Rick Astley im Interview: „Wir müssen die Romantik der Musik wieder zurückbringen“

Wer an Rick Astley denkt, hat sofort einen Ohrwurm im Kopf: „Never Gonna Give You Up“. Mittlerweile so kultig, dass Astley vor gut einem Jahr in London sogar von den Foo Fighters auf die Bühne geholt wurde, um eine Rock Version des Songs zu performen, die selbst die Foo Fighter Fans in helles Verzücken versetzt hat. Sich auf den Lorbeeren auszuruhen ist aber selbst für einen Popstar wie Rick Astley keine Option. Also war 2018 Zeit für eine neue Platte, „Beautiful Life“, die man getrost als das Pop Comeback des Jahres bezeichnen kann. In seiner Heimat England landete er das fünfte Mal mit einem Album in den Top 10 Charts. Wie man sich so lange im Musikbusiness halten und immer noch Spass daran haben kann, hat Rick Astley mir im Interview erzählt.

Dein neues Album heist “Beautiful Life”. Bist du im Moment mit deinem Leben zufrieden?

Ja, ich bin gerade sehr zufrieden mit meinem Leben. Aber auch sonst geht es mir sehr gut. Ich habe einfach wahnsinnig viel Glück, dass ich immer noch das machen kann, was mir am meisten Spass macht. Es gibt für mich nichts Besseres, als auf der Bühne vor einem Publikum zu stehen, das meine Songs mitsingt.

Ist das der Grund, warum du immer noch Musik machst, weil der Zuspruch des Publikums so guttut?

Nein, gar nicht. Das genieße ich zwar und es macht mir auch wahnsinnig Spaß, aber ich mache es wegen der Musik, die mir nach wie vor sehr viel bedeutet. Ich würde auch weiter Musik machen, wenn es niemanden interessieren würde. Umso schöner ist es, wenn ich dann so positives Feedback bekomme.

Hat sich viel für dich geändert zu früher, als du ein Posterboy in fast jeder Zeitung warst?

Ich habe mittlerweile das Beste aus beiden Welten: ich kann auf die Straße, ohne dass ich erkannt werde. Ab und zu tuscheln die Leute mal kurz, aber das war’s. Früher war das überhaupt nicht möglich. Ich gehe fast jeden Morgen einen Kaffee mit meiner Frau trinken, die Leute wissen wer ich bin, aber keinen stört’s. Ich kann ein ganz normales Leben führen. Dann wiederum stehe ich auf der Bühne, die Fans jubeln und singen die Texte meiner Lieder. Dass ich in den letzten 10 Jahren auch wieder Konzerte gegeben habe hat sich ganz langsam entwickelt. Die ersten Konzerte, auf denen ich meine alten Songs wieder gespielt habe waren in Japan. Ich wollte dort schon immer mal mit meiner Frau Urlaub machen, also habe ich das Angebot angenommen, dort drei Konzerte zu spielen. Ich bin mit der Einstellung dort hin gegangen, wenn es nicht klappt, dann merkt das keiner. Ich hätte nicht gedacht, dass ich danach wieder richtig anfange auf Tour zu gehen. Dort habe ich gemerkt, wie viel Spaß es mir wieder macht. Vorher war ich ein bisschen müde von der ewigen Routine: Platte, Promotion, Tour. Aber die Konzerte haben mir dann wieder den Kick gegeben. Jetzt suche ich mir aus, auf was ich Lust habe und habe mich ein bisschen diesem ganzen Druck entzogen, der normalerweise auch mit einer neuen Platte kommt. Ich lasse mir nicht mehr alles diktieren, ob ich in diese eine bestimmte Fernsehsendung gehe oder nicht, es geht nicht mehr um Leben oder Tod.

Man merkt auch richtig, dass du viel Spaß hast auf der Bühne, wenn man dich dort sieht.

Oh ja. Das habe ich! Ich habe heutzutage glaube ich sogar mehr Spass als früher, als ich meine großen Hits hatte. Es wird nicht mehr jede Kleinigkeit unter dem Mikroskop beäugt und ich fühle mich freier. Früher war viel mehr Wettbewerb. Es ging immer nur darum, auf Nummer 1 zu kommen.

Ist es trotz allem für dich auch noch aufregend, wenn du eine neue Platte rausbringst?

Ja, natürlich freue ich mich immer noch darüber, wenn ein fertiges Werk das Licht der Welt erblickt. Ich beobachte auch immer noch was passiert, ich lasse mich davon aber nicht mehr bestimmen. Ich werte es auch nicht mehr als Versagen, wenn es nicht direkt in die Top 10 geht. Mittlerweile weiss ich auch, von was alles so ein Charterfolg abhängt. Da ist so viel Strategie hinter einer Plattenveröffentlichung, das ist unglaublich. Und wenn Beyonce dann einfach mal über Nacht entscheidet ein Album zu rauszubringen, dann kannst du es vergessen. Dann sind alle am Arsch (lacht).

Wie hat sich aus deiner Sicht die Musikindustrie über die Jahre verändert?

Natürlich hat die Digitalisierung alles verändert. Es ist aber ein Irrglauben anzunehmen, dass die Menschen dadurch die Musik weniger lieben und wertschätzen, nur weil sie jetzt streamen. Ich glaube auch, dass Leute nach wie vor Musik physisch besitzen wollen.

Neulich war der 12jährige Sohn meines besten Freundes zu Besuch. Er hat sich erst mal durch meine ganzen Platten gewühlt und wollte einige davon hören. 



Und du so: Stop, Stop. Nicht anfassen (lacht).

Genau. Aber es war schön zu sehen, dass da so ein grosses Interesse da war. Ich habe ihm dann Nirvana „Nevermind“ geschenkt. Die hat er wie ein Heiligtum behandelt.

Das ist großartig. Wir erinnern uns doch alle an unsere erste Platte. Ich glaube auch, dass es für die jüngere Generation wieder etwas Mystisches hat. Man muss eine Nadel auflegen, man kann durch Booklets blättern, es gibt A- und B-Seiten. Der Song „The Good Old Days“ auf meiner neuen Platte spielt genau darauf an. Ich erinnere mich, als ich selbst ein Kind war, da habe ich immer durch die Platten meiner älteren Geschwister geschaut und war ganz fasziniert. So habe ich Progressive Rock kennengelernt, ich war total fasziniert von dem Artwork und den Geschichten dahinter. Ich habe damals Kate Bush im Fernsehen gesehen und mir hat sich ein ganz neues Universum eröffnet. Das war nicht nur einfach jemand, der einen Song gespielt hat. Da war viel mehr damit verbunden. Es war ein ganzes Konzept. Man wurde nicht nur Fan sondern Anhänger einer Band oder eines Musikers.

Was sich in der Musik scheinbar nie zu verändern scheint ist das Thema über das gesungen wird. Ein Grossteil deiner Songs auf „Beautiful Life“ handeln von der Liebe. Ist das immer noch das universelle Thema?

Ja, ich glaube das ist es wirklich. Ich finde es schwierig, Songs zu schreiben, die sich nicht um Beziehungen drehen oder von Liebe handeln. Ich bin zudem total romantisch. Ich fange sogar bei Werbung an zu heulen. Manche Texte sind über die Beziehung mit meiner Frau. Manche Texte sind inspiriert von den Geschichten, die mir Leute erzählen. Wenn dann nach einem Konzert jemand zu mir kommt und sagt, das war das Lieblingslied meiner Frau aber sie lebt nicht mehr. Dann denke ich fuck, deine Musik bedeutet den Menschen wirklich etwas. Das sind ganz große, emotionale Momente für mich. Das ist etwas ganz Wunderbares, das Gefühl zu haben, ich schreibe einen Song, der für jemanden eine ganz tiefe Bedeutung haben kann.

Bekommst du heutzutage durch die sozialen Medien direkteres Feedback? Ich habe ein paar Kommentare gelesen, die waren so unglaublich positiv.

Absolut. Das hat mich auch motiviert nach all der langen Zeit „50“ aufzunehmen. So viele Menschen haben geschrieben, wir lieben immer noch deine Musik, wann nimmst du wieder ein Album auf? Irgendwann dachte ich dann, meine Musik interessierte die Menschen scheinbar immer noch. Man kann die sozialen Medien heutzutage als Musiker nicht mehr ignorieren. Von der Musik abgesehen, birgt sich dahinter aber auch eine grosse Gefahr. Wenn man manchmal sieht wie die Kids da miteinander umgehen. Das ist teilweise echt schrecklich. Früher wurden Unstimmigkeiten auf dem Spielplatz ausgetragen, in den sozialen Medien geht häufig jeglicher Respekt verloren. Oder Trump, der so ein Haufen Unsinn tweetet. Das sind die Schattenseiten von Social Media. Man muss zudem relativieren. Ich weiss, dass mir auf meiner Seite Fans schreiben, die sind in der Regel sehr positiv gestimmt. Wenn du dann auf die Straße gehst und fragst: kennst du Rick Astley?, sagen sie vielleicht. Kennst du den Song? Ja, schon mal gehört. Er bringt eine neue Platte raus. Ah, ok. (zuckt mit den Schultern) Weißt du was ich meine, das muss man ganz realistisch sehen. Ich habe aber das Glück, dass man mir im Großen und Ganzen generell recht positiv gegenübersteht. Selbst „Rickrollin“ hatte was Nettes, obwohl man sich ja eigentlich über „Never Gonna Give ou Up“ lustig gemacht hat.

Das liegt aber auch daran, wie lässig du mit der ganzen Sache umgegangen bist und mitgespielt hast.

Klar, was soll man denn tun? Über so was hat man eh keine Kontrolle.

Am Ende ist es doch so etwas wie ein Kompliment.

Das würde ich so nicht sagen, es war ursprünglich nicht unbedingt als Kompliment gemeint. Aber es war auch nicht bösartig. Es ist was es ist und am Ende hat es mir wieder neue Popularität gegeben. Völlig abgefahren war dann, dass eine Band wie die Foo Fighters da mitmacht und anfängt diesen Song zu singen.

Als ich das Video gesehen habe wie du mit den Foos singst war ich völlig von den Socken. Das war genial und die Version mit dem Intro von „Smells Like Teen Spirit“ einfach super.

Ja, ich liebe diese Version. Wir waren auf dem gleichen Festival, die Jungs dachten sich, wenn wir Rick sehen, dann fragen wir ihn ob er mit uns singt. Und zufällig stand ich am Bühnenrand.

Das heisst, ihr kanntet euch vorher gar nicht?



Nein, das war das allererste Mal, dass ich ihnen überhaupt begegnet bin. Das war total verrückt. Sie haben mich einfach auf die Bühne gerufen. Durch die Situation ist so viel Energie entstanden, das hätte nicht so funktioniert, wenn wir das vorher geprobt hätten. Wir haben es seitdem zwei Mal gemacht. Aber das erste Mal war unübertroffen, das kann man nicht mehr widerholen. Dave Grohl sagte zu mir: wir werden Deinen Song spielen und zwar wie „Teen Spirit“.
Oh, ist das der Moment, wo er dir auf der Bühne was ins Ohr sagt? Das sieht man im Video.

Ja, ganz genau. Und ich dachte mir nur – what the fuck, was tun wir? Ich habe ins Publikum geschaut und dachte: oh man, alles Foo Fighter Fans, die nehmen mich auseinander. Dann habe ich einfach „Come on, you motherfuckers“ geschrien.

Das ist so lustig, weil man in dem Moment einen Close Up auf den Drummer Taylor Hawkins sieht, und der lacht sich schlapp.

(lacht) Ja, genau das habe ich danach auch noch mal gesehen. Es war einfach völlig verrückt was da abging.


Du hast sogar einen Song von den Foo Fighters live gespielt.

Ja, ich spiele nebenbei noch Drums in einer Rockband mit zwei Freunden. Das hört sich jetzt an wie eine Midlife Crisis Nebenbeschäftigung. Unsere Rechtfertigung ist auch nur, dass wir auf Charity Veranstaltungen Geld für gute Zwecke sammeln. Das letzte Mal haben wir sogar Shepherds Bush Empire vor 1.500 Leuten gespielt. Unsere Songs reichen von Sex Pistols bis Foo Fighters, alles was kracht. Daher baue ich ab und zu in meine eigenen Sets einen Coversong ein. ACDC, die ich sehr liebe oder auch mal die Foo Fighters.

Deine eigentliche Leidenschaft ist aber eher der Soul, oder?

Ja, ich liebe zum Beispiel Gospel, auch wenn ich das nicht singen kann. Das berührt mich und ist die direkteste Form der Musik, ohne ein einziges Instrument. Daher kommt bei mir auch mein Hang zum Soul und es passt zu meiner Stimme. Wenn ich aber an den Drums sitze, dann möchte ich einfach nur alles raushauen. Dann wird es richtig rockig und punkig. Ich habe einen sehr vielseitigen Musikgeschmack. Ich gehe oft spazieren, dabei höre ich zum Beispiel super gerne Biffy Clyro. Deren letzte Platte ist phänomenal. Ich höre viel Musik. Ich habe ein Vorhaben, bis jetzt habe ich es noch nicht geschafft: ich möchte einen Tag lang alle Alben eines bestimmten Künstlers durchhören. Vom ersten bis zum letzen, zum Beispiel von Elton John oder den Beatles. Ich bin mittlerweile so ein Best Of Hörer geworden. Das möchte ich gerne wieder ändern und zurück finden zu einem ganzen Album. Ich habe die Keith Richards Biografie gelesen. Immer wenn er über einen Song gesprochen hat, habe ich mir den im Studio angehört. So haben sich Songs für mich ganz neue offenbart und plötzlich wurde das Buch so lebendig.

Das ist witzig, ich habe bei dem Buch genau das gleiche gemacht.

Echt? Ist das nicht erstaunlich, was man dabei entdeckt? Wenn er erzählt, dass er bei einigen der alten Songs keine elektrische Gitarre benutzt, obwohl das jeder denkt. Ich dachte, ach quatsch, das stimmt doch nicht. Dann habe ich den Song gehört und war völlig aus dem Häuschen als ich verstanden habe, wie der Song aufgenommen wurde. Wir müssen die Romantik der Musik wieder zurückbringen. Sich ein Album Cover anschauen, lesen wie und wo die Platte aufgenommen wurde, sich die Lyrics genau anschauen. All das macht die Musik doch ein bisschen bedeutsamer. Für mich wird sie nie an Wert verlieren. Egal ob physisch oder digital.


Das ist ein wunderbares Schlusswort. Lass uns uns vornehmen, dass wir Musik wieder anders hören, entdecken und wertschätzen! Vielen Dank, Rick.

Interview: Kate Rock
Fotos: Rankin

www.rickastley.co.uk