„Ambulance“ von Michael Bay: Eine solide Action-Nummer

Was macht eigentlich einen guten Actionfilm aus? Googelt man den Begriff Actionfilm, so findet man bei der Beschreibung folgende Merkmale: 

Verbrecherische Situationen jeder Art, die auf unterschiedliche Weise aufgeklärt oder gelöst werden +++ agierende Charaktere geraten häufig mehr oder weniger zufällig in diese Situationen +++ Filmstory überwiegend einfach aufgebaut +++ Hauptteil des Films besteht aus Actionszenen wie Verfolgungsjagden, Schießereien, Explosionen +++ schnelle Filmschnitte und dramatische Soundtracks

Wenn wir uns den neuen Streifen “Ambulance” von Michael Bay anschauen, dann erfüllt dieser alle Kriterien eines guten Actionfilms. Beginnen wir mit dem Offensichtlichen: Die Filmhandlung ist sehr simpel gestrickt! Will Sharp (Yahya Abdul-Mateen II) hat Geldsorgen. Er kann eine lebensrettende Operation für seine schwerkranke Frau nicht bezahlen. Für die nötige finanzielle Unterstützung fragt er seinen Adoptivbruder Danny (Jake Gyllenhaal). Doch anstatt zu helfen, überredet dieser Will zu einem Bankraub. Der Coup würde 32 Millionen Dollar einbringen. Und Will wäre damit all seine Sorgen los. Zunächst scheint der Plan auch aufzugehen, doch dann kommt Polizist Zach (Jackson White) in die Quere und nichts läuft wie es geplant war. Es entwickelt sich eine rasante Verfolgungsjagd in einem Krankenwagen. Und wäre das nicht schon genug, versucht im Krankenwagen selbst auch noch Sanitäterin Cam (Eiza González) dem von Will angeschossenen Polizisten das Leben zu retten.

Nach einer kleinen Einführung der Figuren und dem anschließenden Banküberfall von Will und Danny, spielt sich der Film überwiegend auf den Straßen von L.A. sowie im Inneren eines Krankenwagens ab. Es knallt. Es fallen Schüsse. Autos fliegen durch die Luft. Blut wird vergossen – an manchen Stellen übrigens zu viel. 

Besonders auffällig in “Ambulance” ist die Kamera. Gefühlt gibt es für das Auge kaum bis keine Erholungsphasen. Die ruhelos umherwirbelnde Kamera schwebt frei über den Straßen von L.A. und an Häuserfassaden hoch und runter, bis sie schließlich das eigentliche Geschehen einfängt. Im Krankenwagen hingegen versucht sie sehr nah an den Protagonist*innen zu sein – ihre Emotionen einzufangen und auszudrücken. Sie wirkt ruhiger. Beide Kameras stehen im unmittelbaren Kontrast zueinander. Und dennoch wird dem Publikum keine Möglichkeit des Luftholens gegeben. Neben der bemerkenswerten Kameraführung trägt auch der Filmschnitt dazu bei, dass “Ambulance” eine solide Action-Nummer auf der Kinoleinwand wird. 

Während der Einführung der Charaktere haben wir zumeist noch eine relativ ruhige Überleitung von einer Szene zur nächsten – so wie wir es bei Filmen im Normalfall gewohnt sind. Doch spätestens mit dem Bankraub ändert sich dies. Die Schnitte werden schneller, die Einstellungen kürzer. Die Ereignisse überschlagen sich. Die Spannung, die zuvor aufgebaut wurde, wird jetzt gehalten. Die Handlung versucht auf ihren großen Showdown hinzuarbeiten. Mit Bravour! Die zwei Stunden Filmlänge vergehen wie im Flug und am Ende erwartet uns der große Knall. Und auch wenn man glaubt, die Handlung sei hervorsehbar, kommt am Ende doch alles anderes. Michael Bay ist es gelungen bis zum Schluss den Ausgang der Geschichte nicht zu verraten.

Auf tiefgründige Dialoge sollte man bei “Ambulance” allerdings nicht setzen. Sie gibt es schlichtweg nicht. Hier und da versucht ein gutplatzierter Gag die Stimmung zu lockern. Wir finden einen sehr aufgelöst und verbal wütenden Danny und ein angespannten Will, der den Krankenwagen fährt. Beide gehen sich auch mal an die Gurgel. Aber Tiefgründigkeit gibt es nicht. Muss es auch nicht. Die Figuren sind relativ oberflächlich gezeichnet. Über Danny wissen wir fast gar nichts und über Will nur seinen Antrieb, bei dem Coup mitzumachen. Die Action steht hier auch im Vordergrund. Und so kann und sollte die schauspielerische Darbietung nicht detaillierter besprochen werden. Nur so viel: Die Figur der Sanitäterin, die als Geisel genommen wird und versucht eine Schusswunde in einem zu schnell fahrenden Krankenwagen zu versorgen, hat den Film gerockt. Sehr starkes Frauenbild und hervorragende Leistung der Hauptdarstellerin!

Fazit: “Ambulance” ist ein solider und gut gemachter Actionstreifen. Der aber auch seine Makel besitzt. An der ein oder anderen Stelle zwickt er nämlich etwas: Einige Figuren wie der FBI-Mensch oder der Boss-Cop werden etwas lieblos eingeführt. Hier hätte man sich eine schönere Lösung gewünscht. Auch hätte man die Handlung gut in 90 Minuten statt der etwa 130 Minuten erzählen können. Ebenso zwickt es bei der Kameraführung: Es scheint als hätte man alle Perspektiven und Fahrten, die es beim Filmemachen gibt, genommen und in „Ambulance“ gepackt. Nicht falsch verstehen: Die Kamera ist top, hätte aber auch etwas reduzierter agieren können.

Im Großen und Ganzen ist „Ambulance“ aber ein rasanter und spannungsgeladener Film, den Actionfans nicht verpassen sollten.

Foto © Universal Pictures