Ein entzaubertes Barcelona
Grimmig, übervölkert und schmutzig. Ein entzaubertes Barcelona. Hier ist Alejandro González Iñárritu’s Film „Biutiful“ angesiedelt. Linear und stringent erzählt, in außergewöhnlichen und so realen Bildern, dass diese wieder surreal erscheinen. Eine raue, sich über den Stadtrand ausdehnende Intimität. Lyrischer Naturalismus, voller Emotionen und sozialen Details, lässt Barcelona zu kratzigem, schwitzigem und aussaugendem Leben erwachen. Und auch die Gesichter seiner Bewohner sind mehr verhärtet, von Schmutz gezeichnet, denn schön und pittoresk.
Das Leben kann hart sein
Javier Bardem spielt den Uxbal, einen Kleinganoven im barcelonesischen Untergrund. Hingebungsvoller Vater und verzweifelter Liebhaber. Sein Leben gestaltet sich alles anders als einfach. Gleich zu Beginn des Films erfährt man, dass Uxbal an Krebs leidet, viel zu spät ärztlichen Rat gesucht hat und ihm nicht mehr viel Zeit bleibt. In diesem Wirbel und der schier untragbaren Last seines Schicksals, gibt ihm die Liebe zu seinen Kindern Ana (Hanna Bouchaib) und Mateo (Guillermo Esrella) Kraft und Ausdauer. Wie ein Wanderer bewegt sich Uxbal zwischen zwei Welten – dem Familienleben und dem als Krimineller – durch ein verwahrlostes und unbekanntes Barcelona, auf der Suche nach Einklang mit seiner manisch-depressive Noch-Frau Marambra (Marices Álvarez), seinen Kindern und sich selbst.
Zwei Stars des spanischsprachigen Kinos treffen aufeinander: Javier Bardem, Oscar-Preisträger und einer der großen Schauspieler dieser Tage, der seine Rollen wie ein Architekt, voller Akribie, zu begreifen schient und der mexikanische Regisseur Alejandro González Iñárritu, der nicht nur in „Babel“ bewies, dass er den Anspruch eines Leinwand-Poeten erfüllen kann.
Paradox
Ein Film voller Poesie. Über Liebe, Glaube, Hoffnung und Vergebung. Mit einer unerbittlichen Härte, die einem den Atem raubt und dessen Zärtlichkeit man so schnell nicht vergisst. „Biutiful“ ist ein gnadenloser Film, der einen durch alle Abgründe schleift. Da bleibt dem Kinogänger nichts ersparrt. Von psychischen Erkrankungen zu grenzenloser Armut über traumatisierte Kinder bis hin zu billigen Gas-Heizkörpern, die (mal eben) 20 illegalen Immigranten das Leben nehmen. Obwohl traurig, tragisch, zu Weilen melodramatisch ist „Biutiful“ vielleicht genau aufgrund seiner Härte und Ehrlichkeit so zart und weich, findet in der extremsten Misere Erlösung und Hoffnung. Ein schieres Wunder, dass man den Kino-Saal noch mit so viel Mut, gestärkt und voller schöner Erinnerungen verlässt. Doch Obacht. „Biutiful“ wirkt wie „Babel“ gewagter und schwieriger als er dann letzten Endes ist. Trotzdem Hochachtung, denn das Resultat ist eine überraschende Stilverschmelzung. Der Film, der im Grunde schlecht und traurig daherkommt, enthält eine aufraffende und positive Aussage – für jeden.
Gesehen von: Sebastian Schelly
„Biutiful“ kommt am 10. März in die deutschen Kinos.