Amyl and The Sniffers: „Mein Bett ist mein Happy Place“

Declan (Gitarre) und Gus (Bass) von der australischen Post-Punk-Band Amyl and The Sniffers sind am anderen Ende der Welt in Melbourne, als wir uns zum Zoom Chat treffen. Beide sind zudem in ihren eigenen vier Wänden, denn Melbourne befindet sich gerade mal wieder im Lockdown. Das trägt mit Sicherheit dazu bei, dass die Energie bei unserem Gespräch so eine ganz andere ist als die, die man von der Band musikalisch und auf der Bühne gewöhnt ist. Declan und Gus sind sehr entspannt, was umso mehr erstaunt wenn man die unsichere Situation bedenkt, in der sie sich als Band gerade befinden. 

Gerade haben sie ihr zweites Album „Comfort To Me“ heraus gebracht, das unter komplett gegensätzlichen Umständen wie das 2019 erschienene, selbstbetitelte Debüt entstanden ist. Und es beweist mal wieder, dass besonders laute, auf den ersten Eindruck hin aggressive Musik auf ihre ganz eigene Weise Trost spenden kann, besonders in dieser komischen Zeit. 

Wie ist die Situation bei euch? Ihr seid ja gerade schon wieder im Lockdown.

Gus: Es ist ein ewiges hin und her. Wir sind gefühlt ständig im Lockdown. 

Aber ihr habt kurz vorher noch eine Show gespielt, oder?

Gus: Ja, aber das war auch komisch. Es war keine full capacity show, wir mussten zwischendrin diese Absperrungen haben. Es gab vier Absperrungen, damit niemand zu wild tanzen oder crowdsurfen konnte. Und in derselben Nacht, ab Mitternacht ging der Lockdown los. Jetzt sind wir seit vier Tagen im Lockdown, davor waren wir schon anderthalb Wochen im Lockdown. Es ist verrückt. 

Das muss so ungewohnt für euch sein. Ihr wart so viel auf Tour und seid ja wirklich eine Band, die man live erleben muss.

Gus: Ja, es ist komisch. Aber es hilft ja nichts. Wir nehmen es so wie es kommt. 

Wie fühlt es sich an, von etwas so ausgebremst zu werden, das komplett außerhalb eurer Kontrolle liegt?

Gus: Ehrlich gesagt fand ich es gar nicht so schlecht. Einfach mal anhalten, sich entspannen, seine Gedanken sammeln. Wir haben das Land seit mehr als anderthalb Jahren nicht verlassen. Persönlich habe ich es genossen, ein bisschen ein normales Leben zu führen, so gut man das in dieser ungewohnten. Situation kann. 

Und kreativ gesehen? Wo habt ihr eure Inspiration her genommen, wo ihr so viel weniger erleben konntet?

Gus: Man kann ja nicht wirklich Musik schreiben, wenn man auf Tour ist. Von daher ist es schon auch gut, mehr Zeit zu haben. Ich persönlich habe aber nicht viel Musik in letzter Zeit geschrieben, ich weiß nicht, wie es Declan geht. Jetzt bringen wir erstmal dieses Album raus und hoffen, dass es in Zukunft besser wird. 

Erzählt mal, was war das für ein Prozess, das Album fertig zu kriegen?

Declan: Wir haben 2019 mit dem Schreiben angefangen. Eigentlich wollten wir im July 2020 ins Studio, aber dann kam wieder der Lockdown. Also mussten wir das auf Oktober verschieben. Da waren wir aber immer noch im Lockdown, weshalb wir es als Filmprojekt deklariert haben, damit wir die Erlaubnis bekommen konnten, weiter zu arbeiten. Januar/Februar dieses Jahr haben wir gemischt und gemastert. Das Mixing wurde in Los Angeles gemacht und hat viel länger gedauert als geplant. Wenn Nick Launay uns einen Mix geschickt hat, hat es zwölf Stunden gedauert, bis er unsere Anmerkungen dazu bekommen hat und dann wieder 12 Stunden, bis wir seinen nächsten Mix bekommen haben. 

Wie war es, mit Nick Launay zu arbeiten? Ich finde es interessant, dass er so unterschiedliche Sachen macht und man seinen Stil erstmal gar nicht so greifen kann.

Declan: Ich frage mich eher wie es für ihn war, wir haben ihn ständig übers Telefon gequält (lacht). Als Mixing Engineer ist er ja eher dafür bekannt, dass er Sounds elektronisch manipuliert. Von daher war es interessant, was er mit unserem Sound gemacht hat. Er hat ja nur gemischt und nicht produziert, das wäre nochmal eine andere Sache gewesen. Ich glaube es war eine ziemliche Herausforderung für ihn, weil er in LA war, das hat alles nicht unbedingt leichter gemacht. Aber ich finde, er hat das sehr gut gemacht. 

Wenn man mal die ganzen äußeren Umstände abzieht, was war für euch anders bei diesem Album, was eure Zusammenarbeit betrifft?

Declan: So ziemlich alles. Das erste Album ist quasi auf Tour entstanden, während dieses Album komplett während Covid entstanden ist. Wir konnten keinen der Songs live ausprobieren, was für uns immer ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit war. Das erste Album haben wir in UK aufgenommen, dieses Album hier zuhause. Das sind natürlich alles äußere Umstände, aber das kann man ja auch nicht wirklich trennen.

Ihr kennt euch ja schon so lang und seid auch enge Freunde. Habt ihr dadurch auch neue Seiten aneinander entdeckt?

Declan: Ich habe festgestellt, dass Gus wirklich verdammt gute Basslines schreiben kann. 

Gus: Oh, danke! Ich glaube, der größte Unterschied ist immer, mit wem wir zusammen arbeiten. Unser Produzent zum Beispiel, wie der uns wahrnimmt und mit uns umgeht.

Ihr plant, das Album komplett aus Film aufzuzeichnen und diesen dann als Livestream zu zeigen.

Declan: Ich hoffe, dass wir rechtzeitig aus dem Lockdown wieder raus sind um es zu filmen. Das wird ziemlich cool. Wir werden das komplette Album spielen von Anfang bis Ende, gleiche Tracklist, das Ganze wird als eine Sequenz aufgezeichnet irgendwo in Melbourne, dann senden wir das.

Ihr seid so eine energetische Liveband, ist es nicht seltsam, ohne die Reaktionen des Publikums zu spielen?

Gus: Ich mache mir da nicht so viele Gedanken. Es ist trotzdem cool.

Declan: Es sind ja trotzdem immer Leute da, die Energie mitbringen und unser Adrenalin hoch pushen. Uns ist gar nicht so wichtig, wieviele das sind. Wenn wir proben, dann sind es nur wir vier. Das ist auch entspannt, weil man sich nicht so viele Gedanken macht wie man aussieht oder wie die Leute einen wahrnehmen. Wir kümmern uns mehr um das Timing, passen auf, dass jeder zur richtigen Zeit am richtigen Punkt des Songs ist. Vielleicht lässt sich das auch auf so ein Event übertragen. Das wäre eine spannende Veränderung. 

Ihr wirkt generell ganz entspannt, dafür dass die Situation gerade so schwierig ist. Gibt es irgendetwas, das euch nervös macht?

Declan: Ich meine, wie Gus gerade sagte, es war ganz angenehm, mal eine Pause zu haben. Aber wenn die Pause jetzt noch ewig geht, das fände ich schon verdammt nervig. 

Gus: Wir versuchen soweit es geht business as usual zu machen, aber es gibt schon Dinge, die einen nervös machen. Live im Fernsehen zu spielen finde ich zum Beispiel grauenvoll, das macht mir mega Schiss. Aber so ein Livestream, das fühlt sich fast an wie ein normales Set. Das sind wir gewöhnt und da sind wir Zuhause. 

Euer Album heißt „Comfort To Me“. Ich kann euch nicht sagen warum, aber laute, heftige Musik spendet mir irgendwie Trost in dieser komischen Zeit. Von daher passt das für mich ganz gut. Was tut euch denn gerade gut?

Gus: Der Titel ist ja die erste Zeile aus einem Song. Welcher war es gleich nochmal, Dec?

Declan: „Capital“. 

Gus: Verdammt, ich kann mich an die Lyrics nicht erinnern. Aber was mir gut tut? Ich bin gerade im Bett, das ist der beste Ort der Welt während Lockdown. Okay, eigentlich immer, nicht nur während Lockdown. Mein Bett ist mein Happy Place. Ich liebe es. 

Declan: Bei mir ist es das Sofa. Und dann Dokumentationen auf Netflix gucken. 

Foto © Jamie Wdziekonsk