Film der Woche: „Mister Lonely“ von Harmony Korine

Gestern startete das 4. „Around The World in 14 Films“ Festival im Berliner Babylonkino. Prompt kam mir „Mister Lonely“, der Eröffnungsfilm des Festivals aus dem letzten Jahr wieder in den Sinn. Obwoh, so richtig vergessen habe ich ihn nie…

Das „Around The World in 14 Films“ ist ein kleines, aber sehr feines Filmfestival in Berlin, das, wie der Name schon nahe legt, 14 Filme aus 14 Ländern präsentiert. Als ich letztes Jahr dort zum Eröffnungsfilm „Mister Lonely“ von Harmony mister-lonelyKorine eingeladen war, machte mir Bernhard Karl, Schirmherr des Festivals, im Vorfeld eher Angst als dass er meine Neugier weckte. „Mister Lonely“ sei ein sehr polarisierender Film, meinte er. Man würde ihn lieben oder hassen. Eine gewaltige Bilderflut, sinnlich aber verwirrend. Das Problem ist, allzu experimentelle Filme bereiten mir eher Bauchschmerzen. Wenn ich mit den tollsten Bildern zugeballert werde aber emotional keinerlei Bezug zu der Handlung entwickeln kann, ist es bei mir schnell vorbei. Außerdem zeichnet Regisseur Harmony Korine unter anderem für das Drehbuch zum US Independent Film „Kids“ verantwortlich, auch einer dieser Filme, die man entweder liebt oder hasst. Ich gebe es zu, bei mir trifft letzteres zu.

Keine guten Vorzeichen also. Zum Glück erwiesen meine Bedenken sich als völlig unberechtigt. „Mister Lonely“ ist ein Film, in den ich mich von den ersten Bildern an verliebte. Und der es in knapp zwei Stunden schaffte, aus Verliebtheit echte Liebe werden zu lassen.

„Mister Lonely“ (Diego Luna), lebt in Paris und verdient das Geld für sein spärliches Zimmer als Michael Jackson Double. Er tanzt und singt auf den Straßen und in Altersheimen. Eines Tages lernt er bei so einem Auftritt „Marilyn Monroe“ (Samantha Morton) kennen und verliebt sich sofort in sie. Sie erzählt ihm, dass sie in den schottischen Highlands in der perfekten Wohngemeinschaft lebt – jeder der dort lebt, lebt sein Leben komplett als eine berühmte Persönlichkeit. Er begleitet sie dorthin und trifft unter anderem auf Abraham Lincoln, Madonna, Die Queen, Sammy Davis Jr, die drei Stooges, James Dean und natürlich „Marilyns“ Mann, „Charlie Chaplin“ und ihre Tochter, „Shirley Temple“. Gemeinsam bereiten sie in der Scheune des gigantischen Anwesens die größte Doppelgängershow vor, dir Schottland je erlebt hat. Dann gibt es da aber auch noch die Geschichte von Pater Umbrillo (Werner Herzog) und den Nonnen in himmelblauer Tracht, die wie durch ein Wunder einen Flugzeugabsturz überleben…

So wirr das alles klingen mag, in „Mister Lonely“ verbinden sich verrückte Geschichten zu einem schlüssigen Ganzen. Harmony Korine nimmt seine Figuren bei aller Abgedrehtheit sehr ernst und haucht ihnen Leben und Seele ein. Diego Luna und Samantha Morton sind mit Sicherheit eines der seltsamsten aber auch eines der unwiderstehlichsten Liebespaare der modernen Filmgeschichte. Und in einem muss ich Bernhard Karl definitiv recht geben: Die Bilderflut in „Mister Lonely“ ist atemberaubend. Die Landschaft der schottischen Highlands und auf der Weide Charlie Chaplin mit Spazierstöckchen und Gummistiefeln – das ist schon sehr speziell, aber auch außerordentlich faszinierend.

Keine Frage, Harmony Korine verstört gern in seinen Filmen. Seine Werke „Gummo“ und „Julien Donkey-Boy“ würde ich nicht unbedingt für einen gemütlichen, geschweige denn romantischen Videoabend empfehlen. In „Mister Lonely“ tut er es aber mit sehr viel Wärme, Humor und Liebe. Erstaunlich, wenn man weiß, dass die Entstehung des Films sich wegen Drogenproblemen und Depressionen des Regisseurs über Jahre hinweg hinzog. Gegenüber dem Screen International Magazine sagte Korine als der Film letztendlich erschien: „Ich ging damals tiefer und tiefer an einen dunklen Ort und, um ehrlich zu sein, Filme waren das letzte, um das ich mich kümmerte.(…) Was auch immer zu der Zeit passierte, und ich möchte nicht ins Detail gehen, vielleicht war es etwas, durch das ich hindurch musste.“  

Ich bin wirklich sehr froh, dass ich mutig genug war um zu erfahren, dass man vor diesem Film keine Angst haben muss. Man kann ihn einfach nur lieben.

Das Programm zum aktuellen „Around The World in 14 Films“ Festival findet Ihr übrigens hier. Ich bin mir sicher, da gibt es nächste Woche noch die eine oder andere Perle zu entdecken.