Eagle-Eye Cherry meldet sich mit seinem neuen Hit „Streets Of You“ aus einer schöpferischen Pause zurück. Das Comeback des Jahres wird mit dem Release des neuen Albums am 26. Oktober 2018 abgerundet. Wir trafen den sympathischen Schweden während des SWR3 New Pop Festival in Baden-Baden zum Interview und er verriet uns unter anderem, mit wem er in Zukunft gerne einmal zusammenarbeiten möchte und wie es sich für ihn anfühlt wieder „back in business“ zu sein.
Jeder erinnert sich noch gut an deinen Superhit „Save Tonight“ von vor über 20 Jahren. Jetzt bist du mit neuer Musik zurück. Wie fühlt es sich an, wieder in der Musikszene unterwegs zu sein?
Auf der einen Seite ist es ganz schön, weil ich mich wie ein neuer Künstler in der Szene fühle. Mit meinem ersten Album und „Save Tonight“ ging alles so wahnsinnig schnell, dass ich die Momente gar nicht so intensiv erleben konnte, wie ich es mir damals gewünscht hätte. So habe ich mich schließlich selbst gefragt, ob ich diesen Schritt nochmals wagen sollte und habe mich nach reiflicher Überlegung dafür entschieden. Nun habe ich die Chance, alles viel bewusster wahrzunehmen, das ist ziemlich cool.
Wie würdest du sagen hat sich deine Musik weiterentwickelt? 20 Jahre sind eine ziemlich lange Zeit.
Absolut, eine sehr lange Zeit! Bei meinem ersten Album ging es hauptsächlich darum, mich selbst zu finden. Ich wusste zum damaligen Zeitpunkt nicht genau, wer ich musikalisch gesehen war und mich haben die verschiedensten Einflüsse geprägt, gerade auch weil ich selbst so viele unterschiedliche Musikgenres gehört habe. Gegen Ende des Albumentstehungsprozesses konnte ich dann meinen eigenen Stil erkennen. Im Gegensatz dazu weiß ich heute ganz genau, was ich machen will. Man kann es vielleicht mit einem Malers vergleichen, der genau weiß, welche Farbe fehlt und wo noch ein Pinselstrich nötig ist, um dem Kunstwerk einen entsprechenden Effekt zu verleihen. Das fällt mir heute viel leichter. Aber das Songwriting läuft nicht so ab wie es sich viele vorstellen, mit Kerzenschein und Räucherstäbchen auf die perfekte Eingebung zu warten. Vielmehr entspricht es einem sich hinsetzen und an die Arbeit machen. Wenn ich ältere Musik von mir anhöre, fühlt es sich ab und an etwas unstet an. Da gibt es mal diesen einen tollen Moment, doch dann hört man wie er sich verliert und langsam komplett verschwindet. Als ich mit Rick Rubin an meinem zweiten Album gearbeitet habe, hat mich zum ersten Mal jemand dazu bewegt, Dinge zu hinterfragen wie: „Braucht du das? Benötigst du das wirklich? Warum musst du diesen Part unbedingt haben?“ Er hat mir beigebracht, dass man nicht alles in einen Song reinpacken muss damit er gut ist und man getrost Elemente herausnehmen kann, ohne dass es dem Werk schadet. Kurzum: Man sollte sich einfach nur auf das Wesentliche konzentrieren.
Was hast Du denn in der Zwischenzeit seit den 2000ern bis heute alles gemacht?
(lacht) Das ist eine gute Frage! Tatsächlich war ich anfangs total verloren. Ich war sieben Jahre meines Lebens mit drei veröffentlichten Alben quasi durchgehend auf Tour. Ich musste einfach die Reißleine ziehen. Ich dachte mir, dass es an der Zeit sei, mal eine kleine Pause einzulegen. Es hat sich unglaublich toll angefühlt, wieder etwas anonymer unterwegs zu sein, ich habe es geliebt! Ich habe angefangen zurückzublicken und dabei festgestellt, dass ich in den vergangenen sieben Jahren und vorallem in den ersten drei Jahren so ziemlich alles mitgenommen habe, was auf meiner Bucketlist stand. Ich habe einfach so viele Dinge erlebt, die ich immer schon mal erleben wollte. Aber dass das alles in so einer kurzen Zeitspanne passieren würde, hätte ich mir nie erträumen lassen. Also habe ich Touren und die ganz großen Konzerte gespielt… ich trat bei „Satuday Night“, „The Tonight Show“ und „Rock am Ring“ auf. Ich hatte schlichtweg alles erreicht, was möglich war, so dass ich mich am Ende selbst fragte „Muss ich wirklich noch mehr machen?“. So sehr ich diese Erfahrungen liebe, habe ich einfach gespürt, dass dieser Ruhmfaktor nicht ganz so mein Ding war. Während der populären Zeit damals wurde ich so oft auf der Straße erkannt, ich konnte mich kaum mehr frei bewegen. Es war zwar keine Hetzjagd, aber wenn man überall und ständig angeschaut und angesprochen wird, ist das auf Dauer etwas anstrengend. Daher habe ich die wiederkehrende Anonymität sehr genossen. Dann bin ich Vater geworden und habe mich dieser Rolle mit Freude gewidmet. Ab und an habe ich kleinere Tourneen gespielt und habe an verschiedensten Projekten mitgearbeitet, unter anderem mit den SOS-Kinderdörfern und den Ärzten ohne Grenzen. Ich war als immer beschäftigt, aber es lief oft unter dem Radar der breiten Öffentlichkeit ab.
Du stammst aus einer sehr musikalischen Familie, damit war es wohl “vorbestimmt”, dass auch du dich der Musik verschreiben wirst. Erzähle uns doch ein bisschen mehr über deine musikalische Erziehung.
Musik und Kunst – das war immer da bei uns. Die Musik war eine Konstante in meiner Familie, sie hat nie aufgehört zu spielen. Wenn man meinen Vater live spielen hörte und ihn mit seiner Band Backstage miterlebt hat, wie sie sich erst dort warmgejammt haben, dann auf der Bühne Vollgas gegeben haben und selbst danach noch immer weitergespielt haben – das war schon großartig! Aber so war mein Vater eben. Meine Mutter war ebenfalls Künstlerin und hat gelegentlich auch mit meinem Vater zusammengearbeitet. Sie hat unter anderem die Bühnenoutfits entworfen und genäht. Das Leben meiner Eltern war die Kunst an sich – alternativ mit viel organischem Essen. Meine Schwester (Anm. des Autors: Neneh Cherry) und ich waren Teil dieses Kunstwerks. Unser tägliches Leben war Teil dieses Flows. Wir waren ständig am Reisen und immer on the road. Als ich dann selbst mit dem Touren begonnen habe, war es für mich wie eine Heimkehr. Ich war zum damaligen Zeitpunkt schon länger nicht mehr auf Tour gewesen, aber habe dieses Gefühl sofort wiedererkannt. Das ist es: Wir setzen uns einfach in den Bus, fahren umher und spielen Musik. Das war ein wichtiger Schlüsselmoment, in dem ich erkannte: „Ja, das ist genau was ich machen möchte!“
Kannst du dich an den ersten Song erinnern, den du geschrieben hast?
Der erste Song, den ich geschrieben habe war „Go-Kart“. Und ihr könnt auch leicht erraten weshalb: Ich wollte einen Go-Kart haben! (lacht) Mein Vater ist in L.A. aufgewachsen und hatte dort viel Familie, weshalb wir oft dort zu Besuch waren. Meine Cousins und ich sind dann ständig Go-Kart fahren. Ich will eigentlich noch immer Go-Kart gefahren! Ich habe es geliebt und war total verrückt danach, deshalb habe ich den Song von diesem Jungen geschrieben, der unbedingt einen Go-Kart haben wollte. Ja, das war mein erster Song. Den habe ich sogar noch irgendwo auf Band! Funfact: Kennt ihr die Talking Heads? Sie waren unsere Nachbarn in New York als ich noch ein Kind war. Wir haben oft in alten Industriegebäuden gespielt, die von der Kunst und den in der Gegend lebenden Künstlern geprägt waren. Wir haben uns regelmäßig getroffen, um Ihnen beim Proben von „Psycho Killer“ und anderen Songs zuzuschauen. Ich wuchs mehr oder weniger mit deren Musik auf und wisst ihr was? Die hatten ein Go-Kart! Dann war klar, dass ich ihnen meinen Song vorspielen wollte, was ich dann auch tatsächlich getan habe. Und die Bandmitglieder haben zumindest behauptet, dass sie ihn mögen. (lacht)
Wie dürfen wir uns deinen Songwriting Prozess vorstellen und woher nimmst du deine Inspirationen?
Früher wollte ich zwanghaft den perfekten Moment zum Schreiben kreieren. Als ich für mein erstes Album schrieb gab es Songs, die wahrlich ein Kampf waren, andere wie „Save Tonight“ waren dagegen sehr leicht – der ist einfach so entstanden. Wenn man einen Song schreibt, der einem leicht von der Hand geht, fühlt es sich anfangs so an als gäbe es den Song bereits. Man muss diesen einen Moment einfach festhalten. Aber sobald das Telefon klingelt, kann sich dieser Augenblick ganz schnell verflüchtigen, er ist so zerbrechlich! Heute setze ich mich einfach hin und schreibe drauf los. Manchmal entsteht dabei ein guter Song und manchmal schreibt man Songs, die sich später nicht auf dem Album wiederfinden. Was ich allerdings noch nie mochte, war das Schreiben während einer Reise. So sind meine Songs in Los Angeles, New York und Stockholm entstanden, wo ich lebe. Nashville war für mich jedoch immer der Ort, an dem es mir mit Abstand am leichtesten gefallen ist, gute Songs zu schreiben. Nashville hat eine Songwriting Kultur, die Leute dort haben das einfach im Blut, das mag ich sehr! Man trifft sich mit jemanden, fragt wie es einem geht, setzt sich ein paar Stunden zusammen und schreibt einen Song. Es ist wirklich unkompliziert. Das finde ich ganz toll und es sollte auch gar nicht anders sein! Du musst nur wissen, wovonder Song handeln soll – das ist der Schlüssel. Es macht einfach nur total viel Spaß!
Wenn du die Wahl hättest, mit wem würdest Du eines Tages gerne zusammenarbeiten?
Rick Rubin war einer davon und mit ihm hatte ich schon die Ehre zusammen zu arbeiten. Es ist schon interessant, dass es oft jemand ist, der genau das Gegenteil von dem macht als man selbst. Da gibt es schon einige Leute, die im gleichen Genre wie ich tätig sind, aber ich denke, mit Dave Grohl von den Foo Fighters hätte ich eine Menge Spaß! Der Gedanke daran, was aus einer Zusammenarbeit mit Dave resultieren könnte, gefällt mir wirklich sehr gut. Ich liebe seine Hingabe und Liebe zur Musik und dass er so viel positive Energie ausstrahlt. Jup, das ist definitiv jemand, mit dem ich liebend gerne arbeiten würde.
Was hast du aktuell in deiner Playlist? Kannst du uns was empfehlen?
(lacht) Oh ihr jungen Leute! Christine and the Queens – kennt ihr die? Sie kommt aus Frankreich, sie ist total cool! Und die Chainsmokers.
Interview: Mirjam Baur & Marion Weber
Foto: Viktor Flumé