Es ist so eine Sache mit den Erwartungen. Ein Film, dessen Kinostart mehr als ein Jahr in den Sternen stand. Ein Stoff, an dem schon andere gescheitert sind und der inzwischen als mehr oder weniger unverfilmbar gilt. Ein Regisseur wie Denis Villeneuve, der bereits mit „Arrival“ bewiesen hat, dass Science Fiction kombiniert mit großer philosophischer Fragestellung funktionieren kann. Ein Cast, der nach aktuellen Hollywood-Maßstäben hochkarätiger kaum sein könnte: Rebecca Ferguson, Oscar Isaac, Jason Momoa, Javier Bardem, Zendaya und allen voran Timothée Chalamet, der größte (nicht nur) Teenage Heartthrob, den die Branche aktuell zu bieten hat. Unstrittig ist: wer Denis Villeneuves „Dune“ sieht, der lässt sich auf das größte Kinoereignis dieses immer noch stotternden Filmherbstes ein. Und man sagt nicht umsonst, je höher die Erwartungen, desto größer die Gefahr enttäuscht zu werden.
Aber ist das wirklich so, vor allem in der heutigen Zeit? Die kürzlich auf tragische Weise viel zu früh verstorbene Kundalini-Lehrerin Guru Jagat, ein moderner, weiblicher Guru, sagte zuletzt in einer ihrer Inspirationsreden, in denen sie immer viel Bezug auf unsere Populärkultur nahm, die Pandemie habe uns alle zu „Cheap Dates“ gemacht. Wir sind so ausgehungert nach Kultur, nach Erlebniswelten außerhalb unserer eigenen, dass uns schon sonst eher mittelmäßiger Input unverhältnismäßig glücklich macht. Kunst uns Kultur als das „Spice“ unserer Zeit. Die Brücke zum Kundalini-Yoga schlägt sich hier nicht ganz unpassend, schließlich erlebte die Yoga-Bewegung nicht von ungefähr in den sechziger/siebziger Jahren dank Yogi Bhajan einen Höhepunkt. Durch die Kombination körperlich extrem fordernder Bewegungsmuster und Meditation in völliger Stille, versucht man im Kundalini auf gesunde Weise einen bewusstseinserweiternden Zustand zu erreichen. Mitte der sechziger Jahre erschien auch Frank Herberts erster Roman aus der „Dune“-Reihe, und in dem legendären Science Fiction Epos spielt Bewusstseinserweiterung ebenfalls eine wichtige Rolle. Auf dem Wüstenplaneten Arrakis, dem zentralen Handlungsort von „Dune“ wird die Droge „Spice“ gewonnen, die hellseherische Fähigkeiten verleiht und es den Raumfahrern ermöglicht, überlichtschnelle Raumschiffe durch das Universum zu steuern, in dem die Menschheit auf verschiedenen Planeten verstreut ist.
Die Liste der gescheiterten „Dune“ Verfilmungen ist so lang wie legendär. Der Versuch des chilenischen Regisseurs Alejandro Jodorowsky wird gerne als bester Film der nie gemacht wurde bezeichnet. Ridley Scott legte sein „Dune“ Projekt auf Eis, um stattdessen „Blade Runner“ zu gehen. Die Erstverfilmung durch David Lynch floppte 1981 legendär sowohl bei Kritiker*innen als auch an den Kinokassen. Nun, da Denis Villeneuve sich an seine Version wagt, ist der Stoff bereits über 50 Jahre alt. Er versucht dies wettzumachen, indem er gezielt die Handlungspunkte und Figuren herausarbeitet, durch die er aktuelle Bezüge herstellen kann. Das Wüstenvolk der Fremen, das um seine Unabhängigkeit und Anerkennung kämpft. Der Orden der Bene Gesserit als feministisches, nach Macht strebendes Kollektiv. Die Sehnsucht nach einem heilbringenden Messias und die damit verbundene Gefahr eines Religionskrieges. Dabei konzentriert er sich inhaltlich auf die erste Hälfte des ersten Romans, weshalb es ganz korrekt auch „Dune – Teil I“ heißt. Als Zendayas Charakter Chani am Ende sagt, dies sei erst der Anfang gewesen, verstärkt sich noch einmal das Gefühl, dass man gerade einer zweieinhalb stündigen Ouvertüre beigewohnt hat.
Das ist nur eines der Probleme von „Dune“. In vielerlei Hinsicht funktioniert sie, die große Filmunterhaltung. Es ist ohne Frage ein Film der beweist, dass das Erlebnis der großen Leinwand so schnell durch nichts zu ersetzen ist. Die Bilder und das Sounddesign erschlagen einen förmlich. Timothée Chalamet zeigt wieder einmal, dass er auch noch schön ist, wenn die Kamera ihm unterm linken Nasenloch hängt. Überdimensionale Raumschiffe und fremde Planeten bieten genug Fluchtmöglichkeiten aus der vergleichsweise ach so kleinen eigenen Welt. Aber irgendwie ist immer wieder Sand im Getriebe. Gefühlt war das alles schon einmal da, die Raumschiffe, die Kämpfe, die gesichtslosen, martialisch aufmarschierenden Armeen, und viel spektakulärer als sonst präsentiert sich das Genre hier auch nicht. Besonders das Sounddesign wirkt mit allem Rums und Krach auf die Dauer regelrecht recycelt. Noch nicht einmal das Gefühl der unerträglichen Hitze auf dem Wüstenplaneten will sich so recht übertragen, alles bleibt kühl und distanziert. Am enttäuschendsten aber ist irgendwie, dass „Dune“, obwohl es hier um die Mutter aller bewusstseinserweiternden Drogen und die mit ihr verbundene Macht geht, so gar nichts psychedelisch Betörendes hat. Das erweiterte Bewusstsein ist ein düsterer Ort.
Gut, viel zu lachen gibt es nicht im Jahr 10191 wirklich nicht. Die Menschheit ist auf Planeten verstreut und wird beherrscht von einem finsteren Imperator. Dieser überträgt Herzog Leto Atreides (Oscar Isaac) die Verwaltung des Wüstenplaneten Arrakis und damit die Herrschaft über das Spice. Aber es handelt sich um eine Intrige, die in einem kriegerischen Hinterhalt mündet, dem nur Paul Atreides (Timothée Chalamet), Letos Sohn und seine Mutter Jessica (Rebecca Ferguson), Angehörige des Ordens der Bene Gesserit, lebend entkommen. Jessica hat Paul in den geheimen Künsten der Bene Gesserit unterwiesen, das Wüstenvolk der Fremen sieht in ihm einen Auserwählten, ein Schicksal, das Paul immer wieder in nächtlichen Träumen und Visionen heimsucht, die damit verbundene Verantwortung quält ihn. Er reagiert besonders empfindsam auf das Spice, das seine Visionen noch verstärkt, aber auch das macht ihm Angst. Man wünscht ihm wenigstens einen angenehmen Rausch, doch auch dieser Zustand ist genauso wenig freudvoll wie alles andere in dieser Welt.
Man möchte so gerne ein Cheap Date sein, und über weite Strecken gelingt einem das auch. Und trotzdem hinterlässt „Dune“ ein Gefühl der mangelnden Befriedigung, mehr Hangover als betörender Rausch. Vor allem da der wirklich spannende Teil der Geschichte wohl erst folgt, man aber noch nicht weiß, ob überhaupt und wenn ja wann das passieren wird. Über den Produktionsauftrag für „Dune -Teil 2“ soll an den Kinokassen entschieden werden. Das gibt immerhin Hoffnung, denn kaum ein Film hat diesen Herbst so viel Potential, die Menschen ins Kino zu locken wie dieser. Und das für sich ist schon ein Erfolg, auch wenn der ganz große Rausch vielleicht ausbleibt.
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