Gesehen: „Asteroid City“ von Wes Anderson

„Kennst du einen, kennst du alle“, meinte neulich jemand zu mir über die Filme von Wes Anderson. Das ist natürlich eine sehr nachlässige, vielleicht sogar geradezu fahrlässige Fehleinschätzung der Kunst des amerikanischen Kult-Regisseurs. Aber wenn man es großzügig betrachtet, dann ist zumindest im Kern ein gewisser Wahrheitsgehalt nicht von der Hand zu weisen. Vor allem stützt sich dieser auf die visuelle Ästhetik aus kunterbunten Farben, Pappmache-Kulissen, ungewöhnlichen Drehorten und exaltierten Kostümen. Wie charakteristisch diese ist, konnte man in den letzten Wochen gut anhand der AI generierten Videos auf Social Media beobachten, die Produktionen wie „Star Wars“, „Harry Potter“ und „Succession“ in einem Wes Anderson typischen Gewand zeigen. Der Mann ist ein Stilist, ohne Frage, eher formal als intuitiv sind deshalb auch seine Filme.

Das Tüpfelchen auf dem i ist aber das Star-Ensemble, das stets bis in die kleinste Rolle aufmarschiert. Aber auch die Art, jenes Ensemble als Regisseur zu führen, ist bei Wes Anderson recht speziell. Jemand, der die Erfahrung machen durfte mit ihm zu arbeiten, sagte mir einmal, dass seine Regieanweisungen sehr deutlich und erstaunlich äußerlich seien. Und tatsächlich lässt sich genau das in seinem neuesten Film „Asteroid City“, der bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes Premiere feierte und nun in die deutschen Kinos kommt, besonders gut beobachten: „Sprich diese Sätze ganz schnell hintereinander weg.“- „Und diese jetzt mal ganz, ganz langsam und möglichst ohne jede Betonung.“ „Ihr seid verrückt nacheinander, aber man darf es euch auf gar keinen Fall ansehen. Eure Gesichter sollten so blank wie möglich sein.“ Man hat die Regieanweisungen förmlich im Ohr. Warum das bei „Asteroid City“ jedoch mal wieder so gut funktioniert, obwohl es durchschaubar und inzwischen wirklich nicht mehr neu ist, ist schwer zu sagen. Vielleicht, weil der Film, ganz im Gegensatz zu dem noch formalerem Vorgängerwerk „The French Dispatch“ eine stringente, unterhaltsame Geschichte erzählt. Oder auch, weil Anderson ein gutes Händchen dafür hat, neben seinen stets wiederkehrenden üblichen Verdächtigen wie Jason Schwartzman, Tilda Swinton und Edward Norton treffsicher weitere Stars zu rekrutieren, die im typischen Wes Anderson Gewand wunderbar funktionieren. In „Asteroid City“ sind das unter anderem Tom Hanks, Scarlett Johansson und Maya Hawke, die mit stoischer Mine ihre Texte rezitieren und einen dabei trotzdem ganz angenehm berühren. 

Und dann entführt der Film einen in eine in sich geschlossene Welt, nämlich in die der namengebenden Wüstenstadt Asteroid City. Hier findet im Jahr 1955 ein Wissenschaftskongress für Jugendliche statt, die mit ihren Projekten um einen Förderpreis konkurrieren. Es treffen sich der Witwer Augie Steenbeck (Jason Schwartzman), der es nach Wochen endlich geschafft hat seinen vier Kindern die tragische Botschaft vom Tod ihrer Mutter zu überbringen und die Hollywood Schauspielerin Midge Campbell (Scarlett Johansson), die ihre Tochter zu der „Junior Stargazer Convention“ begleitet. Eine Romanze zwischen zwei Bungalow Fenstern entspinnt sich, während die Jugendlichen an ihren Projekten feilen, eine junge Lehrerin (großartig: Maya Hawke) einen Schulausflug leitet und Tom Hanks als mürrischer Großvater sich auf den Weg macht, um dem traurigen Witwer mit den Kindern seiner verstorbenen Tochter zu helfen. 

In den Reigen aus persönlichen Geschichten und jugendlichen Forschergeist platzt schließlich niemand geringeres als ein waschechtes Alien (Jeff Goldblum), das gekommen ist, um das Wahrzeichen von Asteroid City, die Überreste eines zur Erde gefallenen Asteroiden, an sich zu nehmen. Das Städtchen wird aus Sicherheitsgründen direkt unter Quarantäne gestellt, die zufällig zusammengewürfelten Bewohner*innen sitzen miteinander fest und haben plötzlich wesentlich mehr Zeit als geplant, sich mit der Bedeutung ihrer Existenz auseinanderzusetzen, während in nicht allzu weiter Ferne Atomtests stattfinden. 

Gut, die Geschichte ist schnell erzählt, so tiefschürfend ist sie vielleicht doch nicht. Und auch ganz so stringent ist der Film ebenfalls nicht gestrickt, denn drum herum gibt es noch die Rahmenhandlung, die verrät, dass das Ganze eigentlich eine Theaterinszenierung ist. Die hätte es auch nicht wirklich gebraucht, denn dem Treiben in Asteroid City sieht man so gerne zu, dass die zweite Erzählebene und die Kapitelstruktur einen zwischendurch eher raus wirft. Aber im Gesamten ist „Asteroid City“ irgendwie drollig geworden, mit seinen sparsamen, aber oftmals perfekt gesetzten Gags und seinen liebenswert nerdigen Figuren. Vielleicht mag ich aber auch einfach Wes Anderson zu gern, um mich an diesem leichten „Same Same But Different“ Gefühl zu stören. Wer schon mit „The Royal Tenenbaums“ nicht wahr wurde, dem hingegen wird es mit „Asteroid City“ sehr wahrscheinlich auch nicht gelingen.

„Asteroid City“ startet am 15. Juni 2023 in den deutschen Kinos.