Zum Internationalen Frauentag: Liv Strömquist über Frauen hinter männlichen Genies, rechtskonservative Kinder und den Brennpunkt Kernfamilie

„I’m every Woman, it’s all in me“ singt Chaka Khan in ihrem Hit aus dem Jahr 1978, und frau singt automatisch mit. Natürlich möchte man sie gerne sein, die Frau in der alles steckt – die erfolgreiche Biochemikerin. Die mit ihrem Gedankengut die Welt verändernde Bestseller-Autorin. Die Balletttänzerin. Die Filmemacherin. Wer darauf achtet was Chaka Khan weiter singt, dem wird aber auffallen, dass es darum hier offensichtlich nicht geht. „Anything you want done baby, I’ll do it naturally.“ „I can sense your needs, like rain into the seeds.“ heißt es stattdessen.
Frau gefällt sich offensichtlich ganz gut in der Rolle der Hegenden und Pflegenden. Wie sagt man so schön? „Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau.“ Genau diesen Frauen, denen „hinter“ den erfolgreichen Männern, widmet die schwedische Autorin Liv Strömquist ihrer Comic-Sammlung „I’m Every Woman“. Und sie wäre nicht Liv Strömquist, wenn es bei ihren scharfzüngigen Beobachtungen den gesellschaftlichen Konventionen, den berühmtesten Patriarchen der jüngeren (und älteren) Geschichte, aber auch den Frauen selbst nicht mächtig an den Kragen gehen würde.
Die Comics in „I’m Every Woman“ sind in Livs Heimat Schweden bereits Anfang der Nuller-Jahre erschienen. Jetzt liegen sie in Livs dritter Publikation für den deutschen Markt erstmals in deutscher Übersetzung vor. Den locker flockigen Einstieg bildet ein Ranking der sieben „unsäglichsten Lover der Weltgeschichte“, mit dem sie den Mythos vom männlichen Genie gnadenlos entzaubert. So zum Beispiel Albert Einstein, der seine frühen Forschungen gemeinsam mit seiner ersten Frau Mileva Marić unternahm. Später verlies er sie für ihre Cousine und ließ sie allein mit den zwei gemeinsamen Kindern zurück, eins davon schwer krank. Statt Mileva Marić’ Anteil an der ursprünglich gemeinsamen Forschung zu würdigen, rühmte Einstein sich später der Aussage: „Frauen sind nicht für das abstrakte Denken geschaffen.“
Man muss mal wieder, wie man es von Liv Strömquist inzwischen gewohnt ist, viel Schmerzhaftes ertragen. Elvis und Priscilla, John Lennon und Yoko Ono, die Barbapapas und die Simpsons – man wird sie danach alle mit anderen Augen sehen. Gleichzeitig sind die Comics in „I’m Every Woman“ fast noch pointierter und witziger als alles was man von Liv Strömquist bis jetzt gelesen hat. Allen voran das Kapitel, das uns offenbart warum Kinder rechtskonservativ sind. Das ist so dermaßen auf den Punkt und so urkomisch, dass es einem vor Lachen und Verzweifeln gleichermaßen die Tränen in die Augen treibt.
Dabei geht es Liv Strömquist wie gesagt nicht um den moralischen Fingerzeig. Stattdessen hält sie uns den Spiegel vor und zeigt, wie wir mit unserem von der Gesellschaft diktierten Verhalten die Missverhältnisse zwischen Mann und Frau überhaupt erst funktionieren lassen. Sie erklärt uns auch, warum eine Frauenquote allein noch keine Lösung ist. Es ist alles nicht so einfach – aber ein bisschen erhellt und erleichtert fühlt man sich nach der Lektüre von „I’m Every Woman“ dennoch. Erleichtert natürlich auch um die ein oder andere romantische Illusion. Erhellt um das Gefühl, dass es für ein gleichberechtigtes und beide Seiten befriedigendes Geschlechtermiteinander noch viel zu tun gibt. Livs Zeichenstift setzt hier auf jeden Fall einen Anfangspunkt.

„I’m Every Woman“ ist pünktlich zum Internationalen Frauentag im Avant-Verlag erschienen und kann hier käuflich erworben werden. Liv Strömquist ist zu Gast im KulturKaufhaus Dussmann (4.4. um 19 Uhr) und für eine Signierstunde im Comicladen Modern Graphics (5.4. von 17 bis 19 Uhr).

www.avant-verlag.de