In den Jahren vergangenen zwei Jahren hat sich die Kinowelt zu einem nicht unwesentlichen Teil den Filmbiografien verschrieben. Nachdem uns in “Oppenheimer”, “Priscilla”, “Napoleon”, “Ferrari” und “Back To Black” einige historische Persönlichkeiten filmisch ein Stück näher gebracht wurden, widmet sich Regisseurin Ellen Kuras in ihrem Spielfilmdebüt “Die Fotografin” nun der Geschichte von Kriegsfotografin Lee Miller (1907 – 1977). Die Hauptrolle übernahm dabei Kate Winslet, die der tatsächlichen Lee Miller nicht unähnlich sieht.
Der Film beginnt mit einer schon etwas betagteren Lee Miller, die in ihrem Farmhaus in Sussex, das heute ein Museum ist, von dem jungen Reporter Tony (Josh O’Connor) zu ihrem Lebenswerk interviewt wird. Anfangs gibt sie sich widerwillig, aber im Gegenzug für eine persönliche Geschichte von Tony selbst, beginnt sie anhand ihrer alten schwarz-weiß Fotografien, Erinnerungen hochzuholen. Sie erzählt wie sie, bekannt als ehemaliges Supermodel, Mitte der 1930er Jahre mit ihren Freunden idyllische Sommer in Cornwall verbrachte. Dort lernt sie auch ihren späteren Lebensgefährten, den Maler und Galeristen Roland Penrose (Alexander Skarsgard) kennen, der genau wie sie und ihre Freunde zu der Zeit die drohende Gefahr durch den aufkeimenden Nationalsozialismus noch nicht begreifen oder ernst nehmen kann.
Für eine Weile leben sie auf der britischen Halbinsel, wo die Welt noch in Ordnung ist, bis Penrose Lee Miller dazu überredet, mit ihm nach London zu kommen. Anfänglich tut Lee sich schwer in London eine Berufung zu finden, aber mit Unterstützung der Herausgeberin Audrey Withers (Andrea Riseborough) wird sie als Fotografin bei der britischen Vogue eingestellt. In der von Männern dominierten Verlagsszene knüpfen die beiden Frauen schnell ein enges, freundschaftliches Band, und Audrey hilft Lee dabei, ihre Fotografien von dem durch den Blitz zerstörten London zu publizieren. Doch Lee will das tatsächliche Kriegsgeschehen von Nahem dokumentieren und reist, trotz der Schwierigkeiten, die ihr als Frau auf diesem Weg begegnen, gemeinsam mit ihrem befreundeten Fotograf und Arbeitspartner David Scherman (Andy Samberg) nach Frankreich in Frontnähe. Eine wilde Hetzjagd beginnt, in der Lee Miller den Krieg über Ländergrenzen hinweg verfolgt, entschlossen, kein Kriegsverbrechen undokumentiert geschehen zu lassen.
Ellen Kuras war bisher hauptsächlich als Kamerafrau und Dokumentarfilmerin bekannt. Ihr erster Spielfilm schwankt oft gefährlich zwischen romanhafter und dokumentarischer Erzählung, wodurch er sich leider immer wieder im Ton vertut. Wenn auch optisch sehr ansprechend und stimmungsvoll, ist die erste halbe Stunde eine Aneinanderreihung von idyllischen, klischeehaften, romantischen Bildern, gepaart mit abgedroschenen Dialogen. Lee Miller wird als Figur und Person, abgesehen von ihrer vergangenen Karriere als Model, ohne großartige Hintergrundgeschichte eingeführt. Den Film in dem Moment beginnen zu lassen, in dem sie ihren Mann kennenlernt, ist zusätzlich eine zweifelhafte Herangehensweise, gerade wenn einem Lees Vergangenheit erst sehr spät im Film und dann auch nur bruchstückhaft näher gebracht wird.
“Die Fotografin” unterbricht kaum eine sehr klassische und geradlinige Erzählstruktur, die für eine Filmbiografie über menschliche Brutalität und Verbrechen sehr statisch und distanziert bleibt. In diesem Fall sagen Bilder wirklich mehr als Worte, denn mit Beginn des zweiten Weltkriegs ebbt der romantische Filter etwas ab, die Szenen von der Front und aus den KZ-Lagern sind unglaublich eindrucksvoll. Aber sie büßen durch die erste halbe Stunde des Films und die Art, wie er sich zu Beginn präsentiert, an Wirkung ein. Mit am beeindruckendsten ist dabei die Szene, wie Lee eines ihrer berühmtesten Bilder inszeniert, nackt in Hitlers Badewanne am Prinzregentenplatz. Wir sehen Lee Millers Lebenswerk, ihre Arbeit, wie sie sehr treffend von Kate Winslet porträtiert wird. Aber auf menschlicher Ebene wird sie oberflächlich betrachtet und bleibt dadurch leider für uns ein Mysterium.
“Die Fotografin” erscheint am 19. September2024 in den deutschen Kinos.