Ein Mann und sein erwachsener Sohn begegnen sich zum ersten Mal. Der Sohn möchte von seinem Vater etwas über die Frauen, den Sex und die Liebe lernen. Sein Leben lang hat er von seiner Mutter Geschichten gehört über die legendären Erfolge seines Vaters bei den Frauen. Jetzt möchte er selbst wissen, wie das geht. Ein Stoff für eine romantische Wohlfühlkomödie über Liebe, Sex und respektvolles Miteinander. Wer das erwartet, der hat seine Rechnung ohne den „Fikkefuchs“ gemacht.
Denn in Jan Henrik Stahlbergs neuestem Regiestreich treffen mit Vater Rocky (Jan Henrik Stahlberg) und Sohn Thorben (Franz Rogowski) zwei Protagonisten aufeinander, die man kaum mehr noch als Antihelden bezeichnen kann. Es ist schlimmer als schlimm. Es ist kaum zu ertragen. Rockys gute Zeiten und die Erfolge bei den Damen liegen in ferner Vergangenheit – geschweige denn es hat sie überhaupt gegeben, so ganz weiß man das nicht. Und Thorben sollte eigentlich gar nicht bei seinem Vater in Berlin sein, sondern in der Psychiatrie, wo er wegen versuchter Vergewaltigung einsitzt. Immerhin möchte er sich von seinem Erzeuger zeigen lassen, wie man die Frauen ohne Gewalt rum bekommt, so wie es seinem Kumpel aus dem Internet ständig gelingt. Weil immer nur Pornos gucken, das kann’s ja nicht gewesen sein. Rocky möchte mit all dem erst einmal gar nichts zu tun haben, aber dann wird dieses komische Gespann doch noch ein Team, das sich durch die Berliner Nächte treiben lässt und sein Glück bei den Frauen versucht. Mit mäßigem Erfolg, denn wie soll man es anstellen, wenn man die Tage der körperlichen Attraktivität bereits hinter sich gelassen hat, eine mäßig bis schwere psychotische Ausstrahlung hat und zu allem Überfluss die avisierte Beute möglichst jung, sexy und willig sein soll? Vielleicht muss man die Hilfe eines professionellen Pick-Up Artist in Anspruch nehmen. Und wer es bis dahin schon gruselig fand, der will gar nicht wissen, wie es weiter geht.
Selten hat ein Film in letzter Zeit die Gemüter derart gespalten wie Jan Henrik Stahlbergs „Fikkefuchs“. Während der Premiere beim diesjährigen Filmfest München kam es vermehrt zu vorzeitiger Flucht aus dem Kinosaal, aber auch, wie Stahlberg sagt, zu langen, interessierten Gesprächen über den Film. Es ist nicht so leicht, sich mit ihm diesem Film auseinander zu setzen, Spaß macht das irgendwie nicht. Oder wenn dann höchstens auf einer sehr verschrobenen, zynischen Ebene.
Denn „Fikkefuchs“ geht mitten dort hinein wo es weh tut: er tummelt sich zwischen den Halbglatzen, den Bierwampen, den Pisseflecken auf Hosen. Er stürzt sich hinein in die Flatrate Bordelle, die man höchstens angewidert von der anderen Straßenseite aus betrachten will. Und in diese unsäglichen, aber extrem angesagte Pick-Up Seminare, in denen sich frustrierte Männer ihr von zu starken, unerreichbaren Frauen demoliertes Selbstbewusstsein mit äußerst fragwürdigen Methoden wieder aufbauen lassen. Oder, in einer der denkwürdigsten und am schwersten zu ertragenen Szenen des Films einfach mitten hinein in die Kotze, Pisse und Scheiße.
Dass das Ganze nicht zu einem misslungenen Experiment schlimmster Trash-Güte verkommt, ist zum einen Jan Henrik Stahlbergs unverstelltem, sezierendem Blick verdankt. Er hebt den Schleier von den Dingen und den Personen, mit denen man als einigermaßen vernünftige Mensch eigentlich nichts zu tun haben will. Aber er tut das mit ehrlichem Interesse, nicht mit effekthaschendem Voyeurismus. So schlimm seine Figuren sein mögen, er erzählt sie alle konsequent aus und nimmt sie angemessen ernst. Er verurteilt weder, noch macht er den Fehler, seine Verlierer zu glorifizieren. Zum anderen lebt er von dem wirklich brillant besetzen Cast, das bis in die kleinsten Rollen schmerzhaft gut beobachtet wirkt (Casting: Stephie Maile). Überhaupt ist es diese Mischung aus gnadenloser Überzeichnung und schwer zu ertragenem Realismus, die „Fikkefuchs“ derart polarisieren lässt. Denn wo übertrieben wird und wo die pure Realität herrscht, das will man gar nicht so genau wissen.
„Fikkefuchs“ ist ein Film über fehlgeleitete, erfolglose männlichen Sexualität. Und dabei geht es nicht darum, Frauen zum Opfer zu machen. Im Gegenteil, die meisten wissen sich der Avancen des Fikkefuchs durchaus zu erwehren. Und dass offensichtlich selbst der größte Verlierer in der Lage ist einen noch größeren Verlierer zu finden der zu ihm aufsieht, das ist ein Motiv von viel größerem gesellschaftlichen Ausmaß, als man auf den ersten Blick denkt. Plötzlich entwickelt man sogar ein tiefer gehendes Verständnis dafür, wie ein Mann wie Donald Trump es bis zum Präsidenten der Vereinigten Staaten schaffen konnte.
Man kann diesen Film wirklich von Herzen hassen. Oder man kann eine Lanze dafür brechen, dass Jan Henrik Stahlberg der wohl fieseste, sozial schockierendste Film des Jahres gelungen ist, der darüber hinaus auch noch absurd unterhaltsam ist. „Fikkefuchs“ dürfte einem nur eines nicht sein: irgendwie egal.
Kinostart: 16.11.2017
Gesehen von: Gabi Rudolph