Gesehen: „Take Shelter“ von Jeff Nichols

Ein Sturm zieht auf

Take_ShelterGroße gelbe Regentropfen, dunkelgraue Wolkenfront, schwarze Vogelschwärme. Curtis LaForches (Michael Shannon, „Zeiten des Aufruhrs“) Welt sieht sich durch eine herannahende Katastrophe von apokalyptischen Ausmaß bedroht. Doch seine Frau Samantha (Jessica Chastain, „The Tree of Life“) warnt er zunächst nicht vor. Denn die Tragödie spielt sich nur in den Träumen des Teamleiters eines Sandgewinnungs-Unternehmens ab. Wie viel Wahrheit in den Visionen steckt, in denen ihm beispielsweise sein eigener Hund den Arm zerfleischt und ein Gefühl von latentem Schmerz den Tag begleitet, möchte er mit professioneller Hilfe herausfinden. Er will Samantha nicht beunruhigen, da das Paar bereits mit ausreichend Problemen jonglieren muss. Die Familie kämpft um die Unterstützung der Krankenversicherung für die spezielle Hilfe, welche die sechsjährige, taube Tochter Hannah (Tova Stewart) so dringend benötigt. Um die anfallenden Kosten bestmöglich decken zu können, verkauft Samantha zudem ihre handgemachten Kissen, Decken, etc. auf einem Wochenendmarkt. So merkt sie vorerst nicht wie ihr Mann, dessen Mutter bereits aufgrund einer Geisteskrankheit in ein Heim verbannt wurde, um seine geistige Gesundheit bangt.

Nun beginnt er Nacht für Nacht zu sehen, wie Menschen und Tiere aufgrund eines nahenden Tornado mit größter Aggressivität reagieren und dabei ihm und seiner Familie schaden wollen. Neben den Gesprächen mit einem Therapeuten versucht sich der immer verzweifelter werdende Mann selbst zu behandeln, in dem er wie besessen an einem Schutzbunker arbeitet. Dabei scheint er aber immer mehr aus den Augen zu verlieren, dass diese unverhältnismäßige Angstbewältigung nicht nur für Verwirrungen bei Freunden, Verwandten und schließlich der eigenen Familie sorgt, sondern die gesamte erwirtschaftete Existenz aufs Spiel setzt. Doch auch wenn sich alle in Ohio lebenden Menschen so sicher in ihren Häusern zu fühlen scheinen, so spürt Curtis genau, dass ein Sturm aufkommt. Ob, innerlich oder die Außenwelt betreffend – es wird passieren.

„Angst entsteht dann, wenn du etwas zu verlieren hast.“ (Jeff Nichols)take-shelter-poster-clip-603x360

Regisseur und Drehbuchautor Jeff Nichols („Shotgun Stories“) begann mit dem Schreiben des 120-Minuten-Dramas „Take Shelter“ nachdem er sich einen frisch gebackenen Ehemann nennen konnte und sich neben der Freude auch plötzlich ein permanentes Angstgefühl ausbreitete, da er nun etwas zu verlieren hatte. Zudem war der Anfang des Schreibprozesses im Sommer 2008 auch eine Zeit, in der es wirtschaftlich heftig kriselte. Keiner konnte sich seiner mehr sicher sein. All diese Faktoren spiegeln sich in den Protagonisten wieder. Exakt aus diesen persönlichen Beweggründen, die zu dem Film führten, ist daraus auch solch eine Besonderheit geworden, die neben all den anderen jüngst veröffentlichten Spitzen-Katastrophenfilmen wie „Contagion“, „Melancholia“ und „Perfect Sense“ bestehen kann. So gab es in Cannes für das Werk den Großen Preis der „Semaine de la Critique“ und Hauptdarsteller Michael Shannon hat als bodenständiger Familienmensch aus der Arbeiterklasse den Achtungserfolg ganz auf seiner Seite.

Kinostart: 22. März 2012

Gesehen von: Hella Wittenberg