals. Ohne Frage, Glastonbury ist eines der entscheidenden Schwergewichte in der weltweiten Festival-Landschaft und hat schon immer mit einem besonders exquisiten Line-Up bis hinunter ins Kleingedruckte bestochen. Aber abgesehen davon, dass einem die Liste der angekündigten Acts und Künstler auch dieses Jahr wieder vor Begeisterung das Wasser in die Augen treibt, gibt es da noch ein feines Detail, das unser Herz höher schlagen lässt.
Emily Eavis, jüngste Tochter des Festivalgründers und -veranstalters Michael Eavis und selbst Mitorganisatorin des Glastonbury Festival verkündete bereits letzten Herbst, dass man in der Zukunft ein 50/50 gender-balanced Line-Up anstrebe. Im Februar bekräftigte sie ihre Aussage gegenüber BBC Radio 1 noch einmal. Es sei eine Herausforderung, sagte sie und räumte ein, dass das Glastonbury Festival in der Vergangenheit von männlichen Acts dominiert gewesen sei. Aber die entsprechenden Künstlerinnen seien da, so Eavis. Das allein spricht für mehr Einsicht als sie zum Beispiel Geoff Ellis, Leiter des schottischen Festivals TRNSMT an den Tag legte, als er im Herbst 2019 meinte Frauen dazu aufrufen zu müssen „Gitarren in die Hand zu nehmen“, da es nicht genug gute weibliche Acts gäbe, die man für Festivals buchen könnte (wir haben ihm dann direkt ein paar um die Ohren gehauen).
Nun aber weg von Geoff Ellis und zurück zu Erfreulicherem, nämlich der 50. Jubiläumsausgabe des Glastonbury Festivals, für die am 12. März 2020 die ersten Acts verkündet wurden. Und die zeigen: Emily Eavis und ihr Team haben Wort gehalten! Aktuell steht das Glastonbury Line-Up bei satten 52% weiblichen und zum Teil weiblichen Acts. Neben den Headlinern Diana Ross und Taylor Swift kommt man aus dem Staunen nicht mehr raus, wen die Organisatoren alles unter einen Hut bekommen konnten: Robyn, Lana Del Rey, Anna Calvi, FKA Twigs, Angel Olsen, Jehnny Beth, Dua Lipa, Celeste, Suzanne Vega, Charli XCX, Haim, Beabadoobee, Soccer Mommy, Phoebe Bridgers, Laura Marling und Brittany Howard sind nur ein Bruchteil davon. Und natürlich möchten wir nicht unerwähnt lassen, dass männliche Künstler und Bands wie Kendrick Lamar, Paul McCartney, Thom Yorke, Primal Scream, Fontaines D.C., Pet Shop Boys, Noel Gallagher’s High Flying Birds, Supergrass, Happy Mondays und Rufus Wainwright das Ihrige dazu tun, um die 50. Ausgabe des besten Festivals der Welt zu einer ganz Besonderen zu machen.
Nun bleibt nur zu hoffen, dass das Glastonbury Festival wie geplant vom 24. bis 28. Juni 2020 auf der Worthy Farm stattfinden kann. Bis dahin freuen wir uns darüber, dass die Bemühungen der Glastonbury Organisatoren bezüglich eines 50/50 Line-Ups so schnell Früchte getragen haben, widmen uns weiter unserer Netflix- und Leselisten und hoffen, dass wir im Sommer wieder Livemusik gemeinsam mit Gleichgesinnten erleben können.