IDLES „TANGK“: Engtanz und Pogo unter der Discokugel

Als die Single „Grace“ erschien, witzelte IDLES Frontmann Joe Talbot, „Grace“ wäre quasi der Coldplay Song der britischen Post-Punk Band. Um das zu untermauern, erschien diese Woche, kurz vor dem Release des 5. IDLES Album „TANGK“, noch das offizielle Musikvideo, in dem dank Deepfake Technologie der junge Chris Martin zu sehen ist, wie er den Song performt. Was auf den ersten Blick wie ein gut gesetzter Gag wirkt, wandelt sich beim Hören von „TANGK“ zu einer ernst gemeinten Liebeserklärung an die sanften Töne. 

„TANGK“ ist, so Talbot, ein Liebesalbum. Wobei Liebe in der Welt von IDLES schon immer ein zentrales Thema war. Seit dem Erscheinen des Debütalbums „Brutalism“ haben IDLES einen Anknüpfungspunkt geschaffen, an dem vor allem Männer sich mit ihrer sensiblen Seite auseinandersetzen können, ohne Abstriche an das laut und wild sein machen zu müssen. IDLES haben das thematische Universum des Punk neben sozialen Themen um den Abgesang an die toxische Männlichkeit bereichert, der erste größere „Hit“ der Band war eine Liebeserklärung an die eigene, hart arbeitende Mutter. Wer schon einmal auf einem IDLES Konzert war weiß, wie es sich anfühlt, zwei Stunden lang voller Liebe angeschrien zu werden. Ein Liebesalbum erscheint da letztendlich nur als ein weiterer, logischer Schritt. 

Auch rein musikalisch haben IDLES bereits auf dem 2021 erschienenen Vorgängeralbum „Crawler“ ihren Kosmos erweitert, und diesen Schritt gehen sie auf „TANGK“ konsequent weiter. Dies erscheint ebenfalls logisch, schließlich haben sie bereits mit Songs wie „The Beachland Ballroom“ bewiesen, was für unfassbar starke Balladen sie abliefern können, und der Drang sich weiterzuentwickeln, spricht letztendlich nur für das kreative Potential der Band. „TANGK“ ist vielleicht nicht das stärkste, aber das dynamischste und damit wahrscheinlich auch das mutigste Album der Band. Und die ruhigen Momente auf sind dabei tatsächlich die stärksten. Der Einstieg mit „IDEA 1“ ist so zart und stark zugleich, Joe Talbots Gesang regelrecht schmeichelnd. „POP POP POP“ entwickelt mit seinem Trip-Hop Beat einen hypnotischen Sog, und das eingangs erwähnte „Grace“ setzt den Momenten der Zärtlichkeit die Krone auf. 

Aber auch in den lauten Augenblicken offenbart sich eine neue Qualität unbeschwerter Ausgelassenheit, die IDLES gut zu Gesicht steht, wenn sie in „Dancer“ hemmungslos zum Tanz aufspielen oder in „Hall & Oates“ die Liebe einfach herausschreien. Trotzdem schleicht sich beim Hören auch immer mal wieder das Gefühl ein, dass das alles noch einen Schritt weiter hätte gehen können – noch mehr Schmalz, noch mehr Punk, noch mehr Lebensfreude. Gleichzeitig ist „TANGK“ ein Album, das einem sowohl inhaltlich als auch musikalisch Momente für jede Gefühlslage liefert, und das ist eine neue Qualität im IDLES Universum. Dafür kann die Band ja zum doppelt so harten Faustschlag in Herz und Magengrube ausholen, wenn sie im März zu uns auf Tour kommt und zu Pogo und Engtanz unter der Discokugel einlädt. 

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