Um 11 Uhr ist es so weit. Eine kleine Gruppe an Pressevertretern darf am 28. Drehtag des 2013 erscheinenden Films „Frau Ella“ Mäuschen spielen. In dem Werk wird es um den 30-jährigen Sascha (Matthias Schweighöfer, „Russendisko“) gehen, der aufgrund eines Autounfalls ins Krankenhaus muss. Dort wird er in ein Zimmer mit der äußerst gesprächigen Ella (Ruth Maria Kubitschek, „Insel des Lichts“) gesteckt, von der er zunächst einfach nur genervt ist. Was ihn aber noch mehr als ihr Geplapper stört, ist der Umstand, dass die 87-jährige zu einer unnötigen Operation überredet werden soll. Also flieht er kurzerhand mit Ella aus dem Krankenhaus zu sich und seinem WG-Kumpel Klaus (August Diehl, „Salt“) nach Hause und dann sogar weiter nach Frankreich. Denn dort wollen sich die Drei nun auf die Suche nach Ellas verschollener Jugendliebe machen.
Den Regiestuhl besetzt Markus Goller, der bereits 2010 mit Matthias Schweighöfer für die Komödie „Friendship!“ zusammengearbeitet hat. Den Voraussetzungen zufolge steht der Film unter einem guten Stern. Und die Sonne scheint auch.
Die sechste Etage des Benjamin Franklin Krankenhauses ist für die Dreharbeiten geschlossen worden. Hier riecht es nicht nach Kranken und der Flur ist still. Matthias Schweighöfer und Ruth Maria Kubitschek drehen gerade. Denn Sascha schmeckt das Essen nicht. Es sieht auch nicht appetitlich aus. Aber noch viel verstörender ist all der Rauch in der Luft. Ein Kameramann erklärt, dass es dabei um das Erzeugen von Raumtiefe und Glanz geht. Die Fotos werden eher schwammiger. Das Setting umso surrealer. Auf die Frage hin, ob man sich nicht direkt ein bisschen kränklich an solch einem Ort fühlt, meint Schweighöfer:
„Es ist natürlich nicht schön, in einem Krankenhaus zu sein. Der Helikopter steigt sehr oft auf, da weiß man gleich was los ist. Man unterschätzt die eigene Gesundheit viel zu oft, die eigentlich so wichtig ist. Ich hatte letztes Jahr eine Blinddarm-OP und das war nicht so toll. Aber ich habe einen Freund, der Arzt ist und er sagt immer, dass man auch bedenken soll, wie viele Leben hier gerettet werden.“
Über seinem rechten Auge ist eine Stelle großzügig abgeklebt, sodass man im Gespräch unweigerlich dort hin starrt. Stören würde ihn der Verband nicht. Aber wie sieht es denn mit der Kleidung aus? Stört der Schlabberlook?
„Ich finde es eigentlich ganz lässig. Ich frage mich wie das wäre, wenn man zu Hause so rumhängen würde. Ob man dann irgendwann wirklich ein bisschen verkommt. Ich laufe nie so schluffig rum. Für mich ist es in einer Beziehung das Schlimmste, wenn man Jogging-Sachen anzieht. Man möchte doch für den Anderen hübsch sein. Aber auf diese Weise verliert man den Respekt voreinander und ehe man sich versieht, trägt man ewig die gleiche Hose und benutzt drei Wochen lang ein und dasselbe Handtuch.“
Entspannter zeigt sich der 31-jährige da schon eher in Bezug auf die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Markus Goller.
„Der soll mal machen! Wir haben auch den gleichen Kameramann wie bei „Friendship!“. Ich mag es gern, den gleichen Rhythmus zu haben und nicht ständig Neues austesten zu müssen. Es macht mehr Spaß, wenn man weiß, was man hat.“
Zu dem bekannten Team gesellt sich auch ein besonders wichtiger Neuzugang. Ruth Maria Kubitschek spielt Ella. Sie ist die Quasselstrippe, neben der Sascha aufgrund unglücklicher Zustände platziert wird und mit der ihn bald eine enge Freundschaft verbinden soll. Das klingt ein bisschen nach „Ziemlich beste Freunde“. Schweighöfer sagt, dass es viel Fingerspitzengefühl bedarf, um eine 81-jährige so zu inszenieren, dass man nur denken kann: „Das ist ja ein richtig cooles Mädchen.“
„Ich finde die Geschichte so interessant, weil man selber – außer mit Oma und Opa – nicht viel Kontakt zu älteren Leuten hat. Aber wenn es dann mal der Fall ist, hört man gleich ganz anders zu. Ruth Maria Kubitschek ist mit mir immer so herrlich jung. Ich finde es ist der Wahnsinn, dass sie 81 Jahre alt ist. An manchen Tagen bin ich viel müder als sie und ich bin 50 Jahre jünger! Sie ist immer sehr aufgeschlossen, fragt viel, hört zu, ist bescheiden und einfach eine tolle Kollegin.“
Von der älteren Generation könne man noch viel lernen, erklärt er. Schließlich lassen sie alles immer ganz langsam und entspannt angehen. Er selbst versucht dagegen im Moment so viele unterschiedliche Dinge wie möglich unter einen Hut zu kriegen.
„Im Juni hatten wir Drehschluss vom „Schlussmacher“. Aber direkt im Anschluss ging die Arbeit im Schneideraum weiter. Danach haben wir das Drehbuch von „Frau Ella“ weitergeschrieben und jetzt beschäftige ich mich mit beidem. Alle sind genervt von mir, weil ich entweder am Telefon hänge oder spiele. Wenn man zwischendrin mit mir reden möchte, denkt man nur: der Junge ist geistesgestört.“
Er sitzt mit verknoteten Beinen auf dem Krankenbett und grinst bis über beide Ohren. Entspannung scheint für ihn ein Fremdwort zu sein.
„Wenn ich ein bisschen runterkommen möchte, spiele ich abends noch eine Stunde „Assassin’s Creed 3“ auf der PlayStation. Wie früher! Und ich habe jetzt auch einen Kamin. Ein, zwei Stückchen Holz im Ofen – mehr brauche ich nicht. Außerdem war ich im Urlaub. Am wunderschönen Gardasee. Und wenn die ganze Kampagne zu „Schlussmacher“ und die „Kokowääh 2“-Premiere geschafft ist, bin ich nochmal für zwei Monate weg und für niemanden erreichbar.“
Doch bis es soweit ist, wird zunächst in den kommenden zwei Wochen weiter an „Frau Ella“ gearbeitet. Den Dreh in Frankreich hat man bereits hinter sich gebracht, um noch gutes Wetter abpassen zu können. Schweighöfer konnte auch hierbei seine Füße nicht still halten. So produziert er den Film über seine Produktionsfirma Pantaleon und beteiligte sich zudem am Schreiben des Drehbuches. Lastet da nicht ein immens großer Druck auf einem?
„Beim Drehbuch fühle ich Druck. Aber in der Produktion habe ich eine großartige Mannschaft um mich, weshalb ich echt entspannt bin. Ich weiß, dass hinter den Kulissen alles gut läuft. Aber es ist schon krass zu wissen, dass es die eigene Firma ist. Jeder kommt zu mir und sagt „Morgen Chef“. Es ist ein schöner Zustand Filme selber produzieren zu können.“
Er nickt und steht zufrieden auf. Die Zeit ist um und die Adidas-Badelatschen werden gegen robuste Turnschuhe eingetauscht. Denn als Nächstes soll eine Szene vor dem Krankenhaus gedreht werden, so lange es noch hell ist. Für den Nachmittag ist ja schließlich Regen angekündigt worden. Ein paar Mitarbeiter freuen sich, denn sie glauben dem Feierabend schon ganz nah zu sein. Matthias Schweighöfer dagegen denkt gar nicht ans Abschalten. Denn ist auch der heutige Drehtag abgehakt, so drängt sich doch mit „Schlussmacher“ sein anderes Projekt in den Vordergrund und wünscht sich die volle Aufmerksamkeit. Aber Weihnachten, darauf hofft er, ist wenigstens für ein paar Tage damit Schluss. Schließlich gebe es ja noch Silvester zum Arbeiten.
Fotos und Artikel: Hella Wittenberg