Teen Angst und Superkräfte: Die neue Netflix Serie „I Am Not Okay With This“

Das Erwachsenwerden selbst bringt bereits genug Probleme mit sich. Da kann es wirklich keiner gebrauchen plötzlich zu merken, dass man wohl oder übel über Nacht unkontrollierbare Superkräfte entwickelt hat. Doch genau das passiert der 17-jährigen Sydney in der neuen Netflix Original Serie „I Am Not Okay With This“ nach der gleichnamigen Graphic Novel von Charles Forsman.

Das Konzept der Serie mag vielleicht zuerst nicht so wirken, als wäre es etwas Neues. Ähnlich wie schon in „Stranger Things“, eben so eine Netflix Original Serie, geht es um eine Gruppe ländlich lebender Jugendlicher, deren Leben von einem Mädchen mit Superkräften durcheinander geworfen werden. Doch beim Anschauen wird schnell klar, dass sich die beiden Serien nicht mehr voneinander unterscheiden könnten, und zwar auf die beste Art und Weise. Die Macher von „I Am Not Okay With This“, Jonathan Entwistle und Christy Hall, schaffen es innerhalb der sieben 20-Minütigen Folgen, dass der Zuschauer sich mit den Charakteren identifizieren kann. 

Die Hauptfigur, Sydney (Sophia Lillis), ist nämlich ein ganz normales Mädchen, das ihre Adoleszenz durchlebt. Mit allem was eben so dazu gehört. Ihre Mutter versteht sie ebenso wenig, wie diese sie versteht, ihre beste Freundin Dina vernachlässigt sie für den beliebtesten Footballspieler der High School, und da kommt plötzlich auch noch ein komplett verrückter Junge in ihr eigenes Leben. Als wäre das nicht schon genug, kommen zu dem Batzen an Problemen dann auch noch die unerklärlichen Superkräfte hinzu und… Syd zweifelt daran, ob sie überhaupt Jungs auf die Art und Weise mag, wie es scheinbar alle anderen Mädchen in ihrem Alter tun. 

Noch nicht überzeugt davon, dass ein Mädchen mit Superkräften „relatable“ sein kann? Das ändert sich ziemlich rasch, wenn man ein bisschen mehr über Syds Superkräfte nachdenkt. Denn auch wenn Sydney, wie wohl die wenigsten von uns mit Superkräften, welche sie noch nicht recht bedienen kann, zu kämpfen hat, stehen sie wohl auch noch für etwas ganz anderes. Jeder kennt es: Gefühle, die so intensiv sind, dass man denkt, man könne Bäume entwurzeln. Doch anders als bei uns ist das für Sydney nicht nur ein Sprichwort, sondern ihre Realität. Denn wenn Sydney von ihren Gedanken und Gefühlen eingeholt wird, kommt es einfach so aus ihr heraus. Dann kann es schon mal dazu kommen, dass sie versehentlich den halben Wald mit ihren Kräften von seinen Bäumen befreit.

Vor allem im Teenageralter kommt es oft dazu, dass alles plötzlich zu viel wird und man die Kontrolle verliert. Die Ausbrüche Sydneys unberechenbarer Superkräfter sind die ideale Metapher für dieses Gefühl, was oft als „Teen Angst“ beschrieben wird. Diese „Teen Angst“ verstärkt sich ebenfalls dadurch, dass Sydney Teil einer Gesellschaft ist, in der jeder etwas Besonderes und Außergewöhnliches sein möchte. Sie hingegen wünscht sich nichts mehr, als einfach „normal“ sein zu können. Diesen Kampf der Individualität verkörpert besonders Stanley Barber (Wyatt Oleff), der Junge, der in ihrer Straße wohnt und sich ziemlich schnell und trotzdem unerwartet als potenzielles „Love Interest“ für Syd äußert. Er tut alles dafür, sich von seinen Mitmenschen zu unterscheiden, und auch wenn die beiden Teenager in diesem Punkt unterschiedlicher nicht sein könnten, ist er derjenige, der Syd dabei helfen möchte, den Ursprung und somit im gleichen Zuge auch den Grund für ihre Ausbrüche zu finden. Außerdem ist er ebenfalls der Charakter, der das Thema „Panikattacken“ erwähnt, welches einen großen Bestandteil der „Teen Angst“ darstellt.

Panikattacken, Angst und Depressionen sind immer noch in vielen Kreisen ein Tabuthema. Dabei leiden in Deutschland mehr als 15 % der Bevölkerung unter Angststörungen. Bei jungen Leuten mag diese Zahl sogar noch höher sein. Genau deswegen ist es so wichtig diese Tabus zu brechen. Dies tut man am besten, wenn man darüber redet und Menschen mit Angststörung in Mainstream Medien zeigt; selbst wenn sie als Superkräfte verkleidet sind, oder vielleicht auch gerade dann.

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