Vierundzwanzig Jahre ist es her, dass Russell Crowe und Joaquin Phoenix sich in den Rollen von Maximus Decimus Meridius und Commodus in der Arena des Kolosseums gegenseitig die Köpfe einschlugen. Mit Worten, Fäusten und charismatischem Aussehen haben sie einen Fan Kult geschaffen, der sich dieses Jahr einer Fortsetzung des Kampfes um die Herrschaft in Rom erfreuen darf. Erneut unter der Regie von Ridley Scott werden in „Gladiator II“ nun Paul Mescal, Pedro Pascal und Denzel Washington aufeinander losgelassen, um auszukämpfen, wer am Ende auf dem Thron sitzt.
Sechzehn Jahre nach dem Tod von Marcus Aurelius haben die neuen Kaiser, das Geschwisterpaar Caracalla (Fred Hechinger) und Geta (Joseph Quinn), Rom zwar geografisch fast bis zum Zerreißen ausgedehnt, aber moralisch und gesellschaftlich in den Ruin getrieben. Die Bevölkerung steht längst nicht mehr rückhaltlos hinter ihren machtgierigen Herrschern sondern findet mehr Gefallen an dem gerechten und kriegsmüden Tribun Acacius (Pedro Pascal), der von den Kaisern entsandt wird, um für sie die letzte freie Stadt in Numidien einzunehmen.
Dort trifft er zum ersten Mal auf Lucius (Paul Mescal), den Sohn von Lucilla (Connie Nielsen) und dem verstorbenen Marcus Aurelius, der jetzt unter dem Namen Hanno mit seiner Frau Arishat ein einfaches, ruhiges Leben führt. Doch Arishat fällt in der Schlacht, die Stadt wird erobert und Lucius als Kriegsgefangener nach Anizo gebracht, wo er an den Sklavenhändler Macrinus (Denzel Washington) verkauft wird. Sein Auftreten und sein Rachedurst heben ihn von den anderen ab, und so entscheidet Macrinus, Lucius als Gladiatoren ausbilden zu lassen. Dafür, dass Lucius seine Kampfkunst im Colosseum präsentiert, will er ihm im Gegenzug seine Rache an Acacius ermöglichen. Lucius beweist seine Stärke im Kampf mit Zombieaffen, weiteren Gladiatoren, Nashörnern und Haien, wird jedoch bald von seiner Mutter Lucilla erkannt, die den Plan schmiedet, ihn zu befreien. Doch auch Macrinus, der selber nach der Kaiserkrone strebt, kommt hinter sein Geheimnis und die Fronten verhärten sich.
Mit seinen letzten Filmen, darunter “Napoleon”, “Prometheus – Dunkle Zeichen” und “Alien: Romulus”, musste Ridley Scott leider feststellen, dass ein Erfolg und der Kultstatus eines Films wie “Gladiator” sich nicht so einfach wiederholen lassen. Man fragt sich fast, was den Film im Jahr 2000 zu einem solchen Erfolg hat werden lassen und ob es vielleicht zu einem großen Teil seiner damals noch prägnanten Alleinstellungsmerkmale geschuldet ist. Fest steht, ein solcher Kassenschlager und Kultfilm wird “Gladiator II” wohl nicht werden.
Einer seiner großen Defizite besteht darin, dass die Existenz des “Gladiator” Universums ganz grundsätzlich vorausgesetzt wird, dass wir Hals über Kopf in die Geschichte und die Geschehnisse geworfen werden. Sämtliche Figuren bleiben dadurch weitestgehend unnahbar und oberflächlich, da wir keine Zeit haben, mit ihnen warm zu werden. Lucius‘ Frau Arishat zum Beispiel verstirbt innerhalb weniger Minuten, bevor wir einen der beiden richtig kennenlernen konnten. Somit fällt es schwer, seinen Rachegelüsten und seinem Schicksal mit Herz zu folgen. Seine Textzeilen, wenn er nicht gerade effekthascherische, leicht deplatzierte Gedichte zitiert, würden vielleicht auf zwei Doppelseiten passen.
Dass man überhaupt mit den Charakteren fühlt, dass man Sympathien für Paul Mescal und auch für Pedro Pascal empfindet, scheint fast auschließlich auf der Liebe zu früheren Rollen der beiden zu basieren. Mit ihren Auftritten in “Aftersun”, “All of Us Strangers”, “The Last of Us”, “The Mandalorian” und “Narcos” haben sich die beiden in unsere Herzen gespielt. Die Emotionen blühen dadurch irgendwie automatisch auf, ohne dass die Rollen besonders ausgearbeitet wurden. Ein Geniestreich im Bereich des Castings, aber zugegebenermaßen auch etwas faul.
In den Schlachtszenen von „Gladiator II“ holt Ridley Scott wieder einiges heraus, weiß genau, wie er sie aufbauen und inszenieren muss. Das Kolosseum wird geflutet und mit Haien bevölkert, um dann mit sich bekriegenden Schlachtschiffen befahren zu werden. Der überaus gelungen Dramaturgie zur Liebe lassen wir einmal außer Acht, wie all das mit den damaligen Mitteln überhaupt hätte bewerkstelligt werden sollen. Auch die Mann-gegen-Mann Kämpfe, von der Szenerie her eher simpel, sind hervorragend choreografiert und von den Schauspielern beeindruckend umgesetzt. Geht man dafür ins Kino, wird man nicht enttäuscht werden.
Allerdings, und dies mag zum Teil daran liegen, dass er als Fortsetzung an einen inzwischen doch eher veralteten Film anknüpft, wirkt “Gladiator II” sehr aus der Zeit gefallen. Die Kostüme und die Szenerie, auch wenn die technischen Mittel heutzutage natürlich viel fortgeschrittener und eindrucksvoller sind, entkommt kaum der 2000er Ästhetik des alten Rom. Der Film ist gespickt mit leicht irritierenden, mystisch anmutenden Szenen in grau-blau, die den Tod mit Kapuze zeigen. Die einzige wirklich interessante weibliche Figur findet nach zwei Minuten Spielzeit ein blutiges Ende und was bleibt, ist eine flache, liebevolle, sich selbst aufopfernde Mutter. Da war Ridley Scott selbst zu „Alien“ Zeiten Ende der Siebziger Jahre doch schon weiter.
Kurzum, der Film ist Käse. „Käse“ ist in diesem Fall ein gutes Wort, denn es hat eine leicht amüsierte, wohlwollende Konnotation. Und trotzdem reden wir hier letztendlich von… Käse. Und nicht von großer Filmkunst. “Gladiator II” ist unbestreitbar amüsant und spannend anzusehen, der Anblick der Hauptdarsteller reicht für den Unterhaltungsfaktor. Aber ich kann ohne Ärger und einen kleinen Anflug von Wut behaupten, dass er viel mehr auch nicht zu bieten hat.
“Gladiator II” erscheint am 14. November in den deutschen Kinos.