Happy Birthday, Sinnbus! Ein Interview mit Peter Gruse

Vom Do-It-Yourself-Verein im Wohnzimmer zum Großraumbüro in Wedding mit immer noch dem gleichen Grundgedanken. Das überaus sympathische Berliner Label Sinnbus wird 10. Grund genug, uns mit Peter Gruse, einem der vier Gesellschafter hinter dem Unternehmen zusammenzusetzen und ein wenig über die Geschichte von Sinnbus zu reden, die Veränderung und warum er selber keine Musik mehr macht.

Was hat sich in den 10 Jahren für euch verändert? Damals habt ihr ja als Verein angefangen.

Im Grunde haben wir als großer Haufen von Freunden und Bekannten, die selber Musik gemacht haben, angefangen. Wir haben uns gedacht, dass wir selber unsere Veranstaltungen machen – den anderen zeigen was uns gefällt, was cool ist. Quasi für uns, aber auch für andere, haben wir angefangen und das hat sich dann so entwickelt, dass wir ab einem bestimmten Zeitpunkt auch richtige Alben hatten. Dann war die Frage, was wir damit machen und „lass uns doch ein Label gründen“. Dann ging es erst mit einem Sampler los und dann kam die erste Seidenmatt Veröffentlichung. Jan und Martin von Seidenmatt sind da vorgeprescht. Wir sind nachgezogen und plötzlich gab es ein Label. Was sich verändert hat ist, dass es am Anfang ein großer Haufen von Leuten war, eine Community, dann wurden es weniger Leute und es wurde professioneller. Und jetzt sind es im Kern diese vier Gesellschafter, aber trotzdem gibt es drumherum viele Leute, die nach wie vor mithelfen und mitanpacken, wenn es mal ein Video gibt oder so.

Hat sich der Druck auf die Veröffentlichungen verändert?

Es hat sich auf jeden Fall schon verändert, weil wir ja jetzt irgendwo auch ein Unternehmen sind und wir drauf achten müssen, dass es finanziell funktioniert. Trotzdem gibt es immer wieder Sachen, die wir machen so machen möchten bzw. das Grundauswahlkriterium ist nach wie vor, dass es uns gefallen muss. Es ist noch nie so gewesen, dass wir gedachten haben, dass wir das jetzt machen müssen, weil wir damit Geldverdienen können. Es war eher die Frage „Wie können wir damit Geld verdienen?“. Es ist aber immer die zweite Frage. Die erste Frage ist „Gefällt es uns? Brennen wir dafür?“. Das ist nach wie vor so, aber wir merken auch, dass wie mache Sachen nicht machen können. Die gefallen uns zwar total, aber dann funktioniert dieser ganze Aufwand nicht. Das würde die Band und uns in Schwierigkeiten bringt, wenn man so einen riesig großen Release macht und total viel startet und dann ist die zum Beispiel nicht in der Lage total viele Konzerte zu spielen. Wir checken schon ab, ob wir gemeinsam soviel Zeit und Energie investieren können.

Wann war es das letzte Mal, dass ihr jemand aus diesem Grund ablehnen musstet?

[überlegt lange] Ich weiß gar nicht. Am Ende haben wir es eigentlich immer gemacht. Zum Beispiel bei der letzten Kam:as war es so, dass wir wussten, es wird schwierig, da sie nicht vier Wochen touren werden und es wird wahrscheinlich nicht viel passieren, aber die Platte hat uns einfach total doll gefallen, wir mussten die einfach machen.

Ist das wie man heutzutage an Musikprojekte ran gehen sollte – ob man nun ein Label hat oder irgendwas anderes?

Das auf jeden Fall. Ich finde, man sollte als erstes immer das machen was man mag, sich von einem Gefühl leiten lassen und dann an irgendeinem Punkt stellt man sich die Fragen, wo man hin will, wie viel kann man investieren und wie macht man das. Früher war das für uns alle ein total gutes Hobby und dann haben wir uns an irgendeinem Punkt entschieden, dass es unser kompletter Lebensinhalt wird. Die Entscheidung hätte auch anders sein können, wir hätten es ja auch so weitermachen können.

Wann war dieser Punkt?

Das ist eher so ein schleichender Prozess gewesen. Für mich war schon die Bodi Bill „No More Wars“ so ein Wendepunkt. Da haben wir das erste Mal gesagt, dass wir anders ran gehen müssen und mehr wagen. An irgendeinem Punkt hat Daniel angefangen hier fest zu arbeiten, dann ich und so hat sich das nach und nach entwickelt. Es gab auch mehr Erwartungen an die Alben oder eine größere Professionalisierung von uns aus. Deswegen ist die Wahrnehmung nach außen total unterschiedlich. Je nachdem an welchem Punkt man mit uns zu tun hatte oder auf uns geguckt hat.

Ihr hattet auch Mimas. Ich finde es schön zu sehen, dass ihr den Künstlern folgt. Bei Bodi Bill habt ihr auch die beiden anderen Projekte Unmap und The/Das und bei Dad Rocks! (Anm. Sänger von Mimas) das Album „Mount Modern“ promoted.

Natürlich sind auch Freundschaften wichtig. Aber bei Bodi Bill ist das wirklich so, dass wir beide Projekte total gut finden. Wir sind richtig froh, dass wir das machen dürfen. Da erwarten wir von den Alben richtig viel, bei The/Das gab es jetzt erst einmal nur eine EP, aber da kommt nächstes Jahr ein Album und bei Unmap geht es im November los. Da sind wir ziemlich gespannt.

Ich habe in einem älteren Interview gelesen, dass ihr bis zu dem Zeitpunkt keine Musik gesigned habt, die per Demo zugeschickt wurde. Hat sich das mittlerweile geändert?

Es ist ja keine Politik. Damals habe wir nur gesagt, dass es uns noch nicht passiert ist.

Ist es inzwischen passiert?

So richtig ein Demo, das völlig unbekannt hier gelandet ist, gab es tatsächlich noch nicht, aber die Jan Roth Platte hat uns Jana geschickt und wir kannten ihn schon. Die Platte ist hier im Büro immer gelaufen und dann dachten wir an einem Punkt „man, das ist ja total toll, da müssen wir was machen“ und so kam es dann. Es ist jetzt nicht ein klassisches Demo, aber das ist so eine Platte, die wir hier im Büro fast beiläufig entdeckt hatten, uns total für begeistert hatten und es nochmal richtig machen wollten.

Wird es langsam zu viel Musik? Früher habt ihr ja nebenbei andere Sachen gemacht, jetzt nur Musik.

Nö. Hier in diesem Haus sind tolle Leute, die ganz viele Dinge machen. Es gibt eine Filmproduktionsfirma, Designer, Fotografen und da ist einfach alles spannend, was man zusammen machen kann. Es ergeben sich Zusammenarbeiten, die nicht unter den Namen Sinnbus fallen, aber die auf anderer Ebene funktionieren. Das ist ziemlich toll. Martin und die Jungs machen zum Beispiel das Design für den Film „Eltern“, der hier im Haus entstanden ist und solche Geschichten. Das ist eine Vision, dass wir es schaffen über den Tellerrand zu gucken und einfach mit anderen Leuten zusammenzuarbeiten und andere Dinge zu machen. Für mich wäre es jetzt so ein Ding, dass es so gut läuft, dass man andere Sachen wieder dazunehmen kann und diese Freiheit gewinnt. Mal gucken. Diese ganze Labelarbeit ist ganz schön viel Kleinkram, den halt keiner sieht.

Vergisst man die ganze Kleinkramarbeit, wenn man das Album dann vor sich hat?

Für mich ist es gar nicht so ein starker Moment, wenn das Album da ist. Der starke Moment ist nach wie vor bei einem Konzert. Also, wenn gerade ganz viel passiert ist und dann ist das Releasekonzert oder man ist mittendrin in einem Release und dann gibt es einen Flow. Dann ist für mich immer der Punkt, an dem ich sage: „Cool, dafür mach ich das“.

Hast du einen schönsten Moment?

Nö, kann ich nicht sagen, es gab viele schöne Momente. Das ändert sich je nachdem was man betrachtet, aber jetzt aktuell: Die Zusammenstellung des Samplers, den wir veröffentlichen. Das war schon toll. Da überall nochmal so rein zuhören und alte Perlen zu entdecken, fand ich gut.

Bist du stolz auf euch, dass ihr das gemacht habt?

Ich bin stolz auf die Bands, dass sie solche Sachen gemacht haben. Bestimmte Sachen passieren einfach so beiläufig und wir sind eigentlich nicht so besonders gut darin, das zu zelebrieren. Wir sagen intern oft, dass wir ein bisschen schlecht in der B Note sind (lacht). Dieses Juhu und Freude und Feiern und Vertragsunterzeichnung mit Sekt knallen lassen, da haben wir ein Defizit.

Zu sehr Berliner?

Zu sehr Understatement. Ich weiß nicht, ob es der Berliner ist, das kann sein.

Was kommt noch so in Zukunft außer Miss Kenichi?

The/Das werden ein Album machen, Einar Stray macht grade ein Album, dann Unmap natürlich – das ist ja schon einiges. Rue Royale wollten auch ein neues Album machen, aber die haben gerade ein Album gemacht. Es ist ja anders als früher, als wir immer auf ein Album hingearbeitet haben, dann kam das Album und die Tour und dann das nächste Album. Jetzt ist es so, dass die Veröffentlichung des Albums erst die Halbzeit ist, bestenfalls. Da geht ja vieles erst so richtig los. Das bedeutet, Rue Royale haben wir gerade erst veröffentlicht, da werden wir bestimmt noch ein ganzes Jahr dran arbeiten und so ist es mit Unmap und The/Das auch. Insofern, Arbeit ist da genug und passieren wird auch genug. Es wird bei allen auch Videos und Singles geben. Es ist ziemlich viel Arbeit, aber es ist auch cool, dass wir so lange auch dran bleiben können.

Ich finde es immer spannender, die ganze Entwicklung mitzuerleben.

Das mussten wir auch erst lernen, das hatten wir am Anfang gar nicht so drauf, dass man so viel mehr Zeit mit den Bands verbringen kann. Ich glaube, wir haben auch massiv gute Musik rausgehauen ohne richtig bis zum letzten dran zu bleiben und alles rauszuholen.

Bereut man das jetzt?

Naja, wir haben es ja nie besser gewusst. Also im Grunde haben wir immer alles nach besten Wissen und Gewissen gemacht und auch immer alle Energie reingesteckt. Klar habe ich manchmal so Gedanken: „Boah, hätten wir das damals schon gewusst“ oder „Hätten wir das schon drauf gehabt oder den Kontakt gehabt“, aber auf der anderen Seite ist das ja ein Lernprozess. Man macht einfach immer soviel wie man kann und soviel wie man weiß und beim nächsten Mal weiß man dann mehr. Dazu gehören auch Fehler und Dinge, die man ausprobiert und dann besser weiß. Insofern: Nö, so grundsätzlich bereuen nicht.

Hättest du vor 10 Jahren gedacht, dass du heute hier sitzt und Fragen über euer 10 jähriges Jubiläum zu beantworten?

Nein, das war am Anfang auch überhaupt nicht darauf ausgelegt, dass es so eine Art von Professionalität erreicht. Das war mal probieren, mal gucken, und dann ging es weiter. Alle hatten unterschiedliche Vorstellungen und jetzt sind wir halt da. Deswegen ist es auch schwer, eine Vision zu definieren. Wir sind jetzt da und gucken weiter. Man denkt eher von Album zu Album.

Hättest du noch einen Tipp für jemanden der jetzt anfängt?

Ne, eigentlich nicht. So generell – ob es jetzt ein Label ist oder irgendwas anderes: Auf jeden Fall in erster Linie inhaltlich entscheiden, auch bei studieren. Das machen, bei dem man denkt, dass es einen fasziniert, interessiert und ganz lange bei der Stange hält. Man kann immer noch drüber nachdenken, wie man das zu Geld macht, davon überlebt oder so. Ich würde auch jedem raten, nach Neigung zu studieren und nicht danach, wo die Chancen hoch sind.

Vielen Dank für das Interview, Peter.

Wer die musikalische Entwicklung von Sinnbus einmal nachhören will, dem sei „Sinnbus Vol. 10“ ans Herz gelegt – von den Anfängen bis zu ihren neusten Bands ist alles dabei. Wer der Zukunftmusik des Label lauschen will, müsste nach Leipzig fahren. Dort tritt Miss Kenichi auf.

31.10. Hamburg, Uebel und Gefährlich – Unmap, The/Das, Rue Royale, La Boum Fatale & special guest (tba)
01.11. Jena, Kassablanca – Unmap, The/Das, Rue Royale, Bodi Bill DJ-Team
02.11. Leipzig, UT Connewitz – Unmap, Rue Royale, Miss Kenichi, Jan Roth
02.11. Leipzig, Distillery – La Boum Fatale, Thomalla, Freedarich, Sinnbus/Krakatau DJ Team & special guest (tba)
07.11. Berlin, Heimathafen Neukölln – Unmap, The/Das, Rue Royale & special guest (tba)

Interview: Dörte Heilewelt

https://www.sinnbus.de