Gesehen: „Der Biber“ von Jodie Foster

biberposterEin Biber rettet Leben! So sieht es zumindest der betagte Walter Black (zweimaliger Oscar-Preisträger Mel Gibson), der sich hoffnungslos in der Depressivität verloren hat und keinen anderen Ausweg weiß, als sich entweder umzubringen oder eine Verbindung zur Außenwelt mithilfe einer Handpuppe wiederherzustellen.

Die Thematik des von Kyle Killen geschriebene Familiendramas erinnert an die 2007er Tragikomödie „Lars und die Frauen“, in der Ryan Gosling als schrulliger Einsiedler mittels einer Sexpuppe, die er als seine echte Freundin Bianca vorstellt, wieder sozialisiert wird. Nichts Neues also, nur wird bei „Der Biber“ nicht versucht, das Sujet in Watte zu hüllen. Zwar wissen die Dialoge mit einem humoristischen Grundtenor zu glänzen (der Biber befindet sich schon bald auf unzähligen Magazinen wie beispielsweise auf dem Cover der GQ), jedoch scheint die Behandlung der Depressionen und die Beeinflussung auf die Mitmenschen zu Ende gedacht. Feinfühlig wird in die Familie Black hineingeschaut, ohne dabei zu übertreiben oder zu richten. Die Veränderung der Individuen und der Dynamik in der Familie sowie die damit einhergehende benötigte Charakterstärke jeder einzelnen Person in der Familie Black verleihen dem Film Tiefe. Denn neben dem eigensinnigen Walter steht auch Sohn Porter (Anton Yelchin, erlangte spätestens mit der Rolle des Kyle Reese in „Terminator: Die Erlösung“ einen größeren Bekanntheitsgrad) im Zwiespalt mit sich selbst. Seinem Vater blickt der 17-jährige nur mit äußerster Verachtung in die Augen. Alles was er möchte, ist nicht zu werden wie er. Immer mehr lässt er sich auf die innerlich genauso zerbrochene Norah (die biber1neue Zukunftshoffnung Jennifer Lawrence, die im Frühjahr in „Winter’s Bone“ zu sehen war) ein, um seinen familiären Problemen und Ängsten zu entfliehen.

Mit dem Charakter der Cheerleaderin Norah wird eine weitere interessante und vielschichtige Person eingeführt, welcher leider viel zu wenig Zeit in den anderthalb Stunden gegeben wird. Dies wurde in dem von Craig Gillespie inszenierten „Lars und die Frauen“ wesentlich besser gelöst, da man sich dort die nötige Ruhe für die einzelnen Charaktere nahm, ohne große Effekthascherei oder Abgeschmacktheit. Mehr Liebe zum Detail, mehr Rast auf den jeweiligen Nebengeschichten hätte man sich auch für „Der Biber“ gewünscht. Es entsteht der Eindruck einer partiell recht eindimensionalen Abhandlung.

Die Meinungen, ob der Film Oscar oder Goldene Himbeere verdient, weichen stark voneinander ab. Dennoch lädt der berührende Ehe- sowie Vater-Sohn-Konflikt zum Nachdenken ein. Wie geht man selbst mit den Schwierigkeiten der wachsenden Anforderungen des täglichen Lebens um? Soweit hergeholt scheint der Versuch zur Selbstheilung durch eine Handpuppe nicht, obwohl die Grenzen zwischen bizarrer Genesungsmethode und Selbstkasteiung immer mehr verschwimmen. „Der Biber“ geht weiter als „Lars und die Frauen“. Denn Lars kann sich nach einiger Zeit von seiner Puppe trennen und in die Realität zurückkehren, wohingegen Walter Blacks Biber ihn vollkommen in Besitz nimmt. So muss er sich letztendlich der schweren Aufgabe stellen, sich von seinem Alter Ego gewaltsam zu lösen.

biber2Die zweifache Oscar-Gewinnerin Jodie Foster, die auch die zweifelnde Frau und Mutter Meredith verkörpert, hat als Regisseurin (zuvor führte sie Regie in „Das Wunderkind Tate“ (1991) und „Familienfest und andere Schwierigkeiten“, 1995) ein gutes Auge bewiesen. Im Besonderen mit der Besetzung des Familienvaters durch Mel Gibson, mit dem sie bereits 1994 „Maverick“ drehte, lag sie genau richtig. „Gibson has this unusual ability to be really funny in a serious situation“, lobte Produzent Steve Golin (der u.a. auch für Produktionen wie „Babel” verantwortlich ist). Die schauspielerische Leistung ist in jeder Sekunde authentisch. Die mit englischem Akzent sprechende Handpuppe funktioniert bei Gibson äußerst glaubwürdig. Er haucht dem Biber Leben ein, ohne je ins Alberne abzudriften. Es ist gut zu sehen, dass Gibson, der immer weniger Filme zu drehen scheint, sich gerade mit solch einer komplexen Charakterrolle wie die des Walter Blacks zurückmeldet, dadurch lassen sich seine persönlichen Eskapaden außerhalb der Kinoleinwand schon fast vergessen.

Der Starttermin ist der 19. Mai.

Gesehen von: Hella Wittenberg