Heute erscheint „Our Inventions“, das aktuelle Album der Electronic-Indie-Band Lali Puna. Wir haben Frontfrau Valerie Trebeljahr in Berlin zum Interview getroffen.
Fünf Jahre sind vergangen seit Eurem letzten Album „Faking The Books“. Jetzt seid Ihr mit „Our Inventions“ wieder da. Wie kam es zu dieser langen Pause?
Die Pause hat sich einfach ganz natürlich ergeben weil Markus (Markus Acher, Mitglied von Lali Puna und Lebensgefährte von Valerie Trebeljahr Anm. d. Red.) Notwist gemacht hat. Das ist sehr zeitintensiv, bis ein Album steht, rausgebracht wird und damit getourt wird. Zum anderen hat es sich dadurch ergeben, dass ich ein Kind bekommen habe, dann war auch klar, dass jetzt erstmal Pause ist. Meine Tochter wird auch mit auf Tour kommen, das wird spannend.
War es eine große Umstellung, als Mutter als Musikerin wieder aktiv zu werden? Man muss sich ja seine Zeit plötzlich genau einteilen und kann nicht mehr immer dann arbeiten, wann einem danach ist.
Das ist eine Riesen Umstellung gewesen, auf jeden Fall. Wir haben von „Faking The Books“ auf „Our Inventions“ ganz viel vom Aufnahmeprozess her geändert. Es war seltsam für mich, praktisch ins Studio zu gehen zur Arbeit – Kind, Kindergarten, dann schnell los legen, und um drei läuft einer und holt das Kind wieder ab. Das war alles sehr regelmäßig und ich habe auch gedacht wie unkreativ, aber eigentlich war es total entspannt. Früher haben wir oft sehr lange gearbeitet, da gibt es irgendwann diesen Verzweiflungspunkt, wo man zwischen fünf und sechs alles total schrecklich findet und denkt „Oh Gott, ich muss das Stück wegschmeißen!“ Da sind wir diesmal nie hingekommen, weil wir vorher immer aufhören mussten und bis zum nächsten Tag warten mussten, bis wir weitermachen konnten. Dann konnte man das Ganze nochmal frisch hören und intuitiv Entscheidungen treffen, so ist man nur sehr selten an den Punkt gelangt wo man gesagt hat „Ich weiß nicht mehr weiter“.
„Faking The Books“ klang ja damals wie eine richtige Bandplatte. „Our Inventions“ ist wieder ein elektronisches Album, sehr zurückgenommen im Vergleich. Ich finde, es knüpft mehr an die älteren Alben wie „Scary World Theory“ an.
Das ist auch so gemeint. Uns allen war klar, dass wir von dem, was wir bei „Faking The Books“ gemacht haben, wieder weg wollen. Das ist vorbei, und dann will man natürlich beim neuen Album wieder etwas anderes machen. Unsere Idee war ja eigentlich – oder meine (lacht) – ich hätte wahnsinnig gern etwas Tanzbares gemacht, weil wir das noch nie gemacht haben, wirklich was ausprobieren, was ganz anders ist. Das Problem war, dass wir feststellen mussten, dass wir es nicht können. Wir haben viel versucht, es ging einfach nicht. Wir standen da und haben uns Sachen angehört, die im Tanzflächenbereich gemacht werden, haben das genau analysiert, und dann festgestellt, dass uns das gar nicht so gefällt. Für die Tanzfläche produziert man auch ganz anders als für zu Hause. Irgendwann war dann die Frage: „Was wollen wir eigentlich?“ Eine Zeit lang haben wir noch überlegt, ob wir uns einen Produzenten suchen, der das mit uns besser herstellen kann. Dann haben wir aber beschlossen, dass das eine totale Verbiegung wäre und uns einfach nicht liegt. Also haben wir uns entschieden, uns auf das Elektronische zu reduzieren, nur eben nicht tanzbar.
Ich persönlich kriege bei Eurer Musik ja immer romantische Gefühle. Wenn man aber auf Eure Texte hört, stellt man fest, dass es da sehr selten um Liebe geht.
Auf „Our Inventions“ sind diesmal tatsächlich zwei Stücke drauf. Zum einen finde ich es unglaublich schwer, ein gutes Liebeslied zu schreiben, weil natürlich schon so unglaublich viele existieren, da muss man immer etwas finden, das anders ist. Zum anderen fällt es für mich flach, dadurch dass Markus und ich zusammen in der Band spielen. Oder es müsste andere Musik sein, wie diese Duos aus den Sechziger Jahren, die zusammen über Liebe singen, das ist dann was anderes. Ich wollte das irgendwie nicht. Auf „Bad Day“ wollte Markus unbedingt mitsingen und ich meinte „Nein, das ist doch total kitschig, wenn Du da auch noch mitsingst!“ (lacht) Wir haben es im Endeffekt gemacht, das war für mich aber ein Riesen Schritt mit mega Diskussionen.
Inhaltlich geht es in „Our Inventions“ ja viel um Technik, Fortschritt und das Leben damit im Alltag.Wie kommen die Themen zu Dir, über die Du schreibst?
Generell finde ich es gut, in Texten Beobachtungen zu machen. Mir sind die Texte wahnsinnig wichtig. Mich freut es immer, wenn ich bei Bands merke, dass das jetzt nicht nur private Texte sind oder nicht nur Liebeslieder, sondern wenn man merkt okay, die beschäftigen sich auch noch mit was anderem. Oder meinetwegen auch abstrakte Dinge, nur dass die Texte eine eigene Rolle spielen. Für mich ging es auf der Platte viel um Fragestellung, der Themenkomplex wie verändert sich die Welt in Hinblick auf Technik. Das ist ja gerade extrem. Und warum gibt es diese Diskrepanz : Einerseits das Gefühl es passiert nichts Neues mehr, weil man ja schon in 2010 angelangt ist, es war schon so viel da und es wiederholt sich so viel. Gleichzeitig überstürzt sich im Sinne von Technik alles, Kommunikation wird revolutioniert.
Wie empfindest Du das, was sich im Bereich der Musikvermarktung an Neuerungen ergeben hat? Twitter, Facebook, Myspace? Wie fühlt sich das an, vor allem wenn man sich nach fünf Jahren musikalischer Pause damit beschäftigt? Myspace ist ja schon länger ein Thema, aber plötzlich hat jede Band ein Facebook Profil und ein Twitter Account…
Twitter haben wir gar nicht. Ich wüsste gar nicht, was ich da reinschreiben soll. Wir haben ein Facebook Account, weil wir dazu quasi verdonnert worden sind. Ich persönlich habe mich da ganz lange Zeit verweigert. Ich arbeite seit 1993, seit ich angefangen habe zu studieren, mit dem Internet. Wenn man da von Anfang an dabei war, hat man viel stärker diese Panik – was passiert mit meinen Daten. Das fragen sich ja Leute, die heute anfangen was damit zu machen gar nicht mehr, aber wenn man das von den Anfängen her kennt denkt man sich oh Gott, was machen die nur. Dann überlegt man sich eben genauer, was schreibt man da rein. Ich finde es wichtig, dass man sich dessen bewusst ist, dass man im Internet Spuren hinterlässt, dass alles nachvollziehbar ist. Also, ich sehe die Vorteile von Facebook, total. Ich bin auch nicht technik feindlich, gar nicht. Ich will nur einfach drüber reflektieren und auch irgendwie sagen können, das und das will ich nicht. Und das ist so schwierig geworden heutzutage! Du weißt ja gar nicht wie Google funktioniert. Du weißt nicht, wie Facebook richtig funktioniert. Es wird eben so kompliziert, dass man es nicht mehr durchblickt.
Wo denkst Du wird die Entwicklung von Musik im Internet hinführen? Was wird das Medium Internet auf längere Sicht auch für Labels bedeuten? Ihr habt die Gründung Eures Labels Morr Music ja von Anfang an miterlebt.
Es zeichnet sich ja jetzt schon ab, für Plattenläden wird es einfach schwierig werden. Ich werfe das auch niemandem vor, denn ich sehe es an mir selber. Ich hör mir erstmal was auf Last FM an, und wenn es nicht wirklich wahnsinnig gut ist, dann kaufe ich es mir auch nicht. Letztendlich muss man sagen die Zeiten ändern sich, und so ist es nunmal. Morr Music agiert ja auch extrem taktisch, sie versuchen vorausschauend zu arbeiten, und deshalb gibt es dieses Label überhaupt noch, im Gegensatz zu vielen anderen. Man muss schauen wo das Geld her kommt. Ich glaube aber, so eine Art Label wird es schon immer noch geben, da zumindest wir als Band nicht Marketing-strategisch denken und ich auch überhaupt keinen Bock auf diese Seite habe. Ob es sich dann Label oder Management schimpft, irgendetwas wird es auf der Seite auf jeden Fall geben. Die Frage ist eher, wer daran verdient, ob es nicht dann doch wieder nur die Großen sind und es für die Kleineren eine Zeit lang gar nicht mehr geht. Das kann schon sein. Und dann wird sich aber irgendwann wieder eine neue Nische auftun, das ist der Lauf der Dinge. Wir als Lali Puna haben Glück, dass wir eine ziemlich nahe Fanschaft haben, die immer noch sagt, das kauf ich mir. Je größer die Band, desto größer ist die Distanz, da sagt man vielleicht eher „ich lad mir das einfach runter“.
Ihr seid ja demnächst wieder auf Tour. Wie werdet Ihr das Album auf der Bühne umsetzen?
Das wissen wir noch nicht. Das ist bei Lali Puna das Problem, wir denken immer nur in Mini Schritten. Wir machen diese Stücke, tragen sie ins Studio, und danach kommt dann die Stufe wie man sie live umsetzt. Dadurch dass die Platte ruhiger ist, muss man wahrscheinlich einiges umarrangieren, damit sie live funktioniert. Das war bei „Faking The Books“ viel einfacher. Weil die an sich so nach vorne los ging, konnte man sie relativ direkt übersetzen. Ich schätze das wird noch einmal viel Arbeit. Es ist auch ganz schwierig von der Instrumentierung her, weil wir eben die Entscheidung getroffen hatten, kein echtes Schlagzeug auf der Platte einzusetzen, jetzt müssen wir sehen, was der Schlagzeuger machen wird, ob er zum Beispiel E-Drums spielen wird. Live hat das alles nochmal etwas ganz anderes als auf Platte, einen Krautrock Aspekt, den wir gerne ausbauen. Mal sehen, wie wir das bei „Our Inventions“ umsetzen werden.
Ich bin sehr gespannt darauf! Viel Glück mit „Our Inventions“ wünsch ich Euch!
Interview: Gabi Rudolph
Fotos (c) Lynn Lauterbach