Gesehen: „Her“ von Spike Jonze

Einsam. Nach der Trennung von Catherine (Rooney Mara, „Verblendung“) fühlt sich Theodore (Joaquin Phoenix, „The Master“) nur noch einsam. Selbst seine Arbeit, bei der er als Ghostwriter gefühlvolle Briefe für andere Menschen schreibt, erfüllt ihn nicht mehr mit so viel Freude wie früher. Eine Änderung muss her. Dass diese in Form eines hochintelligenten Betriebssystems erfolgt, hätte Theodore wohl zu Beginn selbst nicht geglaubt. Samantha hat nicht nur eine besonders erotische Stimme (im Original: Scarlett Johansson, „Don Jon“) und weiß mit Intelligenz und Witz in jedem Lebensbereich zu glänzen, sondern entwickelt sich auch selbstständig weiter, lernt dazu und weiß Emotionen aufzubauen. Und je mehr Zeit vergeht, desto enger wird die Beziehung zwischen dem Schnauzbartträger und seinem Technik-Gadget bis sie sich schließlich ineinander verlieben. Doch wie reagiert Theodores Umgebung auf eine derartige Mensch-Maschine-Bindung – allen voran seine gute Freundin Amy (Amy Adams, „The Fighter“) sowie sein Arbeitskollege Paul (Chris Pratt, „Die Kunst zu gewinnen – Moneyball“)? Und wie lang kann ein Verhältnis zu einer körperlosen Super-Frau tatsächlich gut gehen?

Die Zukunft sieht rosig aus! Drehbuchautor und Regisseur Spike Jonze („Wo die wilden Kerle wohnen“) liefert mit „Her“ eine so durchdachte Vision des Kommenden, das man sich bereits sicher ist, dass dieses Werk einen beachtlichen Einfluss auf den technischen Fortschritt haben wird – sogar weit mehr als Steven Spielbergs Sci-Fi-Thriller „Minority Report“ aus dem Jahr 2002. Doch auch wenn dem Zuschauer in den zwei Stunden Technik-Innovationen gezeigt werden, die praktisch ein Rundum-Sorglos-Paket für den Einzelnen bieten, ist das nicht der springende Punkt des Filmes. Und ja, irgendwie geht es um Liebe. Akzeptanz. Isolation und Zusammengehörigkeit.

„Die eigentliche Idee bekam ich vor etwa 10 Jahren durch einen Artikel, den ich online las: Es ging um das Chatten mit einer künstlichen Intelligenz. Ich benutzte den Link und sagte: ‚Hallo’. Die Antwort war: ‚Hallo.’ Wir setzten das kurze Gespräch fort, und ich fand das prickelnd: ‚Wow, ich rede mit dem Ding, und es hört mir zu.’ Doch dann verflog die Illusion recht schnell – ich merkte, dass es nur imitierte, was es zuvor gehört hatte. Dennoch fand ich das spannend. Mit der Zeit dachte ich mir dann aus, dass ein Mann mit diesem Wesen eine Beziehung eingeht, denn es hat ein ausgereiftes Bewusstsein. Was passiert dann?“ (Spike Jonze)

Nach dem Betrachten von „Her“ ekelt man sich nicht vor der Zukunft. Jonze macht vielmehr neugierig. Insbesondere auf diese Wärme, die in dem gesamten Film zu spüren ist. Die Menschen bedecken sich mit Braun- und Rottönen, ihre Haare wirken von der Sonne Los Angeles’ ausgeblichen und auch wenn ihre Jobs noch immer in Büros vor großen Computern stattfinden, so scheinen sie nicht ihr soziales Leben stark vernachlässigt zu haben. Wenn Theodore durch die Straßen läuft und dabei mit seinem Betriebssystem herumalbert, dann stört das Niemanden, es wird sogar mitgelacht – die Menschen erweisen sich als extrem offen. Was könnte da also noch schief gehen? Spike Jonze malt uns in „Her“ neue Kommunikationsmöglichkeiten gepaart mit seinem Retro-Charme aus und begeistert damit auf ganzer Linie (was bei der diesjährigen Oscar-Verleihung mit dem Preis für das beste Original-Drehbuch quittiert wurde).

Kinostart: 27. März 2014

Gesehen von: Hella Wittenberg