Yael und Gil von der israelischen Band Lola Marsh sind gut drauf – wie gefühlt immer. Nachdem wir uns vor etwas mehr als zwei Jahren, zum Release ihres Debütalbums „Remember Roses“ schon einmal getroffen haben, begrüßen die beiden mich wie alte Freunde. Und erzählen mir von den vielen Dingen, die ihnen seitdem widerfahren sind und schließlich zu ihrem zweiten Album „Someday Tomorrow Maybe“ geführt haben. Lola Marsh sind bereit für das nächste Abenteuer.
Wie geht es euch? So viel ist passiert, seit wir uns zuletzt gesehen haben.
Yael: Es ist sehr viel passiert. Es gibt ein neues Album! Wir waren sehr viel auf Tour. Es sind sehr aufregende Zeiten für uns.
Da ist es! (auf dem Tisch liegt die CD) Das ist so ein cooles Cover.
Yael: Mein Freund hat es gemacht. Und es ist echt! Wir sind wirklich in der Luft. Nein, nicht wirklich (lacht). Wir haben in einem Auto gesessen. Das Modellflugzeug hat er gekauft, abfotografiert und uns dann dort hinein gesetzt. Wir wollten, dass das Cover nach Abenteuer aussieht.
Wohin gegen der Titel gar nicht so nach Abenteuer klingt. Mehr nach: „lass uns ein Abenteuer haben! Ok, vielleicht lieber morgen…“
Gil: Der Titel ist eher verträumt. Wobei, das Cover irgendwie auch. Wir sehen aus, als würden wir in einem sechziger Jahre Cadillac rumfahren. Gleichzeitig sind wir in einem Flugzeug in der Wüste. Wie ein verrückter Traum.
Yael: Wir wollten, dass der Titel sich gleichzeitig episch und verträumt anfühlt. Vielleicht wie ein James Bond Film. Ich finde, er passt zum Sound.
Diese beiden Worte, die du gerade benutzt hast, episch und verträumt. Sie beschreiben auch perfekt euren Sound.
Yael: Wir haben uns diesmal entschieden, alles selbst zu machen. Gil hat das Album produziert. Bei dem letzten Album hatten wir mehr Hilfe was das angeht. Diesmal hat Gil alles alleine produziert, und er hat das sehr gut gemacht.
Gil: Das letzte Album habe ich auch produziert, aber wir hatten viel Hilfe von vielen Leuten. Von zu vielen Leuten, wenn du mich fragst. Zeitweise waren wir verwirrt, uns war manchmal nicht ganz klar, was wir ausdrücken wollten und wie wir klingen wollten. Nachdem das Album draußen war und wir weiter Songs geschrieben haben, wussten wir immer mehr, was wir mit unserer Musik ausdrücken wollen.
Yael: Ich glaube, wir sind selbstbewusster geworden. Gil ist selbstbewusster geworden durch Projekte, die wir gemacht haben, zum Beispiel einen Song für „Better Call Saul“ zu schreiben. Ich erinnere mich, als wir uns bei dem Song an die Produktion gemacht haben, ist uns zum ersten Mal klar geworden, dass wir alles alleine machen können. So sollte es dann auch bei diesem Album sein.
Gil: Den Song für „Better Call Saul“ zu produzieren hat sechs Stunden gedauert. Da ist mir bewusst geworden, dass es mir nicht so schwer fällt und ich es einfach probieren sollte. So ist das mit der Musik, jeder hat seine Meinung dazu, jeder sagt dir etwas anderes. „Du solltest mehr Höhen benutzen, mehr Bass, mehr Compressor…“ das beeinflusst dich immer, selbst wenn du selbstbewusst bist. Aber wenn du weißt, was du erreichen willst, wenn du an dich glaubst, dann ist es leichter drüber zu stehen. Ich habe einen guten Freund, den habe ich beim letzten Album oft um Rat gefragt. Ich habe ihm Sachen vorgespielt und ihn um seine Meinung gebeten. Bei diesem Album habe ich zu ihm gesagt: „Pass auf, du wirst diesmal gar nichts hören. Ich liebe dich, aber du wirst das Album erst hören, wenn es fertig ist. Deine Meinung ist mir wichtig, aber manchmal verwirrt sie mich.“ Das ist eine Entwicklung, die ich in den letzten Jahren gemacht habe.
In Deutschland haben wir dieses Sprichwort: Zu viele Köche verderben den Brei.
Gil: Wow, absolut! Absolut!
Yael: Das ist sehr klug.
Als wir das letzte mal gesprochen haben, hatte ich den Eindruck, dass ihr noch ein bisschen auf der Suche seid, dass ihr versucht euch zu orientieren, was für euch am besten funktioniert. Dazu gehört, dass man so viel wie möglich ausprobiert und Menschen um Rat fragt. Ich denke das ist ein wichtiger, gesunder Prozess.
Yael: Und ich glaube, wir haben gelernt uns noch mehr aufeinander zu verlassen. Ich wusste, Gil würde es alleine produzieren können.
Und was hat dein Freund gesagt, als er das Album zum ersten Mal gehört hat?
Gil: Er mochte es sehr und hat uns gratuliert. Wir haben eine sehr interessante Beziehung. Er ist selbst Musiker, gerade schreibt er ein Album. Ich habe ihn gefragt, ob er mir etwas vorspielen möchte und er meinte: hm, lieber nicht… (lacht) Und ich habe ihm gesagt, dass ich das total respektiere. Wir haben gelernt, uns was das angeht gegenseitig mehr Raum zu geben.
Würdet ihr denn sagen, dass die Arbeit am zweiten Album euch insgesamt leichter gefallen ist? Für viele Künstler ist das zweite Album ein harter Prozess. Bei euch wirkt es nicht so.
Gil: Ich habe tatsächlich gestern Abend vor dem Einschlafen drüber nachgedacht. Es ist kein typisches zweites Album. Vor unserem ersten Album hatten wir ja bereits eine EP veröffentlicht. Danach war klar, wir müssen jetzt ein Album raus bringen, und das war wirklich der viel schwierigere Prozess. Wir haben nach der EP viel Zeit gebraucht uns klar zu werden, was wir genau wollen. Dagegen ist das hier sehr entspannt abgelaufen. Wir haben aus unseren Fehlern gelernt. Und natürlich war es trotzdem anstrengend. Aber insgesamt war es eine wunderbare Erfahrung. Unsere Band hat uns sehr geholfen, unser Mixing Engineer war großartig, und auch beim Schreiben waren wir viel entspannter.
Und hat es euch beim Schreiben beeinflusst, dass ihr in der Zwischenzeit so viele Shows gespielt habt? Ihr habt inzwischen ja viel mehr Live-Erfahrung.
Yael: Definitiv. Der erste Song „Echoes“ zum Beispiel, der hat sich beim Schreiben viel mehr angehört wie der letzte Song, „Where Are You Tonight“. Das ist quasi der zweite Teil von „Echoes“. „Echoes“ war ursprünglich viel langsamer, eine Ballade. Aber dann haben wir an unsere Live-Show gedacht und uns ist klar geworden, dass wir hören wollen wie die Leute klatschen. Wir wollten diese Energie. Also haben wir das Tempo angezogen, und so ist „Echoes“ entstanden. Da uns die Balladen-Version aber auch so gut gefallen hat, haben wir sie in Form von „Where Are You Tonight“ als Schlusspunkt behalten.
Gil: Bei einer guten Live-Show ist es wichtig, dass sie verschiedene Dynamiken hat. Dass du das Tempo wechselst. Wenn du das im Kopf behältst, beeinflusst dich das auf jeden Fall beim Schreiben. Ich mag zum Beispiel auch keine Parties, wo die Musik die ganze Nacht im gleichen Rhythmus durchgeht. Ich höre gerne 90er Songs, 80er Songs, alles durcheinander. Das gibt einem die Möglichkeit, sich unterschiedlich zu bewegen.
Yael: Ich finde, das mit den verschiedenen Dynamiken ist uns diesmal gut gelungen. Es gibt sehr energetische, epische Songs und ruhige, intime. Wir mögen es beide, wenn ein Album eine Geschichte erzählt. Deswegen ist uns auch der visuelle Aspekt so wichtig. Wenn wir einen Song schreiben, hat einer von uns beiden oft sofort eine Idee für ein Video dazu.
Das geht einem auch beim Hören so. Eure Musik ist sehr cineastisch. Man hat schnell Bilder dazu im Kopf.
Yael: Das ist uns auch sehr wichtig. Was das angeht, sind wir total synchronisiert. Soundtracks beeinflussen uns auch sehr.
Weißt du was? Genau den gleichen Ausdruck habt ihr das letzte mal benutzt, als wir uns getroffen haben: „Wir sind total synchronisiert.“
Yael: Wirklich?! Also, es gibt schon vieles, worüber wir streiten. Aber die Musik, die Songs… da sind wir fast immer auf der gleichen Seite. Manchmal wäre es mir lieber, wir würden noch weniger streiten (lacht).
Wann habt ihr das letzte mal gestritten?
Yael: Oh, gestern Abend.
Gil: In Wirklichkeit triffst du uns an einem schlechten Tag. Nein, das war nur Spaß. Es gehört dazu, dass man sich ab und zu streitet. So ist das Leben!
Foto © Michael Topyol