Philipp Poisels zweites Album ist ganz wunderbar gelungen und erscheint am 27. August 2010. Wir haben mit ihm darüber gesprochen.
Wie fühlt sich das an, das zweite Album, wo man doch so oft hört, dass gerade das am schwierigsten sein soll?
In erster Linie bin ich mal froh, dass es fertig ist. Ein stück weit Druck ist von mir abgefallen und ich freu mich, dass wir jetzt wieder eine Tour dazu machen und es ein Video gibt. Aber ich bin ja immer noch ziemlich beschäftigt, denn ich kann es nicht lassen in allen Bereichen mitzumischen und Hand anzulegen, ob es das Artwork ist oder das Video.
Druck, der von außen kam?
Da redet mir eigentlich keiner rein. Ich hab auch den Termin selbst festgelegt. Man hat den Druck ab dem Moment wo man sich entscheidet, ein zweites Album zu machen. Ab da ist man ständig damit beschäftigt.
Was war diesmal anders bei den Aufnahmen zu „Bis nach Toulouse“?
Als ich die erste Platte aufgenommen habe, da gab es eigentlich noch gar keine richtige Band. Da haben wir Studiomusiker, die wir aus der Stuttgarter Szene kannten, dazu geholt. Diesmal hatte die Band schon mehr Einfluss auf die Raws und die einzelnen Parts. Was jetzt anders war: Ich konnte auch mal mit einer Idee ins Studio kommen und daraus entwickelte sich dann etwas. Auch eine Idee, die am Anfang noch gar nicht so stark oder wertvoll erschien, aber dann im Arrangement so gut geklungen hat, dass ich dann gesagt hab: Ey, da müssen wir was draus machen!
Die Stimmung auf dem Album ist ja wieder sehr gefühlvoll, ein bisschen melancholisch und vor allem ernsthaft. Da überrascht es doch, dass der Song „Froh dabei zu sein“, der das Thema Angst vor dem Tod beinhaltet, musikalisch am leichtesten daher kommt.
Das ist natürlich keine unmittelbare, sondern eine reflektierte Aussage, die man auch erst mit etwas Abstand treffen kann. Aber Dankbarkeit ist schon auch ein Grundgefühl von mir. Ich merk auch in Momenten, in denen ich verzweifelt bin, dass ich dann nicht wütend oder frustriert bin, sondern, dass da schon immer noch so eine Dankbarkeit da ist. Natürlich frage ich mich, warum passieren bestimmte Sachen und wozu sind wir eigentlich hier. Aber ich lass mir meine Laune dadurch nicht vermiesen! Ich bin halt froh, hier dabei zu sein. Dabei strahlt der Song natürlich keine helle Freude aus, sondern eher eine leise Dankbarkeit.
Du verstehst es halt, auch ernste Themen anzupacken…
Ich wünsche mir da einen natürlicheren Umgang, auch mit dem Thema Tod.
Das große Thema bei dir von Anfang an: die Liebe. Erfüllt oder unerfüllt, einfach oder dramatisch. Es wünscht sich doch jede Frau einen Mann, der seine Gefühle so gut zum Ausdruck bringen kann. Kannst du das nur durch die Musik oder auch im direkten Gespräch?
Musik ist für mich so ein Feld, wo ich aussprechen kann was ich fühle, wenn es im echten Leben schwieriger wird. Bei Wie kann ein Mensch das ertragen geht es zum Beispiel darum, dass man jemanden mehr mag als nur freundschaftlich. Und weil es offiziell so ist, traut man sich nicht etwas zu sagen, weil man Angst hat, der andere entfernt sich dann. Da ist die Musik auf jeden Fall ein Weg für mich, so etwas zuzulassen. Womit ich eigentlich recht wenig Probleme habe, ist, mal Schwäche zu zeigen oder auch zu sagen, wie es mir geht. Ich mach da in meinem Leben keinen Hehl draus.
Da musst du doch viele Briefe von weiblichen Fans bekommen, oder?!
Das beruht natürlich alles auf der Seite, die ich von mir zeige und die man von mir kennt ,und deshalb gibt mir das eigentlich nicht besonders viel. Natürlich schmeichelt es mir und ich freue mich über Komplimente, aber es ist natürlich eine sehr einseitige Betrachtung. Dessen bin ich mir auch bewusst. Was mir wirklich etwas bedeutet, findet dann im zwischenmenschlichen Miteinander im Alltag statt, wie bei jedem anderen Menschen auch. Ich habe schon bemerkt, dass so ein Feedback einen beeinflussen kann, ob man es will oder nicht. Mit Sicherheit will man gefallen, aber im Endeffekt will man ja nur einer Bestimmten gefallen.
Du bist der Meinung zu viele Einflüsse von außen, lenken oft von dem ab, was man eigentlich machen möchte…
Das gilt eigentlich für sämtliche Sachen. Man ist doch dann am natürlichsten, wenn man sich am wenigsten Gedanken über etwas macht. Ich erlebe natürlich auch selbst, dass ich von Sachen begeistert bin und mir denke: So was will ich auch gern mal machen. Aber dann merke, dass ich ab diesem Moment anfange irgendetwas zu kopieren. Es macht überhaupt keinen Sinn etwas anderes zu versuchen, als aus einem selbst heraus kommt. Allein schon meine Entscheidung in Stuttgart zu leben rührt auch daher. In einer Stadt wie Berlin wäre ich sicher zu sehr abgelenkt, auf jeden Fall in der Phase in der ich Musik mache.
Aber in welcher Stadt könntest du dich als Weltenbummler noch wohl fühlen?
Also London ist definitiv immer noch so eine Stadt. Oder in Skandinavien, zum Beispiel in Stockholm, könnte ich mir vorstellen zu leben. Das wäre ziemlich großartig. Es gibt aber auch Tage, da würde ich gern im Süden irgendwo am Strand sein. Ich habe gerade neulich meine ersten Surfversuche gemacht. Dabei merke ich aber auch immer, dass ich eigentlich nie wirklich lange irgendwo bleiben kann. Dafür ist Stuttgart eigentlich ganz ok. Dort habe ich meine vier Wände und kann von da aus ausschwärmen.
Reizt dich Berlin denn gar nicht?
Wenn ich jetzt einen Job hätte, bei dem ich nur in Stuttgart wäre, dann würde ich wahrscheinlich auch eine Krise kriegen. Aber dadurch, dass ich sowieso viel unterwegs und oft auch in Berlin bin und viele Leute treffen kann, habe ich überhaupt kein Bedürfnis hierher zu ziehen. Ich will das nicht ausschließen, aber ich glaube, dass ich in Stuttgart besser arbeiten kann.
Als Straßenmusiker, so wie früher, warst du ja nun länger nicht mehr unterwegs. Hast du da nicht mal wieder Lust drauf?
Auf jeden Fall! Es ist so, dass ich so frei bin wie nie zuvor in dem was ich mache. Andererseits trage ich inzwischen eine große Verantwortung. Wenn ich früher nicht ins Studio gegangen bin, habe ich schließlich nur mir selbst geschadet. Heute kann ich meinen Wochenplan nicht mehr über den Haufen schmeißen und einfach los ziehen. Und auch die Momente, in denen nicht so viel los war und ich hätte losfahren können, gab es in den letzten zwei Jahren sehr wenig. Ich hab aber schon vor, dass sich das wieder ändert.
Zurück zum Album. Welcher ist denn eigentlich dein persönlicher Lieblingssong?
Ich werde manchmal selber zum Zuhörer und da geht es mir dann wie jedem anderen, der die Platte hört, auch. Nämlich, dass ich in dem Moment dafür offen sein muss und dann erreicht mich ein Song viel mehr bzw. habe ich ja auch meine eigenen Erinnerungen zu diesem Song. Liebe meines Lebens ist einer, den ich erst gar nicht drauf haben wollte. Mit Abstand betrachtet dachte ich, dass man ja gar nicht wissen kann, was da alles noch so kommt. Ich hab dann erst später den Song selbst besser verstehen können, komischerweise. Es geht nicht unbedingt um eine reell gelebte Beziehung, sondern um eine Liebe, die mir inne wohnt und die mich noch sehr lange und vielleicht sogar bis zum Ende meines Lebens beschäftigen wird. Aber in dem Moment war mein tatsächliches Gefühl so: Da geht jetzt nichts mehr drüber! Und warum soll man so einem Moment nicht diese Ewigkeit verleihen?
Vielen Dank Philipp Poisel für dieses tolle Gespräch!
Interview: Katja Mentzel