Entführen oder mit Untwäsche bewerfen? Bei Tegan and Sara im Berliner Astra wurden beide Möglichkeiten erörtert.
Vor ein paar Wochen habe ich mal behauptet, dass ein Typ mit einer Gitarre völlig ausreichend ist. Das muss ich erweitern: Ein rappender Typ mit seinem Computer ist auch nicht schlecht – sehr gut sogar, wenn der Typ Astronautalis heißt. Die Einmann Vorgruppe von Tegan and Sara gab gestern Abend Tipps wie man seinen Boss erpresst, seine Freunde bestiehlt und dass man die Person, die man liebt, am besten als Liebesbeweis kidnappt, inklusive Kofferraumfahrt. Natürlich alles mit einem Augenzwinkern. Astronautalis ist ein Wortkünstler, der seine Geschichten mit elektronischen Beats unterlegt. Mehr hat er auch nicht benötigt, um das Publikum in seinen Bann zu ziehen.
Ich gebe zu, dass ich Tegan and Sara vorher nur vom Hörensagen kannte. Abgesehen davon, dass sie live gut sein sollen, wusste ich nichts. Jetzt frage ich mich wieso. Fans sind aus ganz Europa (Polen, Russland, Griechenland…) angereist, nur um sie zu sehen, und ich bin nur bei ihnen gelandet, weil jemand anderes krank geworden ist. Ich bin ein Glückspilz.
Ihre Show war großartig, lustig und gute 90 Minuten lang, ohne dabei lang zu wirken. Sie machen Rock mit ein bisschen Elektronik hier und ein bisschen altmodischen Rock’n’Roll da. Ich meine mitunter sogar ein paar kleine Countryspürchen gehört zu haben (der gute Country, nicht das Schlageräquivalent!). Der Großteil ihrer Songs lud zum tanzen und hüpfen und klatschen ein. Das haben wir – das Publikum – auch mit großer Freude getan. Die Songs, die nicht dazu eingeladen haben, waren die wenigen langsamen Stücke, die sie in ihr ca. 23 Songs umfassendes Set eingebaut haben.
Ein wenig irritierend war, dass sie nach fast jedem Song das Instrument gewechselt haben – Gitarre gegen Gitarre oder gegen Keyboard. Aufgelockert wurde dies jedoch zum Teil durch kleine Geschichten und Gedankengänge, die sie mit uns teilten. Mein Lieblingsgedankengang war dabei einer von Sara, den sie hatte, nachdem ein BH auf die Bühne geflogen war. Zusammenfassen könnte man ihn als Frage: Wie würden wir es wohl finden, wenn jemand, der uns liebt, uns mit seiner Unterwäsche an unserem Arbeitsplatz bewerfen würde? In meinem Fall also ein Mann, der mich mit seiner (hoffentlich gewaschenen) Unterhose bewirft, während ich in der Bibliothek lerne bzw. eine Review tippe – das wäre wenigstens mal ein eindeutiger Hinweis! Und definitiv angenehmer, als gekidnappt in einem Kofferraum zu liegen.
Ob es daran liegt, dass das Zwillingspärchen aus Kanada kommt, dass es so freundlich und relaxt wirkt? Ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, ob sie es ernst gemeint haben, als sie bei der Zugabe sagten, dass sie selten Zugaben geben. Einige sind nach Ende des eigentlichen Konzertes gegangen, der Rest hat minutenlang geklatscht, bis Tegan, Sara und ihre Band die Bühne wieder betreten haben. Jedenfalls war es die erste Zugabe seit langem, die sich für mich ehrlich angefühlt hat und nicht als obligatorischer Teil eines Konzertes.
Das aktuelle Album „Sainthood“ ist im Oktober bei uns erschienen. Ich werde es mir schnellst möglich kaufen die alten Alben gleich dazu. Und hoffen, dass sie bald wieder kommen, denn: I just want you back in my head.
Fotos (c) Dörte Heilewelt
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