Ach wie schön sind die Songs, die die Fangemeinden spalten. Denn das bedeutet Polarisierung. Und Polarisierung bedeutet eine Auseinandersetzung mit etwas. Heutzutage ist doch nichts schlimmer, als in der Belanglosigkeit unterzutauchen. Das gilt auch ganz besonders für Musik, die sich in Zeiten von endloser Verfügbarkeit durchsetzen muss. Kaum ist der neue Pearl Jam Song „Dance of the Clairvoyants“ veröffentlicht, spalten sich die Meinungen der Fans. Die, die „same old same old“ Pearl Jam Rock Riffs erwarten sind bitter enttäuscht. Der Song fängt fast an wie eine Dance Nummer und könnte eine getunte Version aus dem neuen Tame Impala Album sein. Sobald Eddie Vedder die Stimme erhebt, ist diese kaum wieder zu erkennen. Ein bisschen Staccato-artig, fast anklagend singt er die ersten Worte. Irgendwie hat man ihn dabei mit geballter Faust vor seinem inneren Auge. Doch diese Verwirrung wird direkt wieder im Chorus abgefangen, wenn er mit plötzlich wieder unverkennbarer Stimme singt, dass mit der Geburt auch schon der Tod anfängt.
Dieser Song ist wirklich überraschend, überraschend anders, überraschend gut. Das wird von vielen Pearl Jam Fans honoriert, die bereit sind, sich auf etwas Neues einzulassen. Dass man sich zeitweise sogar an Talking Heads erinnert fühlt -sowohl stimmlich als auch von den funky Gitarren-Riffs- ist allerdings doch erstaunlich. Dieser Spagat scheint aber offensichtlich zu gelingen. Der fast tanzbare Groove und das Tempo stehen Pearl Jam ganz gut.
So passt auch das Statement von Bassist Jeff Ament perfekt zur eigenen Wahrnehmung des den neuen Sogs, der „Dance of the Clairvoyants“ als „a perfect storm of experimentation and real collaboration“ beschreibt. „We’ve opened some new doors creatively and that’s exciting.“
Das macht das Warten auf das neue Album „Gigaton“ nach geschlagenen sieben Jahren natürlich umso spannender. Wird das ganze Album ein Experiment sein oder werden sich die vertrauten Rock-Töne wiederfinden? Immerhin gehören Pearl Jam zu den wenigen Überlebenden des Seattle Grunge. Viele Fans möchten, dass die Band an dieser Legacy festhält. Vielleicht muss man aber auch das Vertraute loslassen und durch neue Türen gehen, um sich überraschen zu lassen.
Wir alle sind keine Clairvoyants, also müssen wir uns noch bis zum 27. März gedulden, wenn das neue Album erscheint.
Im Sommer kommen Pearl Jam für zwei Termine nach Deutschland, die Termine findet ihr hier.
Foto © Danny Clinch