„Die Welt wird euch zusehen.“
Die alljährlichen Hungerspiele stehen vor der Tür und die Auswahl eines Mädchens und eines Jungen in Distrikt 1 bis 12 lässt allen Heranwachsenden in der Nation Panem die Knie schlottern. Allen voran Primrose Everdeen (Willow Shields) hat Sorge, dass bereits im ersten Jahr, in dem ihr Name zur Auslosung steht, sie auch gezogen wird. Denn das wäre der sichere Tod. Die 16-jährige Schwester Katniss (Jennifer Lawrence, „Winter’s Bone“) hat nach dem Tod des Vaters und der katatonisch anmutenden Mutter die Versorgerrolle in der Familie eingenommen. Ihrer Schwester gibt sie als Glücksbringer eine goldene Brosche mit auf den Weg. Doch genau das Gegenteil wird letztlich eintreffen. Das noch sehr junge Mädchen wird ausgelost und soll nun gegen die Paare aus den anderen versklavten Distrikten vor Millionen von Kameras bis zum Tod kämpfen. Nur einer kann überleben.
Für die Reichen stellen die sogenannten Tribute für Panem ein unterhaltsames Event dar. Für das Regime ist es die Demonstration der eigenen, grenzenlosen Macht. Katniss sieht die einzige Möglichkeit, Primrose nicht zu verlieren, darin selbst zu volontieren. Damit stellt sie die erste Freiwillige aus ihrem Distrikt bei den Spielen dar. Neben ihr wird der Bäckerssohn Peeta Mellark (Josh Hutcherson, „The Kids Are All Right“) ins Rennen geschickt. Doch bevor für den Gladiatorenkampf der Startschuss ertönt, bekommen die Auserwählten noch ein Kampftraining im prunkvollen Kapitol. Sie werden von früheren Spielmitwirkenden, welche die Schlacht überlebt haben, gecoacht. Im Falle von Katniss und Peeta ist das der extravagante Haymitch Abernathy (Woody Harrelson, „Zombieland“). Außerdem stehen ihnen Effi Trinket (Elizabeth Banks, „72 Stunden“) und Stylist Cinna (Lenny Kravitz) beratend zur Seite. Es folgt darauf eine regelrechte Promotion-Tournee. Die Teilnehmer müssen sich in der Fernsehshow von Caesar Flickerman (Stanley Tucci, „In meinem Himmel“) in schönsten Gewändern präsentieren und versuchen dabei auch bei möglichen Sponsoren einen sympathischen wie fitten Eindruck zu hinterlassen, bevor es in die Wälder und für 23 von ihnen in den Tod geht.
An dieser Stelle wird deutlich, dass „Die Tribute von Panem – The Hunger Games“ an Skurrilität kaum zu überbieten ist. 24 junge Menschen werden mit voller Absicht in den Tod geschickt und dabei von Kameras begleitet – schlimmer noch, aus den noch so unschuldigen Wesen werden Mörder kreiert – möge der Beste von ihnen gewinnen. Welche Botschaft soll dieser nach dem ersten Roman aus der Trilogie von Suzanne Collins geschaffene 142-Minüter für die Jugend, für die es so offensichtlich als ein neues „Twilight“ gehypt wird, haben? Die Nächstenliebe soll immer an erster Stelle stehen, egal was es kostet? Wohlwollend gesehen, versucht sich das Werk an Gesellschaftskritik. Es zeigt, dass die Vernichtung von Menschen zu jeder Zeit und überall möglich ist. Denn wie Präsident Coriolanus Snow, gespielt von Donald Sutherland („Der Adler der neunten Legion“), so passend erklärt, ist der Grund weshalb man nicht einfach nur die Sklaven exekutiert, die Hoffnung.
„Nur die Hoffnung ist stärker als die Angst.“ (Präsident Snow)
Durch ein kleines Fünkchen wird versucht eine Rebellion zu vermeiden, wohingegen zu viel des Guten erst eine Rebellion so richtig anheizen würde. Doch nachdem bei den Spielen die blutjunge Rue (Amandla Stenberg, „Colombiana“) kaltblütig mit Pfeil und Bogen ermordet wird, fangen in einem Distrikt die Aufstände an. Ein kleiner Vorgeschmack? Doch darauf sind die Kameras nicht gerichtet. Deutlich wird der Finger darauf gezeigt, dass hier eine Gesellschaft abgestumpft sich Morde über Morde anschaut, ja gar keine Minute davon verpassen möchte. Wenn es nicht schnell oder spannend genug von statten geht, wird in Form von Feuerattacken oder wilden Bestien nachgeholfen. Wer gewinnt, kommt im besten Fall mit Alpträumen davon. Es wird gefeiert, gutes Essen serviert und einmal im Leben dürfen sich die Armen in glamouröseste Kleidung hüllen.
So ist diese apokalyptisch anmutende Zukunftsvision von Suzanne Collins, die auch am Drehbuch mitwirkte, zuerst einmal schlichtweg schockierend. Im Besonderen die ersten Szenen des Kampfes in den Wäldern von Nordamerika gehen in ihrer Rohheit durch Mark und Bein. Wer aber Kenner der Bücher ist weiß, dass die Filmversion noch recht zahm daherkommt. Blut ist kaum zu sehen, wollte man schließlich eine FSK 12-Freigabe erreichen. Doch, Moral hin oder her, merkt man in jeder Einstellung wie intelligent man an die Thematik herangegangen ist und es sich somit nicht um schnöde Teenie-Unterhaltung handelt. So kann man durch das perfekte Zusammenspiel von futuristischen Horrorszenarien, wo die minimalistische Performance von Jennifer Lawrence besonders brillieren kann, gepaart mit einem äußerst originellen Kostüm- und Makeup-Design von einem gelungenen Auftakt für die Trilogie sprechen. Dadurch, dass bereits die Vorverkaufszahlen stimmten, ist auch eine Fortsetzung gesichert, in der unter der Regie von Gary Ross („Pleasantville“) umso tiefer in dieses morbide Gesellschaftsszenario hineingegangen wird.
Kinostart: 22. März 2012
Gesehen von: Hella Wittenberg