„It’s the most wonderful time of the year…“ – Weihnachten mitten im Mai? Ja! Und alle anderen Feste noch mit dazu. Die Eurovision Woche, mein persönliches Highlight des Jahres, neigt sich dem Ende zu und gipfelt heute Abend im großen Finale des 67. Eurovision Song Contests.
Nachdem sich im letzten Jahr das Kalush Orchestra mit ihrem folkloristischen alternativen Hip-Hop Song „Stefania“ für die Ukraine mit einem überwältigenden Televote-Ergebnis die begehrte Throphäe gesichert hatten, steigt die europaweite Musik-Party dieses Jahr im britischen Liverpool. Der Zweitplatzierte im letzten Jahr, Sam Ryder (den wir im Herbst übrigens auch beim SWR3 New Pop Festival live erlebt haben), hat in UK das ESC-Fieber neu entfacht. Die besten Voraussetzung für die gemeinsame Co-Gastgeberschaft mit der Ukraine in diesem Jahr. Das Motto des diesjährigen ESC’s „United By Music“ schafft es hier perfekt die Brücke zu schlagen zu dem, was den Wettbewerb nicht nur in diesem Jahr zu etwas sehr Besonderem macht: Die Show bringt Kultur aus den verschiedensten Ländern Europas zusammen schafft dadurch ein einmaliges Gefühl von Togetherness und trägt zu gegenseitigem Verständnis bei.
Nachdem wir in Lissabon 2018 und Tel Aviv 2019 live vor Ort mit dabei waren, habe ich mich in diesem Jahr wie auch bereits 2022 fürs virtuelle Pressezentrum akkreditierten lassen und konnte somit offizielle Durchlaufproben der Künstler:innen online live mitverfolgen. Nachdem am Donnerstagabend auch das zweite Halbfinale erfolgreich über die Bühne gegangen ist, kennen wir nun alle Teilnehmer:innen, die am Samstagabend beim großen Finale mit dabei sein werden (Bis auf die Big 5* müssen sich alle anderen Kandidat:innen in zwei Halbfinals dem Publikumsvotum stellen). Im Finale wetteifern alle 26 Acts um den gläsernen Kristallpokal.
In altbewährter Tradition wollen wir euch an dieser Stelle daher einen Vorgeschmack auf alle zu erwartenden Performances geben. Wie immer sei vorangestellt: Es handelt sich um meine ganz subjektiven Eindrücke und Gedanken. Das Finale des Eurovision Song Contests beginnt am 13. Mai um 21 Uhr deutscher Zeit und kann in der ARD live mitverfolgt werden. Eines ist klar: Es wird eine mitreißende, bunte Show werden, die uns einmal quer durch alle Musikgenres mitnimmt. Und am Ende werden wir wissen: Wer gewinnt den Eurovision Song Contest 2023 und wo werden die deutschen Kandidaten, die Hamburger Dark-Rock Metal Band Lord of the Lost landen?
*Was ist die Big 5? Italien, Spanien, Großbritannien, Frankreich und Deutschland sind die größten Geldgeber European Broadcasting Union (EBU) und stellen eine wichtige Zuschauergruppe, insbesondere beim Finale, dar. Daher sind diese fünf Länder automatisch für das Finale gesetzt.
01 Österreich – Den Preis für einen der wohl eigängigsten ESC-Songs des diesjährigen Jahrgangs dürfte an die beiden Österreicherinnen Teya & Salena gehen. Getreu nach dem Motto: einmal gehört, nie vergessen setzte sich ihr frecher Popsong „Who the hell is Edgar?“ direkt in den Gehörgängen fest. Doch der Song ist noch einiges mehr: Denn auch wenn im Song der Name des Schriftstellers Edgar Allan Poe nicht nur einmal fällt, kann der Song auch verstanden werden als eine Art Parodie an ihre Arbeit als Songwriterinnen.
Meine Wertung: 3,5 / 5
02 Portugal – In diesem Jahr gibt es aus Portugal keinen Fado, sondern vielmehr Cabaret. Soulsängerin Mimicat setzt bei diesem Song auf ihre Stimme und ihre gute Ausstrahlung. „Ai Coração“ bringt eine ganz neue Farbe zum Eurovision Song Contest und macht definitiv viel Spaß. 0,5 Extra-Punkte für die Stimme.
Meine Wertung: 2,5 / 5
03 Schweiz – Remo Forrer, der Gewinner von „The Voice of Switzerland„, steht in Liverpool mit der Ballade „Watergun“ auf der Bühne. Und dies gelingt wahrlich gut: Der junge Künstler hat einen wirklich gelungenen Auftritt und auch bei seinem Gesang sitzt jeder Ton. Ich muss sagen, Remo hat mich mit den Liveauftritten dieses Antikriegssongs in Liverpool jeden Tag ein bisschen mehr überzeugt.
Meine Wertung: 3,5 / 5
04 Polen – Polen schickt mit Blanka und ihrem Song „Solo“ DAS Meme dieses Jahrgangs in den Wettbewerb. Ihre ganz besondere Art, die erste Textzeile auszusprechen „Beyba, it’s kinda krejza“ haben ihr den Spitznamen Beyba verschafft – und es ist sicher kein Wunder, dass Blanka’s Song auf YouTube angezeigt wird, wenn man genau danach sucht. Der Song selbst ist eine radiotaugliche Sommernummer mit Latinoflair, kann man sich gut anhören, würde man aber im Finale auch nicht unbedingt vermissen.
Meine Wertung: 1,5 / 5
05 Serbien – Nachdem Serbien im letzten Jahr mit der künstlerisch anspruchsvollen Performance von Kontsrakta einen tollen fünften Platz beleget hat, schickt sich in diesem Jahr der Sänger Luke Black an, sein Land ebenso würdig zu vertreten. Der düstere Elektrosong „Samo mi se spava“ ist fast ein wenig verstörend und Luke wirkt in der Inszenierung wie in einem riesigen Videospiel gefangen. Für mich einer meiner absoluten Favoriten.
Meine Wertung: 4,5 / 5
6 Frankreich – Unser Nachbarland schickt in diesem Jahr die Kanadierin La Zarra ins Rennen – divenhaft und mit großer Stimme präsentiert sie ihr Lied „Évidemment„, welches als klassisch französischer Chanson startet, sich schnell aber zu einem tanzbaren Popsong mausert. Beim diesjährigen ESC verweilt La Zarra auf einer überdimensionierten Litfaßsäule und verwandelt die Bühne in eine Disco.
Meine Wertung: 3 / 5
7 Zypern – Andrew Lambrou, der in Autralien lebt, und dort auch bereits 2022 beim australischen Vorentscheid als Kandidat teilgenommen hat, tritt nun, ein Jahr später, für Zypern an. Seine Popballade „Break A Broken Heart“ singt der Künstler auf der ESC Bühne dramatisch vor einem fake Wasserfall. Ein Song, der nicht negativ auffällt, mich jedoch auch nicht vom Stuhl reißt.
Meine Wertung: 2,5 / 5
8 Spanien – Nach dem riesengroßen Erfolg für Chanel im letzten Jahr (Platz 3), schickt Spanien 2023 einen komplett unterschiedlichen Beitrag ins Rennen. „Eaea“ der Sängerin Blanca Paloma ist 100% Flamenco und die Inszenierung unterstreicht diese darüber hinaus noch weiter. Ein in sich völlig runder Beitrag, der definitiv seine Liebhaber finden wird, und das auch zurecht. But: It’s not my cup of tea.
Meine Wertung: 2 / 5
9 Schweden – Queen Loreen is back! Die schwedische Eurovision Siegerin von 2012 („Euphoria„) ist 2023 zum zweiten Mal mit dabei. Mit ihrem toll produizierten und inszenierten Popsong „Tattoo“ hat sich die Künstlerin als Top-Anwärterin auf die ESC-Krone angemeldet. Man darf gespannt sein, ob es einen Favoritensieg geben wird oder ob am Ende einer ihrer Mitstreiter:innen ganz oben stehen wird.
Meine Wertung: 3 / 5
10 Albanien – Die gebürtige Kosovoalbanerin Albina wurde bekannt durch ihre Teilnahme an „The Voice of Albania“ und bringt für die Performance ihres Songs „Duje“ ihre ganze Familie mit auf die Bühne. Der Song, getrieben durch Ethnorhythmen, kommt mit einer typisch-albanischen Inszenierung mit viel rot und schwarz daher und macht dennoch (oder gerade deswegen?) Eindruck. Mir gefällt’s.
Meine Wertung: 3,5 / 5
11 Italien – Mit Marco Mengoni ist ein weiterer Eurovision Wiederholungstäter am Start. 2013 belegte der charismatische Sänger mit seiner Ballade „L’Essentiale“ den siebten Platz für Italien, nun versucht er sein Glück erneut, und zwar mit dem Liebeslied „Due vite„, welches aus meiner Sicht noch stärker ist als sein Beitrag von vor 10 Jahren. Marco kann einfach Balladen und große Gefühle. Sidenote: Die Autorin dieses Beitrages freut sich schon ungemein auf Marocs Münchenkonzert im November.
Meine Wertung: 5 / 5
12 Estland – Für Alika ist weniger mehr. Hauptasset dieser Performance ist Alikas grandiose Stimme. Die Stimme der Teilnehmerin von „Estonian Idol“ trägt die gefühlvolle Ballade über 3 Minuten ohne einen einzigen Wackler. „Bridges“ ist eine der wenigen klassischen Balladen, die von einer Frau gesungen werden in diesem Jahr. Daher sollte der Beitrag seine Voter finden.
Meine Wertung: 2 / 5
13 Finnland – „It’s crazy, it’s party!“ – „Cha cha cha„, der ESC-Beitrag des finnischen Rappers Käärijä ist alles andere als konventionell. Der Song besteht im Grunde aus zwei Teilen: einem ersten recht Metal-Rap lastigen Part und einem zweiten poppig-schlageresken Part – a combo we never knew we needed. „Cha cha cha“ macht Spaß, ist verrückt, ein bisschen drüber und dabei noch komplett auf Finnisch. What’s not to love?! Mein persönlicher Gewinnersong. Fun fact: Ich werde seit dem finnischen Vorentscheid jeden Morgen „sanft“ von diesem Song aus dem Schlaf gerissen und liebe ihn noch immer wie am ersten Tag. 🙂
Meine Wertung: 5 / 5
14 Tschechien – „My Sister’s Crown“ der Band Vesna ist eine slawische Frauenpower Hymne, in welcher slawische Motive mit Elektrobeats und Rap vermischt werden. Im Song singen die sechs Mitglieder in vier Sprachen – neben Englisch auf auf Bulgarisch, Ukrainisch und Tschechisch. Die ganz in rosa gehaltene Performance reißt mit und unterstreicht eindrucksvoll die Message des Liedes.
Meine Wertung: 4 / 5
15 Australien – 2022 nahm die australische Progressive Rockband Voyager beim australisischen Vorentscheid teil und belegte einen guten zweiten Platz. Ein Jahr später wurden sie vom australischen TV-Sender direkt nomminiert und vertreten nun Down Under mit dem Song „Promise„, der am Samstag die 80er Jahre in unsere Wohnzimmer zurückbringt. Fun fact: Sänger Danny ist gebürtig aus Deutschland, somit stehen beim diesjährigen ESC im Grunde zwei Rpcksongs mit deutscher Beiteiligung zur Auswahl.
Meine Wertung: 3,5 / 5
16 Belgien – Belgien schickt in diesem Jahr mit „Because Of You“ eine Club-Hymne ins Rennen. Sänger Gustaph singt diese perfekt und sorgt für beste Stimmung. Der Song erinnert an den Sound der späten 90er und frühern 2000er. Für Gustaph ist es bereits die dritte Teilnahme am Eurovision Song Contest: 2018 war er bereits als Backing-Singer für Sennek und 2021 für Hooverphonic mit dabei – nun zum ersten Mal ganz alleine im Rampenlicht.
Meine Wertung: 3 / 5
17 Armenien – Die junge Sängerin Brunette – eine der jüngsten im gesamten Feld – setzt bei der Performance ihres Beitrages „Future Lover“ auf eine sehr anmutige Inszenierung. Während der Anfang eher langsam vor sich dahinplätschert, „erwacht“ der Song plötzlich mit einem Rap-artigen Part in der Mitte, was ihm auch sehr gut tut. Ihre Vorgängerin Rosa Linn belegte im letzten Jahr für Armenien einen 20. Platz – ihr ESC-Song „Snap“ wurde jedoch im Anschluss – über TikTok – zum Welthit.
Meine Wertung: 2,5 / 5
18 Moldau – Auch Pasha Parfeni ist nicht zum ersten Mal beim ESC mit dabei. Bei Loreens Sieg 2012 belegte der modawische Sänger damals Platz 11, nun versucht er sein Glück erneut. „Soarele şi Luna“ ist eine von Ethnobeats untermalte Elektrotanznummer, die von einer mystischen Inszenierung untermalt wird. Ich jedenfalls fühle mich gut unterhalten.
Meine Wertung: 3 / 5
19 Ukraine – Im letzten Jahr holte das Kalush Orchestra die Krone in die Ukraine – Wie wird es ihren Nachfolgern TVORCHI 2023 ergehen? „Heart of Steel“ zeigt, dass die Ukraine auch durch moderne Elektrosounds überzeugen kann. Das Duo bestehend aus Producer Andrii und dem Sänger Jimoh bringt in dem Song urban Beats sehr überzeugend auf die Bühne. Ich mag den Vibe des Tracks einfach und ich denke, Top 10 sollte durchaus möglich sein.
Meine Wertung: 3,5 / 5
20 Norwegen – Die junge Norwegerin mit italienischen Wurzeln Alessandra steht in Liverpool mit ihrem Song „Queen of Kings“ auf der Bühne. Dessen Melodie und Rhythmus klingen 100% nach ESC und erinnern an alte Sea Shanties. Kein Wunder also, dass der Song bei TikTok extrem erfolgreich ist. Ich gehen stark davon aus, dass wir die Sängerin mit diesem Titel im Finale weit vorne im Tableau wiedersehen werden.
Meine Wertung: 4 / 5
21 Deutschland – In diesem Jahr gibt es keinen Radio-Popsong aus Deutschland. Denn die großen Gewinner des deutschen Vorentscheides „Unser Lied für Liverpool„, die Hamburger Glam Rock und Metal Band Lord of the Lost, schlagen beim ESC härtere Töne an. Ihr Song „Blood & Glitter“ ist dennoch eingängig und dürfte definitiv auffallen. Getreu dem Motto: Mehr ist mehr. Mir gefällt der Song persönlich extrem gut und ich drücke den Jungs morgen alle Daumen. Wo sie damit landen werden? Man darf gespannt sein.
Meine Wertung: 4,5 / 5
22 Litauen – Auch die Sängerin Monika Linkytė ist eine Altbekannte. Nachdem sie ihre Land bereits 2015 vertreten hatte, ist sie 2023 wieder mit dabei. Ihr Song „Stay“ mit der eingängigen Hook im Chorus „Čiūto tūto“Stay“ ist eine klassische Ballade, mit der Monika zu überzeugen weiß. Für mich ein wahnsinnig schöner, warmer und vor allem unaufgeregter Auftritt. Wird Monika die neue Maro? (Wer sich nicht mehr so genau erinnert: Maro hat 2022 Portugal mit einer sehr ruhigen Nummer vertreten und für eine Top 10 Platzierung gesorgt) Ich würde es nicht ausschließen.
Meine Wertung: 4 / 5
23 Israel – Israel wird in diesem Jahr von einem der größten Popstars des Landes vertreten, Noa Kirel. Ihr Beitrag „Unicorn“ ist perfekt auf die Bühne gebracht, oder sind es doch eher drei Songs? „Unicorn“ wechselt ständig von einem Genre zum anderen und hat am Ende sogar noch einen Dancebreak. Was die „Schulzgeste“ mit diesem Song zu tun hat und warum der Auftritte phenomen-phenomen-phenomenal wird? Ihr werdet sehen.
Meine Wertung: 2 / 5
24 Slowenien – Nach 2022 schickt Slowenien wieder eine Rockband, dieses mal mit Joker Out jedoch ein paar Nummern größer. Ihr Titel „Carpe Diem“ macht einfach nur Spaß und man merkt den Jungs an, dass sie eine Riesenfreude auf der Bühne haben. Dazu kommt, dass das Lied wirklich gut ist (certified by me 😉 ) Der Titel des Songs „Carpe Diem“ kommt im gesamten Stück übrigens kein einziges Mal vor. Ich drücke Joker Out die Daumen und werde am Samstag wohl das ein oder andere Pünktchen an Slowenien schicken.
Meine Wertung: 4,5 / 5
25 Kroatien – Die kroatische Band Let 3 sind in Kroatien und generell in der gesamten Region keine Unbekannten. Seit 1987 steht die Combo gemeinsam auf der Bühne und ist bekannt für gewagte Liveauftritte. „Mama ŠČ“ ist sperrig, ein Antikriegslied und die Kostüme sind eine Mischung aus Drag und Military Style. Ich war in der Tat sehr froh, dass Kroatien am Dienstag das Finalticket gezogen hat, denn – ja, der ESC soll per se nicht politisch sein – aber es wäre wahnsinnig schade, wenn ein Song mit dieser Botschaft nicht ins Finale gekommen wäre.
Meine Wertung: 2,5 / 5
26 Großbritannien – Mae Muller kenne ich noch als kleines Mädchen aus dem „Grace Kelly“ Musikvideo des letztjährigen Eurovision Moderators MIKA. Jetzt ist die Gute ein paar Jährchen älter und vertritt ihr Heimatland Großbritannien beim ESC in Liverpool mit der poppigen Tanznummer „I Wrote A Song„. Die Inszenierung mit Backdrops im Pop Art Stil weiß zumindest visuell zu überzeugen.
Meine Wertung: 1,5 / 5