Brian Molko und Stefan Olsdal sind nicht für euer Entertainment da. Auch wenn man Placebo das letzte Mal 2016 auf ausgedehnter Tour live in Deutschland erleben konnte und ihre letzte Platte „Loud Like Love“ bereits neun Jahre alt ist, kommen sie jetzt nicht mit Übereifer um die Ecke – weder auf dem frisch veröffentlichten Album „Never Let Me Go“, noch zur Release-Show auf der Bühne des Berliner Metropols. Die Band, die sich mittlerweile als Duo statt als Trio präsentiert, wählt das Understatement. Interviews geben Molko und Olsdal immer seltener; On Stage verzichteten sie nun gänzlich auf Ansagen. Keine Begrüßung und nach 17 Songs – mit „Running Up That Hill“ als Finale – kein Satz des Abschieds der beiden.
Doch Placebo sind keineswegs eine um Worte verlegene Gruppe. Sie wählen ihre Statements nur mit viel Bedacht aus. Sie sind komplett on point. In ihren Ansagen. In ihren Lyrics. In ihrem Durchziehen der gefühlten Zurückgenommenheit. Aber auch in der Tightness des Live-Sets. Und dafür muss man sie einfach lieben. Denn Placebo wird man niemals gefällig erleben. Und auch für ein reines Fan-Pleasing hat das Duo zu großen Respekt vor der eigenen Kunst.
So wunderte es kaum, dass Molko zu Beginn tatsächlich mit dem Album-Opener „Forever Chemicals“ ansetzte und auch im weiteren Verlauf des Konzertabends meist auf das Repertoire des neuen, achten Werkes zurückgriff. In der Vergangenheit ließ sich der Sänger, Gitarrist und Songschreiber häufiger zu negativen Aussagen über ältere Stücke hinreißen. Ein „Pure Morning“ wird man wohl so schnell nicht mehr von Brian Molko zu hören bekommen. Und auch bei diesem Quasi-Comeback-Gig in der Hauptstadt drückte sich der Trupp gerade mal „Protect Me From What I Want“ vom 2003er „Sleeping with Ghosts“ heraus. Doch die Live-Umsetzung machte die neue Dringlichkeit des Liedes umso mehr spürbar.
Unter reduzierter Beleuchtung prangerte die in London gegründete Band die Krankheit unserer Zeit an. Druckvoll und gleichzeitig klar beschwor Molko „and now we’re all alone“. Der Track bestand mühelos neben den 2022er Songs, die sich ebenfalls in großen Teilen von einer Unzufriedenheit im Privaten wie mit den gesellschaftlichen Gegebenheiten auseinandersetzen. Und wenn im vorderen Part der Show von Molko in „Hugz“ angemerkt wurde, dass er sich selbst nicht sehen möchte, dann passte – ob nun gewollt oder nicht – sein Auftritt mit getönter Brille und aufgrund des Schnauzers kaum erkennbarer Mimik perfekt dazu.
Das Publikum feierte Placebo für seine musikalische Direktheit an diesem Freitagabend bedingungslos. Bei der aktuellen Single „Happy Birthday in the Sky“ wurde genauso mitgesungen wie bei der „Loud Like Love“-Auskopplung „Too Many Friends“. Aber auch ein aus vielen moody Momenten bestehender Song wie „Fix Yourself“ ließ keine Ruhe in die tanzwütige Masse kommen. Hände wurden in die Höhen des wirklich enorm prunkvoll wirkenden Westberliner Metropols gereckt, Pärchen umschlungen sich euphorisch und spätestens beim Kate-Bush-Cover schlossen so einige beim inbrünstigen Mitsingen ihre Augen.
Und natürlich hatten Molko und Olsdal trotz inhaltlicher Frustriertheit beziehungsweise Reserviertheit auch richtig Bock auf die Show. Keine Frage. Immer wieder spielten sie sich oder ihre mitgebrachte Band fordernd an, gingen in ihren Röhrenhosen so weit es ging in die Knie, um gleich im Anschluss wieder die Arme nach oben zu werfen und zum Mitklatschen zu animieren. Die Wiedersehensfreude war auf jeden Fall beidseitig. Und genau das macht die Band ja so aus. Sie machen nichts, nur um irgendwen bei der Stange zu halten. Sie spielen, worauf sie gerade Lust haben. Lassen die LED-Leuchten an der richtigen Stelle auch mal in den Farben der Ukraine-Flagge erstrahlen und verdeutlichen so – ihnen ist das hier wichtig. Sie wollen das nur auf ihre eigene Art und Weise zeigen.
Foto © Mads Perch