Warum Weihnachten für mich ist wie Chris Rea rückwärts hören (und was die Band Erdmöbel damit zu tun hat)

Wisst ihr, was ich als eine der größten Errungenschaften meines Erwachsenenlebens betrachte? Dass mein Mann und ich es geschafft haben, uns Weihnachten so freizuschaufeln, dass wir es gemeinsam mit unseren Kindern bei uns Zuhause in Berlin feiern. Keine Fahrten zur Verwandtschaft quer durch die Republik. Natürlich fühlen wir uns auch unseren Familien gegenüber verpflichtet, weswegen gestern den letzten dieser Besuche hinter uns gebracht haben. Als wir auf dem Rückweg in unsere Straße einbogen, haben wir beide leise gejuchzt beim Anblick der vielen leeren Parkplätze. Berlin hat eine ganz eigene Magie, wenn es über die Feiertage so leicht verlassen daliegt.

Letzte Woche Donnerstag saß ich früh morgens im Zug auf dem Weg zurück aus Bayern, wo ich ein paar Tage bei meiner Familie gebürtigerseits geweilt habe. Diese Besuche sind geprägt von Demenz und psychischer Störungen und werden deshalb jedes Jahr zu einer etwas größeren Herausforderung. Versteht mich nicht falsch, ich bin alles andere als ein Egoschwein, aber immer wenn ich nach so einem Besuch am frühen Morgen in den Zug steige um zurück nach Berlin zu fahren, macht sich ein wohliges Leuchten in mir breit. Das Gefühl, dass Berlin und die Menschen, die dort auf mich warten, in den letzten 20 Jahren zu meiner eigentlichen Heimat geworden sind. Als würde Chris Rea „Driving Home For Christmas“ rückwärts singen (und es würde plötzlich total super klingen).

Für Traditionen hab ich ja auch ein Faible, deswegen gibt es diesen einen Abend vor Weihnachten, den ich nach Möglichkeit nicht auslasse und grundsätzlich im Kreis meiner besten Freunde verbringe. Und das ist (ich habe bereits im letzten Jahr darauf gelobhudelt), das Erdmöbel Weihnachtskonzert. Es findet nicht immer am gleichen Tag statt, und trotzdem steht der Termin für meinen inneren Adventskalender gleichbedeutend mit dem 23. Türchen. Wenn ich da einmal angekommen bin, dann hab ich das Gefühl, ich habe es geschafft. Dann kann mich nix mehr schocken oder auch: dann kann Weihnachten kommen.

Ein Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt um die Ecke zum warm werden und hinein geht es in Getümmel unterm Goldenen Stern. Ekstatische Mitsingchöre, entwürdigende Mitmachnummern (O-Ton der Band), deren Höhepunkt jedes Jahr die traditionelle Weihnachtspolonaise ist und natürlich vor allem die herzerwärmenden Original-Weihnachtssongs der Herren Erdmöbel – es gibt kaum etwas, das den Geist der Weihnacht müheloser heraufbeschwört als dieses alljährliche Gathering. Und das geht nicht nur mir so. Wenn man sich während einer Erdmöbel Weihnachtsshow im Publikum umsieht, blickt man ausnahmslos in strahlende Gesichter. Währenddessen ruft meine Begleitung begeistert aus: „Ich hab so herrlich einen sitzen!“ Sie hat ihr leeres Weinglas hinter ihr Handtäschchen geklemmt, die Hände überm Kopf zum Stern geformt und dreht sich im Kreis.

Überhaupt wird von Jahr zu Jahr deutlicher, dass wir hier nicht die einzigen alljährlichen Wiederholungstäter sind. Der Großteil des Publikums weiß ganz genau, was es erwartet und macht jeden traditionellen Blödsinn hemmungslos mit. Unterkühlte Berliner? Von wegen. Gefühlt geht es hier jedes Jahr ein bisschen fröhlicher zu. Und auch die Band scheint immer noch ein kleines Schippchen Spaß oben drauf zu legen (wenn das überhaupt möglich ist). Selbst Markus Berges’ Stimmproblemen wird an diesem Abend wacker getrotzt. Nächstes Jahr nehmen wir dann einen größeren Raum (ausverkauft, hurra!) und sprengen dem einfach gemeinsam die Decke ab.

Vor dem Konzert treffe ich an der Bar auf einen Freund, der mir erzählt, er habe neulich auf der Suche nach einem Weihnachtsputer die Dame an der Fleischtheke verstört, indem er laut gerufen habe: „Sie nannten ihn Puter!“ „Sie hat den Witz nicht verstanden,“ seufzt er. Ich schon. In diesem Sinne: Fröhliche Weihnachten!

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