Interview mit Thomas Dybdahl

Am letzten Tag des Hamburger Reeperbahn Festival spielte Thomas Dybdahl in den Fliegenden Bauten. In dem großen Zirkuszelt zeigte der Norweger seine Qualitäten als Gitarrenvirtuose, die gepaart mit einer gehörigen Portion Soul in der Stimme zu einem der schönsten Abende des Reeperbahn Festivals mutierte.
Auch auf seinem neusten Werk „What’s Left Is Forever“ bringt er diese Mischung auf den Tisch. Mit einer kleinen Veränderung: hat er früher sehr viel selber gemacht, gab er diesmal ein wenig Arbeit ab. Als Produzent wirkte Larry Klein mit, fünffacher Grammy-Gewinner, der schon mit Joni Mitchell, Herbie Hancock, Till Brönner und anderen gearbeitet hat. Ein weiterer Grammy-Gewinner, Tchad Blake, sorgte für das i-Tüpfelchen.

Das Ergebnis ist ein wohlig warmes Album, das geradezu mühelos daher kommt. Wieso das so ist und wie die Arbeit mit Blake und Klein war und was das alles mit dem Thema Midlife-Crisis zu tun hat, erfahrt ihr in unserem Interview.

Ich liebe das neue Album. Für mich erzeugt so einem warmen Gefühl. Soll das so sein?

Ich wollte nicht zu gefühlvoll sein, aber ich wollte, dass es ein warmes Erlebnis wird. Die Songs und die Produktion sollten warm und angenehm sein. Ich denke, es ist ein sehr direktes Album in der Art wie es produziert und die Songs geschrieben wurden. Sie sind ziemlich einfach und der Rahmen ist auch sehr einfach. Es ist das erste Mal seit sehr langer Zeit, dass ich so geschrieben habe. Ich habe mir all die Leute angehört, die gute Popsongs geschrieben haben, lange bevor ich angefangen habe, Songs für dieses Album zu schreiben. Ich konnte so in diesen Modus kommen.

Hat es funktioniert?

Ich denke ja. Nach kurzer Zeit habe ich angefangen Songs zu schreiben und am Anfang fühlte es sich nicht richtig an. Dann bin ich mehr in die Musik eingetaucht, hörte ihr mehr zu und nach einer Weile war ich dann in der Zone, in der alles was man schreibt miteinander verbunden ist. Aber es brauchte seine Zeit, weil ich das schon so lange nicht mehr gemacht habe. Das Vorgängeralbum, „Waiting For That One Clear Moment“, war weniger strukturiert. Es war ein Mix zwischen Filmmusik und Songs. Es war schwer wieder zu dem Punkt zu gehen, an dem ich nur Songs schreibe, aber es war großartig. Ich wollte das machen. Ich war begierig darauf, auf diese Weise zu schreiben. Und ich auf diese Weise mit einem Produzenten zu arbeiten, ich habe das zuvor nicht so gemacht.

Was hat es geändert? Du hast ja im Prinzip deinen ganzen Arbeitsprozess geändert.

Das Schreiben an sich nicht so sehr, aber die Art einen Song für die Aufnahmen auszusuchen und wie man sie dann aufnimmt. Vielleicht hatte ich einen besseren Song, der aber nicht gepasst hätte oder ich fühlte es nicht. Manchmal haben wir also einen weniger guten Song anstatt eines guten ausgewählt, weil er besser passte – das war merkwürdig. Der Produzent, Larry Klein, ist noch von der alten Schule und hat so viel Zeug gemacht.

Ich habe über ihn gelesen. Mit so jemanden zu arbeiten, der so viele richtig gute Sachen gemacht hat – ich wüsste nicht, ob ich am ersten Tag vernünftig arbeiten könnte, weil ich so viel Respekt vor ihm hätte.

Wir haben viel gearbeitet bevor wir in Studio gegangen sind. Ich bin zusammen mit meiner Familie für ein paar Monate nach L.A. gegangen und lernte ihn in der Zeit kennen und wir schrieben zusammen. Er verkuppelte mich mit anderen Partnern zum Schreibern. Wir hörten uns zusammen Musik an und dachten darüber nach, wie wir das angehen und welche Musiker wir haben wollen. Als wir dann ins Studio gingen, kannten wir uns und wussten, dass wir im Prinzip das Gleiche machen wollten. Allerdings hat er eine ganz andere Geduld als ich. Ich bin so viel jünger als er und ich habe diese Geduld einfach nicht. Er war eher so: „nimm den richtigen Song, besorge die richtigen Studiomusiker. Mach dir keine Sorgen, es wird funktionieren“. Er ist so ruhig, dass es sehr merkwürdig war, aber das war gut für mich. Ich bin so ungeduldig, wenn es nach 10 Minuten nicht richtig klingt, frage ich mich was zum Teufel da passiert und so. Er war sehr cool, sehr ruhig.

Es scheint, dass du den Song „Easy Tiger“ für dich selber geschrieben hast. Ich hatte mich schon gefragt, ob er für dich ist oder – falls du einen Sohn hast – deinen Sohn.

Ja, ich habe einen fünf Jahre alten Sohn. Er kommt sehr nach mir, er ist sehr ungeduldig. Er ist verrückt. Wenn er etwas nicht direkt hinbekommt, wird er sehr frustriert und er will immer alles auf einmal machen. „Easy Tiger“ ist eine Mischung aus dem, was ich meinem Sohn sagen wollte und Dingen von denen ich wünschte, dass mein Vater sie mir gesagt hätte. Der Song ist nicht für jetzt, sondern erst für die Zeit wenn er 14 oder 15 ist und sich erwachsen fühlt und es so viele Dinge gibt, in die man sich rein stürzt. Wenn ich also jemals einen Leitplan schreiben müsste, über das was ich mir gewünscht hätte von meinem Vater gehört zu haben. Er ist also für uns beide.

Du hast auch mit Tchat Blake [The Black Keys, Sheryl Crow] gearbeitet. Er hat das Album gemixt – wie war das?

Er ist ein Genie. Er ist unglaublich. Wir haben ihn ausgesucht, weil er das Album „El Camino“ von den Black Keys gemixed hat. Ich denke, das hört sich verdammt großartig an. Wir suchten ihn aus, weil er so eine gute Arbeit gemacht hat. Wir wussten nicht, ob er zusagt, aber glücklicherweise kannten er und Larry Klein sich von vorangegangener Arbeit. Sie haben zwar nie eng zusammengearbeitet, aber er hat es gemacht. Es war sehr merkwürdig. Ich war nie da, wenn er das Album mixte. Wir gaben ihm das Album und fragten, ob er es machen würde. Er sagte zu. Das Album hörte sich großartig an. All die kleinen Dinge, die behoben werden mussten, behob er. Aber er ist nicht der Typ, dem man sagen kann wie man es haben will, weil er es eh nicht so machen würde. Nachdem wir es zurückbekommen haben, fragten wir, ob er noch ein paar Sachen ändern kann. Er nahm dann diese kleinen Anpassungen vor, aber mehr auch nicht. Er schickte es uns zurück und es war im Prinzip das gleiche wie vorher. Er machte was er wollte und das war großartig. Aber er ist verrückt, die Art wie er arbeitet ist großartig.

Wieso?

Er ist einfach ein Künstler. Er hat seinen Sound und weiß wie er ihn haben will. Man kann ihn nicht wirklich dazu zwingen etwas anderes zu machen. Wenn man also mit dem Ergebnis nicht glücklich ist, dann muss man woanders hingehen. Man kann ihm nicht diktieren was er zu tun hat, er hat eine Vision von dem, was er mit der Musik machen will.

Ich kann mit vorstellen, dass das sehr seltsam war für dich.

Ja, natürlich, ich bin es ja gewohnt alles selber zu machen. Ich bin es gewohnt da zu sitzen und alles selber zu mixen. Aber es war sehr nett an einen Punkt zu kommen… Alles was ich vorher nie gemacht habe, begrüße ich jetzt. Ich bin wirklich dafür offen. Ich habe das Gefühl, dass ich manchmal Gelegenheiten verpasst habe, weil ich einfach zu engstirnig war. Es war so: Wenn eine Idee sich innerhalb von 5 Sekunden gut anhörte, dann habe ich es nicht gemacht. So bin ich nicht mehr. Ich bin jetzt viel, viel offener und gebe den Dingen auch etwas mehr Zeit und mach auch mal was dummes. Ich mach es heutzutage lieber so als wie ich es früher gemacht habe.

Ist das auch Teil der Midlife-Crisis?

Ich denke ja und es ist der gute Teil. Ich mag es offen zu sein. Ich habe bis jetzt immer alle Dinge, die ich machen wollte, genau so erledigt wie ich es für richtig hielt. Ich war sehr engstirnig, aber jetzt…. Das bedeutet natürlich auch, dass ich auch mal ein paar große Fehler machen werde, aber das ist OK. Es ist mir egal, so lange sie mich nicht komplett ruinieren.

Ich finde das Artwork auf dem Cover von Jens Carelius ziemlich schön. Es scheint für Vinyl gestaltet worden zu sein.

Das stimmt, weil wir auch Vinyl veröffentlichen mit einem großen fold out in der Mitte. Ich lieben den Designer sehr. Ich finde ihn sehr cool in der Art wie er Dinge angeht. Ich wollte immer irgendwas mit den Texten machen, sie als ein graphisches Element benutzen. Und ich denke, wie es es gemacht hat, ist großartig. Er ist auch ein großartiger Musiker. Er hat schon zwei Alben aufgenommen, die wirklich cool sind.

Er ist also einer dieser absolut kreativen Typen…

[lächelt] Ja, er ist einer dieser Typen, der alles kann und die man hasst, die einen wütend machen.

Na ja, das Problem ist ja, wenn man alles kann, will man auch alles machen. Ich nehme mal an, dass es einfacher ist, wenn man nur eine Sache hat, auf die man sich konzentriert. Als ich es zu ersten Mal gesehen habe, schien es als ob die Songs dich definieren, zumindest oberflächlich. Ich kann da natürlich auch falsch liegen.

Du liegst da gar nicht so falsch, wenn man bedenkt, dass es sehr lange her ist, dass ich autobiographische Songs geschrieben habe. Normalerweise würde ich eine Geschichte erzählen und alles tun um eine gute Geschichte rauszuholen. Diesmal habe ich das nicht gemacht. Alle Songs und sogar der Titel „What’s Left Is Forever“ sind fast wie eine frühe Midlife-Crisis. Es ist fast als ob man an dem Punkt ist, an dem man seinen späteren Weg wählt. Jetzt oder nie. Man kann einfach nicht mehr alles machen, was man bisher gemacht hat. Einige Beziehungen, Freundschaften und andere Dinge mussten einfach enden, weil sie sich automatisiert haben, wie ein Autopilot. Ein weiterer Teil der Midlife-Crisis ist, dass man denkt weniger Zeit zu haben. Ich habe das Gefühl, dass ich sie sinnvoller einsetzen muss. Der Titel soll auf eine Wahl hindeuten. Die Wahl des Weges: Was willst du jetzt machen, was willst du in deinem Leben behalten und was willst du wegwerfen.

Hast es geholfen?

Ja, hat es und das ist das Merkwürdige an diesen Texten, sie sind autobiographisch. Sie sind sehr ehrlich und es ist kein Geschichten erzählen wie ich es zuvor immer gemacht habe. Es ist ein Beziehungsalbum. Es geht bei allem um eine Art von Beziehung – mit Familie, meiner Frau oder unsere Familie, Freunden. Es ist alles.

Vielen Dank für das Interview, Thomas.

Nach dem gelungenden Auftakt auf den Reeperbahn Festival spielt Thomas Dybdahl Anfang Oktober weitere Konzerte, präsentiert von FastForward Magazine. 

07.10. Luxor, Köln
08.10. Frannz Club, Berlin
10.10. Radio Kulturhaus, Wien, Österreich

Interview: Dörte Heilewelt
Fotos (c) Yuvel Hen