Gesehen: “Priscilla” von Sofia Coppola

2022 kam “Elvis”, die lang erwartete Filmbiografie von Elvis Presley erstmals in die deutschen Kinos. Regisseur Baz Luhrmann beschäftige sich darin allerdings mehr mit dem Mythos des Kings, mit der Legende und seiner Anziehungskraft als mit wirklicher Geschichtsschreibung. Im Bezug auf Elvis‘ Beziehung und spätere Ehe mit Priscilla Presley kreierte das Musical Drama ein regelrecht verfälschtes, romantisiertes Bild, welches man spätestens beim Lesen von Priscilla Presley Biografie “Elvis und Ich” als solches identifizieren kann. Daher würde ich die Behauptung aufstellen, dass die Filmwelt auf Sofia Coppolas “Priscilla” gewartet, ihn regelrecht gebraucht hat. Die Filmbiografie, die erschreckendes aufdeckt, was Baz Luhrmanns “Elvis” außer Acht lässt, zeigt Cailee Spaeny als Priscilla Presley, Jacob Elordi als Elvis Presley, ihr liegt ein Drehbuch zugrunde, welches auf der 1985 veröffentlichten Biografie “Elvis und Ich” von Priscilla Presley und Sandra Harmon beruht.

Unserer Protagonistin, damals noch Priscilla Beaulieu, begegnen wir zu Beginn des Films als bestürzend junges Mädchen von gerade einmal vierzehn Jahren. Mit ihren Eltern lebt sie in einer amerikanischen Militärbasis in Deutschland, wo sie den zu diesem Zeitpunkt 10 Jahre älteren Elvis Presley auf einer Party kennenlernt. Beide sind von Heimweh geplagt, beide fühlen sich unwohl in einem fremden Land und lernen sich darüber näher kennen, was Priscilla Stück für Stück aus ihrem eigenen Leben herauslöst und in eine neue, glitzernde, überwältigende, unwirkliche Welt einführt.

Die neunte Klasse ist für ein junges Mädchen in der Regel eine unglaublich wichtige Zeit, was Selbstfindung und Persönlichkeitsentwicklung betrifft. In der neunten Klasse habe ich begonnen herauszufinden welche Musik ich gerne höre, welche Bücher ich lesen möchte, welche Kleidung ich tragen will. “Priscilla” portraitiert, was es mit einer jungen Frau macht, in dieser Lebensphase aus einem selbstbestimmten Umfeld herausgerissen zu werden, um dann von einer anderen Person, die sie bewundert und idealisiert, eingetrichtert zu bekommen, wie sie sich verhalten, kleiden und frisieren soll. Priscilla Beaulieu wird, als Preis für die Beziehung mit einem der größten Stars aller Zeiten, das Leben eines Teenagers mit all den dazugehörigen Erfahrungen genommen. Dafür landet sich in Graceland, einem riesigen Spielplatz, wo sich Elvis mit seinen infantilen Freunden, die ihn ständig umgeben, in jeder Hinsicht austobt. Dabei muss Priscilla ständig auf Abruf sein, ans Telefon gehen wenn er anruft, anreisen wohin auch immer er möchte, wieder abreisen, wenn er es verlangt.

Sophia Coppolas Handschrift durchzieht kunstvoll den ganzen Film. Eine verspielte, märchenhafte Szenerie, in der erschreckende Dinge vorgehen, wie sie es auch schon in ihrem Spielfilm “Marie Antoinette” von 2006 dargestellt hat. Graceland wirkt auf den Betrachter wie ein Puppenhaus, ausgestattet in weichen Pastellfarben, penibel sauber und mittendrin die junge Priscilla, herausgeputzt und ausstaffiert, die, wenn Elvis sie gerade nicht braucht, vor Langeweile vergeht.

Somit hat Sofia Coppola einen Film kreiert, der, wenn auch kunstvoll inszeniert, deutlich realitätsnäher wirkt als zum Beispiel Luhrmanns Biopic. Ohne Elvis Presley und seine Handlungen böswillig in den Schmutz zu ziehen oder sie zu verteufeln, beleuchtet er eines der berühmtesten Paare der Welt endlich einmal von einer anderen Seite. Zugegeben zieht sich der Film in der Mitte etwas, einige Szenen wirken wie Variationen von denen, die wir schon gesehen haben, aber Cailee Spaeny und Jacob Elordi liefern eine überzeugende, authentische Performance und sind in Kombination mit der stilvollen Szenerie und dem stimmungsvollen Soundtrack hervorragend in Szene gesetzt. Zu guter Letzt ist „Priscilla“ kein weitere Elvis Presley Filmbiografie. Der Film lässt in keiner Szene Zweifel aufkommen, wessen Geschichte hier erzählt wird und wird damit seinem Titel voll und ganz gerecht.

“Priscilla” erscheint am 4. Januar in den deutschen Kinos.

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