„The French Dispatch“ von Wes Anderson: Illusion im Überfluss

Was für ein befreiendes Gefühl muss es sein, Kunst aus reiner Freude an der Kunst zu machen, damit auch noch erfolgreich zu sein und sich ab einem gewissen Punkt über nicht mehr Gedanken machen zu müssen, als das pure Ausleben dieser Kunst. „The French Dispatch“ mag inhaltlich vielleicht nicht unbedingt Wes Andersons überzeugendster Film sein, aber die Freude am Inszenieren, am Bilder und Stimmungen kreieren, trieft hier aus jeder Pore. Ob der Regisseur, der seit Jahren eine treue Fangemeinde hat, sich damit ein neues Publikum erschließen wird ist fraglich aber, siehe oben, mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht das Ziel. 

„The French Dispatch“ ist laut Anderson selbst ein Film gewordener Jugendtraum. Er wollte zum einen schon immer einmal episodisch erzählen, zum anderen dem Medium des Journalismus filmisch Tribut zollen. Das titelgebende Magazin ist der französische Ableger der Liberty, Kansas Evening Sun, über das der Gründer und Chefredakteur Arthur Howitzer Jr. (Bill Murray) im beschaulichen (ebenfalls fiktiven) Städtchen Ennui-sur-Blasé ein strenges Regiment führt („Don‘t cry in my office!“). Die Handlung bilden neben der Einleitung, einer kurzen Reisekolumne zum Einstieg und dem finalen Nachruf auf den Herausgeber drei Beiträge, die von Autor*innen des Magazins verfasst wurden. Die Reisekolumne, in der Owen Wilson als Lifestyle-Reporter Herbsaint Sazerac (der Name musste hier einfach Erwähnung finden) per Rennrad durch die nur auf den ersten Blick beschauliche Kleinstadt Ennui-Sur-Blasé“ (!) fährt, ist dabei schon das erste kleine, aber feine Highlight. Darüber hinaus erfahren wir von einem verurteilten Mörder (Benicio del Toro), der vom Gefängnis aus die Kunstwelt für sich einnimmt, von einem Studentenaufstand und der Journalistin Lucinda Krementz (Frances McDormand), die sich schwer tut, gegenüber dem Studentenanführer Zeffirelli (Timothée Chalamet) ihre Neutralität zu wahren, sowie von einem geplanten Portrait über einen Sternekoch, das zum spannungsgeladenen Bericht über eine Entführung wird. 

Das alles ist mal skurril, mal amüsant, manchmal auch spannend, aber vor allem extrem detailverliebt, selbst für Wes Anderson Verhältnisse. Was Bilder, Kulissen und auftretende Personen angeht, schöpft er hemmungslos aus den Vollen, sowohl qualitativ wie quantitativ. Der Humor entsteht dabei weniger daraus was passiert als wie es passiert, und auch wenn das für sich bereits typisch für Wes Anderson ist, scheint er doch immer noch mit großem Vergnügen eine Schippe draufzulegen. 

Und natürlich sind die Stars des Films hier im wahrsten Sinne dies Wortes die Stars, sowie auch hier der Überfluss an ihnen. Man wagt kaum, den Blick auch nur für eine Sekunde von der Leinwand zu nehmen, man könnte ja den nächsten Gastauftritt verpassen. Wäre man vergnatzt, könnte einem dieses über die Jahre hinweg aufgebaute Wes Anderson-Universum nahezu unerträglich privilegiert vorkommen. es scheint hier kaum etwas zu geben, das nicht möglich ist. Durch das stete Wiedersehen mit zahlreichen Mitstreiter*innen, die den Regisseur bereits zum wiederholten Male begleiten (positiver Weise angemerkt sowohl Frauen als auch Männer), überwiegt jedoch der Eindruck, man habe es mit einem freundschaftlichen Kollektiv zu tun, das einfach mit großem Spaß gemeinsam seiner Kunst nachgeht. Es mag vielleicht eine Illusion sein, aber zumindest eine sehr schöne, nahezu romantische.

Kinostart: 21.10.2021