Die Nadel des Plattenspielers legt sich auf die schwarze Scheibe und alles beginnt sich zu drehen. Ein Rausch bedingt durch Musik und Trunkenheit. Mit geschlossenen Augen, leicht geöffneten Mund und in den Nacken gelegten Kopf geben sich Adam (Tom Hiddleston, „Thor“) und Eve (Tilda Swinton, „We Need To Talk About Kevin“) ihren Sinneseindrücken hin. Er inmitten seines mit unzähligen Instrumenten, Büchern und anderen Kunstwerken angereicherten Hauses in Detroit, sie in der nächtlichen Hitze von Tanger. Trotz der räumlichen Entfernung spüren sie einander. Sie sind jahrhundertealte Liebende. Sie sind unsterbliche Vampire. Doch Adam bewältigt nur noch mit Widerwillen den Umgang mit den Menschen, kann sich nicht auf den Wandel der Gesellschaft einlassen. Eve fühlt diese Unlust am Leben und reist zurück in die Arme ihres Liebhabers. Es ist die Zusammenkunft von Schwarz und Weiß. Die neue Balance ist jedoch nur von kurzer Dauer, da sich Eves Schwester (Mia Wasikowska, „Stoker – Die Unschuld endet“) zu ihnen gesellt und Unordnung sowie uralte Verhaltensmuster an die Oberfläche bringt.
„Diese beiden Liebenden sind archetypische Außenseiter, klassische Bohemiens, extrem intelligent und kultiviert, zugleich noch immer im vollen Besitz ihrer animalischen Instinkte. Sie haben die Welt bereist und dabei viele bemerkenswerte Dinge erlebt, immer an den dunklen Rändern der Gesellschaft. Und wie die Geschichte ihrer Liebe, spannt sich auch ihr spezieller Blick auf die Menschheit über mehrere Jahrhunderte – weil sie zufälligerweise Vampire sind.“ (Jim Jarmusch)
Ob „Broken Flowers“ oder auch „Limits of Control“ – in einen Film von Jim Jarmusch geht man mit einer Erwartungshaltung hinein. Der Unterhaltungswert generiert sich nicht aus einer 3-Stufen-Handlungsstruktur oder erklärenden Dialogen. Auch „Only Lovers Left Alive“ spricht zunächst nur über die Musik (hauptsächlich von Jozef van Wissem) mit dem Betrachter. Mit viel Fingerspitzengefühl führt Jarmusch in die Welt seiner intellektuellen, feinfühligen wie romantischen Vampire ein. Diese zweistündige Entdeckungsreise im Schatten der Städte ist ein Genuss für Augen und Ohren. Überall lauern Verweise, leise Kritikpunkte an der Gesellschaft und Zeichen der Wandlung. Wir betreten neue Clubs und Krankenhäuser, Überreste alter Prunkstätten, ewig wirkende Straßenwirrungen in Tanger und sehen uns nicht zuletzt auch Jack Whites Haus in Detroit aus der Ferne an. So fällt es leicht sich bei dem ruhig dahinfließenden und überraschend zugänglichen Liebesdrama zurückzulehnen und inspirieren zu lassen von der Fülle an Verständigungsmöglichkeiten, die Jim Jarmusch dem Zuschauer anbietet.
Kinostart: 25. Dezember 2013
Gesehen von: Hella Wittenberg