„A Star is Born“ von Bradley Cooper: Ein Fest, selbst für Streisand/Kristofferson-Fans

Neuverfilmungen lieb gewonnener Klassiker können einen schon ganz schön in die Gefühlszwickmühle bringen. Vor allem wenn man wie ich bereits im zarten Kindesalter die 1976er Version von „A Star is Born“ zu seinen absoluten Lieblingsfilmen zählte. Heute weiß ich, dass die zum damaligen Zeitpunkt bereits dritte Adaption des Stoffs rein objektiv betrachtet vielleicht nicht unbedingt die stärkste ist. Der Film mit Barbra Streisand und Kris Kristofferson in den Hauptrollen mag seine dramaturgischen Schwächen haben. Aber er lebt ohne Frage von den hervorragenden Musikszenen, die zum einen den wilden Rock’n Roll Geist der späten Siebziger unglaublich mitreißend portraitieren, zum anderen an Energie auch dem heutigen Standard nach nichts verloren haben. Die Eröffnungsszene, in der ein völlig aufgeheiztes Publikum aufgeregt und wütend gleichermaßen auf den sich verspätenden Superstar John Norman Howard wartet, ist einfach nicht zu übertreffen. Ich würde so weit gehen zu behaupten, dass der Film meine heutige Begeisterungsfähigkeit für Musik und Live-Konzerte entscheidend mit geprägt hat.

Im Vergleich zu dem furiosen Auftakt, den Frank Pierson 1976 inszenierte, startet die aktuelle Neuverfilmung geradezu zahm. Überhaupt konzentrieren sich die Musikszenen hauptsächlich auf die Hauptakteure und weniger auf das Publikum, weshalb man sich als Zuschauer nicht ganz so stark an ihnen beteiligt fühlt. Das ist aber auch schon einer der wenigen Punkte, die man an Bradley Coopers Neuverfilmung von „A Star is Born“ kritisieren kann. Sie ist mitreißend, romantisch und tragisch, und man kann sie auch genießen, wenn man wie ich per se kein allzu großer Lady Gaga Fan ist. Gaga tritt nach Judy Garland und Barbra Streisand in die Fußstapfen des aufgehenden Sterns am Musikhimmel.

Bradley Cooper, bekannt aus Erfolgsfilmen wie „Hangover“ und „Silver Linings“, hat nicht nur die Regie des Remakes übernommen, er spielt natürlich auch die männliche Hauptrolle, den desillusionierten Rockstar mit Alkohol- und Drogenproblemen, Jackson Maine heißt er hier. Meiner einer, mit acht Jahren unsterblich in Kris Kristofferson verliebt, runzelt hierzu erstmal kritisch die Stirn. Eigentlich wäre es doch viel cooler, wenn tatsächlich ein Musiker die Rolle übernommen hätte. Wie wäre es zum Beispiel mit Father John Misty? Den Rauschebart bringt er direkt mit, auch die für den Charakter passende Mischung aus Rockstar-Arroganz und Schmusesänger-Kuscheligkeit. Und so überzeugend wie Mr Josh Tillman seinen Kunstcharakter Father John Misty kreiert hat, kann man sich gut vorstellen, dass er das nötige Schauspieltalent vorweisen kann.

Gut, um Besetzungsvorschläge hat mich nunmal keiner gebeten. Und vielleicht ist es auch eine ganz gute Entscheidung, Lady Gaga einen versierten Spieler gegenüber zu setzen. Man muss auf jeden Fall sagen: die beiden bringen eindeutig das Beste ineinander zum Vorschein.
Die Geschichte von „A Star is Born“ ist auch 40 Jahre später schnell erzählt. Rockstar Jackson Maine (Bradley Cooper) verliebt sich in die Barsängerin Ally (Lady Gaga), gleichermaßen in sie selbst wie in ihr Talent. Durch einen gemeinsamen Auftritt bei einem Konzert von Jackson Maine wird Ally selbst zum Star. Die beiden werden ein Paar und heiraten, aber sowohl Allys berufliches als auch das gemeinsame private Glück können nicht davon ablenken, dass Jackson Maine Drogen- und Alkoholprobleme hat und unter Depressionen leidet. Hilflos sieht er dabei zu, wie Ally nicht nur der viel größere Star als er wird, sondern auch wie er sich zunehmend unfähig fühlt, sie zu unterstützen und voll für sie da zu sein.

Interessant ist, dass beide Filmversionen das gleiche Problem haben: die erste Hälfte ist viel stärker als die zweite. Dass das Kennenlernen zwischen Star und Barsängerin so wunderbar funktioniert liegt vor allem daran, dass wir hier von Anfang an ein ernsthaftes Interesse zweier Menschen aneinander sehen. Jackson geht es nicht darum, Ally gegenüber seinen Star-Status auszuspielen, und Ally zeigt sich von seinem Ruhm nicht mehr beeindruckt als dringend nötig. Dass sie sich auf eine schwierige Kiste mit ihm einlässt, ist ihr auch von Anfang an klar. Umso echter kommt einem diese Liebe vor, und das lässt sie wirklich zu Herzen gehen.

Die zweite Hälfte des Stoffs hat, anno dazumal wie heute, ein dramaturgisches Problem. Allys Aufstieg zum Star und Jacksons zeitgleicher Abstieg gibt Story technisch offensichtlich nicht genug her, um den in der ersten Hälfte gespannten Spannungsbogen aufrecht zu halten. In der Neuverfilmung kommt dann noch hinzu, dass es einem ein wenig schwer fällt nachzuvollziehen, wie kampflos Ally das Spiel mitspielt, sich von einer ambitionierten Sängerin zu einem Abziehbild-Popstar verbiegen zu lassen. Allerdings spiegelt der Film hier auch ein generelles Problem der zeitgenössischen amerikanischen Musikindustrie. Nennen Sie bitte einen amerikanischen, kommerziell erfolgreichen, weiblichen Rockstar? Nu ja. Die Rollen, was für weibliche und männliche Musiker im großen Stil funktioniert, sind schon recht klar verteilt.

Bradley Cooper hat offensichtlich ein großes Herz für die 1976er Version von „A Star is Born“ und schafft es auf sympathische Weise, deren Geist glaubwürdig in die heutige Zeit zu übertragen. Das merkt man unter anderem daran, wie er nicht nur Kris Kristoffersons Look sondern auch seinen nuscheligen Sprachduktus adaptiert, auch Gagas Rolle Ally erinnert hier und da an Streisands Esther Hoffman. Es tauchen außerdem immer wieder kleine Motive auf, die direkt auf die damalige Version verweisen, wie zum Beispiel wenn Ally Jackson in der Badewanne mit Lippenstift und Mascara verschönert. Gleichzeitig gibt es neue Elemente in Coopers Remake, die die Geschichte stimmig weiter entwickeln. So leidet Jackson Maine an einem schweren Tinnitus und wird zunehmend schwerhöriger. Oder dass die Bar, in der Ally und Jackson sich zum ersten Mal begegnen eine Travestie-Bar ist, in der Ally die einzige auftretende Frau ist. Die Musikszenen sind ebenfalls hin- und mitreißend inszeniert, der Soundtrack tut das übrige dazu. Leider bleibt am Ende keiner der Songs wirklich hängen. Sie sind mir erstaunlich schnell wieder aus dem Gedächtnis entschwunden, während ich Barbra Streisands „Evergreen“ jederzeit los trällern könnte. Insgesamt is „A Star is Born“ aber eine stark inszenierte Musikromanze. Und spätestens der letzte Flashback, den der Film seinen Protagonisten gönnt, ist wirklich herzzerreißend. Da kann sich selbst ein eingefleischter Streisand / Kristofferson Fan wie ich nicht mehr beherrschen. Wer trotzdem noch zweifelt: Barbra Streisand ist selbst Fan der Neuverfilmung . Man kann sich also ganz bequem zurück lehnen und diesen sympathischen Film in vollen Zügen genießen.

Fotos: Warner Bros.

Kinostart: 04.10.2018