Interview mit Danny Griffiths und Dave Pen von Archive – Teil 1

Es ist das zweite Interview, das wir mit Archive führen durften. Das letzte ist schon fast zwei Jahre her (Teil 1 und 2), fand per Telefon und nur mit Danny statt. Am Tag nach ihrem Auftritt bei der Geburtstagsfeier von Radio 1 und Eröffnungsfeier der Berlin Musik Week durften wir Danny und Dave im Michelberger Hotel treffen. Abends haben sie dann noch ein wundervolles Akustikkonzert gespielt. Eigentlich hätten sie beim Konzert am Vortag mit Orchester auftreten sollen – das zweite Mal in Berlin -, aber das Orchester ist leider ausgefallen. Die Gründe dafür werden im folgenden Interview erläutert. Des Weiteren haben wir im ersten Teil über Simon Lole, den String Arrangeur von „With Us Until You’re Dead“, die fehlenden Texte im Booklet und Veränderungen geredet.  Viel Spaß beim Lesen!

Das war ein nettes Konzert gestern.

Danny: Es war stressig, aber gut. Wir hatten einen schlechten, chaotischen Sound. Wir haben seit einer langen Zeit nicht mehr live gespielt. Es waren nur ein paar technische Probleme, aber ansonsten… die Hauptsache war, dass sich für uns die Songs live gut angefühlt haben. Es hat sich großartig angefühlt, die neuen Songs live zu spielen, aber dieser technische Scheiß passiert halt manchmal.

Danny: Glücklicherweise haben fast alle Leute, mit denen ich gesprochen habe, gesagt „Oh nein, es war schlecht, aber es war nur ziemlich schlecht während des ersten Songs, danach war es in Ordnung“.

Ich habe das Orchester vermisst. Ich habe schon das letzte Konzert (2011) mit einem Orchester verpasst.

Dave: Wir hatten einfach nicht genug Zeit. Wir haben sehr hart daran gearbeitet, die Benutzung des Orchesters zu beherrschen und bei dem Orchester gestern… Wir haben leider nicht genug Zeit gehabt um es zusammen mit dem Orchester gut klingen zu lassen. Wir dachten, es sei eine gute Entscheidung nicht mit ihnen zu arbeiten, weil wir es nicht gut klingen lassen konnten.

Danny: Um ehrlich zu sein: es war eine einvernehmliche Entscheidung, das Orchester hat sich nicht wohl dabei gefühlt mit uns zu spielen. Sie waren nicht daran gewöhnt. Sie konnten sich selber nicht hören. Alles was sie wahrscheinlich hören konnten, war das Schlagzeug. Es hat einfach für keinen von uns funktioniert – weder für uns als Band noch für das Orchester und wir waren alle irgendwie glücklich, diese Entscheidung getroffen zu haben. Wir waren besorgt, dass wir sie vielleicht beleidigen könnten, aber sobald wir das erwähnt haben, meinten sie: „Ja, klar. Wir wollen es selber auch nicht machen“.

Ich bin einfach nur traurig, dass ich es schon wieder verpasst habe.

Danny: Wir werden es wieder machen. Wir haben schon öfters mit Orchestern zusammengearbeitet und es war genial, wenn wir es wirklich gemacht haben und es funktioniert hat. Es ist ein großer Job, wenn ein Orchester involviert ist. Es ist nicht die einfachste aller Sachen, nicht nur für uns. Es läuft darauf hinaus, dass wenn wir gestern zugesagt hätten, wir die technischen Probleme gehabt hätten und dann noch das Orchester involviert gewesen wäre, es sich wie ein verdammter Haufen Scheiße angehört hätte. Es wäre furchtbar gewesen, oder nicht? Es wäre miserabel geworden, weil es drei bis vier mal schlimmer geworden wäre und deswegen bin ich froh darüber. Aber wenn es funktioniert, dann ist es ein großartiges Erlebnis. Und wir werden es wieder tun. Wenn es nach Darius ginge, dann hätte wir bei jedem Konzert ein Orchester, oder nicht?

Dave: Wahrscheinlich.

Habt ihr eure Art zu spielen verändert, wenn ihr mit einem Orchester spielt?

Dave: Das musst du. Ich denke, bei Archive haben wir, wie du selber weißt, diese große Wand aus Geräuschen und man kann das nicht einfach mit einem Orchester machen, weil es einfach nicht durchdringen würde – man muss es ein wenig reduzieren. Wir spielen dann mehr akustisch und ein wenig sanfter. Als wir es das erste Mal gemacht haben, das war in Belgien, haben wir einfach alles so gemacht wie wir es normalerweise tun. Wir haben da viel gelernt, weil es zwar ein Orchester gab, aber egal was sie auch getan hätten, als alles eingesetzt hat, konnten sie die Verzerrung und das Schlagzeug nicht durchdringen. Also, man muss es auf einen anderen Weg angehen und ich denke, das war das Problem gestern. Wir hatten nicht wirklich genug Zeit um uns zu konzentrieren und mit dem Orchester zu proben.

Danny: Wir hätten es so getan, wie wir den Sound eben machen. Also, das Orchester hatte keine Chance. Und was du auch noch über Orchester wissen musst: sie sind ein seltsamer Haufen. Ich würde niemals über sie herziehen, aber sie sind einfach seltsam. Sie tun Dinge auf eine bestimmte Art und Weise, da sie sehr reglementiert in ihrer Art zu arbeiten sind. Es ist einfach die Art, in der sie geschult worden sind, und das ist sehr verschieden von der Art wie wir Dinge tun.

Dave: Der Unterschied zwischen Klassik und Rock’n’Roll, nicht wahr?

Danny: Ein maximaler Unterschied gewissermaßen. Aber als wir mit dem Supersonic Orchester, mit dem wir auch das Album aufgenommen haben, gespielt haben, war es großartig. Sie sind genial. Sie begeistern sich einfach dafür. Man kann sehen, dass sie es wirklich genießen. Sie haben mit vielen anderen Musikern wie Björk zusammengearbeitet und sind es somit gewohnt nicht nur mit klassischer Musik zu arbeiten und das kann jeder sehen. Es passt wirklich gut.

Wie habt ihr Simon Lole gefunden?

Dave: Das war, weil wir große Fans von Aled Jones sind.

Danny: Er hat mit Aled Jones gearbeitet. [lacht]

Dave: Kennst du den Song „Walking In The Air“? [Danny singt den Song an, höre hier  für eine Impression] Er arbeitet mit dem Jungen, der das gesungen hat und jetzt ein erwachsener Mann ist.

Danny: Um ehrlich zu sein: Simon Lole kam hauptsächlich durch unseren Tourmanager. Wir haben schon vorher mit einem String Arrangeur zusammengearbeitet – Graham, der ist ein erstaunlicher Irrer, und die letzten paar Male brauchten wir einen neuen Arrangeur, da Graham keine Zeit hatte. Simon war verfügbar.

Beide: Er ist ein großartiger Kerl.

Dave: Wenn er mit Orchestern arbeitet, ist er sehr gut darin mit ihnen zu arbeiten, er ist ein guter Kommunikator. Er ist ein sehr talentierter Typ, oder?

Danny: Ist er. Und er liebt es, weil…. es ist merkwürdig. Ich weiß nicht. Ich glaube, sie erleben mit uns ein bisschen ihre Jugend nochmal, weil wir sind verdammte Idioten.

Dave: Die Mehrheit von uns mag Fußball und er mag Fußball und wir mögen Wein und Bier und er mag all diese Dinge und nochmal die klassische Welt und den Rock’n’Roll.

Danny: Er liebt es. Er begeistert sich direkt dafür. Er ist das komplette Gegenteil von dem was er hört.

Er macht Kirchenmusik…

Danny: Oh ja, er macht Kirchenmusik. Er macht Loblieder und all das Zeug am Sonntag.

Danny: Er passt perfekt. Die kleine, dunkle Seite von ihm kommt heraus, was er absolut genießt. Er mag das wirklich. Jeder braucht ein bisschen davon, es kann nicht immer alles positiv sein.

Dave: Um Gottes Willen nein! Wer hat gesagt, der Teufel hat schlimme Sachen gemacht?

Danny: Er hat immer die guten Sachen gemacht.

Du hast mittlerweile ziemlich viele Trommeln, Dave.

Danny: Er übernimmt sich langsam, nicht wahr?

Dave: Das ist definitiv ein weiteres Element, an dem ich persönlich wachse. Ich wusste nicht, ob ich soviel machen würde, als wir das erste Mal darüber gesprochen haben. Ich weiß noch, auf der ersten Stufe des Albums dachte ich „Wow, es gibt eine Menge Drumprogrammierung hier drauf“ und ich dachte „Wie in aller Welt werden wir das machen?“ und dann sagte Darius immer wieder „Wir besorgen dir eine weitere Tom Drum. Und du könntest auch eine weiter Snare bekommen“ und im Grunde genommen bin ich zum Perkussionist, Gitarrist und Sänger geworden. Aber das Gute ist, dass ich persönlich denke, dass es funktioniert. Es ist ein sehr anderes Element. Es ist der einzige Weg, wie wir es machen konnten. Wir wollten einfach nicht die ganzen Drums auf einen Track packen, weil es irgendwie einfach langweilig wäre. Es ist eine richtige Herausforderung alles zum Laufen zu kriegen und ich denke, dass es eine neue Dynamik in den Livesound des neuen Albums bringt. Das ist aufregend. Ich muss mich so sehr konzentrieren, dass es wirklich in Arbeit ausartet. [alle lachen]

Danny: Du arbeitest dir wirklich deinen Arsch ab. Allgemein könnten wir ganz einfach das gesamte Schlagzeug auf ein Hintergrundtape packen usw. und nur mit Smiley [Anm. d. Red.: Schlagzeuger von Archive] arbeiten, aber wir wollen dem Punkt die Musik von Archive, die Dynamiken, live wiederzugeben, so nah wie möglich kommen. Man kann nicht…

Dave: Wir haben immer Sequenzen und so benutzt und werden das auch immer tun.

Danny: Man bekommt nicht den Aufbau und auch nicht worum es in Archive geht, aber wir wollen es so live wie möglich machen, so dass das Einzige, das wir im Hintergrund haben ein Drumcomputer ist, aber abgesehen davon haben wir Dave und Smiley um es so live wie möglich zu machen. Und wir haben Maria und Holly an den Shakern.

Eine weitere Neuerung.

Danny: Ich weiß, das kam aus dem Nichts heraus. Wir meinten nur „Wie wäre es wenn ihr die übernehmt?“

Dave: Und ich denke, dass wir immer noch daran arbeiten das Album live zu spielen, weil wir für den gestrigen Auftritt nur sehr limitiert Zeit hatten. Wohingegen die Songs anders sein werden, wenn wir die Tour im Oktober starten. Sie werden einige längere Teile haben, weil es ein paar Grooves auf dem Album gibt, die wir nicht entsprechend dem Album formulieren wollen. Wir wollen wirklich mit ihnen experimentieren und Teile haben, die länger sind und verschiedene Zwischenspiele. Wir freuen uns wirklich darauf, das zu machen und es wird sehr aufregend sein.

Danny: Hauptsächlich sind wir so dicht an den Strukturen der Songs geblieben, weil wir dachten mit dem Orchester zu arbeiten.

Ich habe gestern das Vinyl gekauft. Wieso habt ihr keine Texte abgedruckt?

Danny: Jeder fragt uns das.

Dave: Ich weiß, vielleicht hätten wir es auf dem Album, es war nur eine dieser…. Normalerweise machen wir das… Ich weiß gar nicht, wieso wir das nicht gemacht haben… es war einfach eines dieser Alben, oder?

Danny: Naja, wir haben nicht darüber gesprochen. Soweit ich mich erinnern kann, haben wir es folgendermaßen betrachtet: wir wollten das Album simpel halten bis zu dem Punkt, dass…. Die Produktion und die Texte und alles andere sind eigentlich irgendwie chaotisch und es hat einen Wahnsinn für sich, aber in unseren Köpfen es war simpler nach „Controlling Crowds“. Es fühlte sich auf eine Art simpler an.

Dave: Es war nicht so konzeptionell wie „Controlling Crowds“.

Danny: Es war kein Konzeptalbum. Das ist die Sache. Es ist einfach nur ein Haufen Liebeslieder, aber nicht in einem Konzept. Es ist einfach nur der Fakt, dass es alles Liebeslieder sind. Als es zu diesem Album kam und wir drüber gesprochen haben, normalerweise bedanken wir uns bei allen und all das Zeug…

Dave: Es ist das erste Album bei dem wir es nicht gemacht haben.

Danny: Keine „Thank you’s“, keine Texte. Es ist mehr wie „Hier ist das Album, jetzt hört es euch verdammt nochmal an“. [lacht] So ungefähr haben wir darüber gedacht, hört euch einfach nur das Album an und das war es. Wir haben die Texte auf die Facebookseite und überall hochgeladen, was wirklich ziemlich angenehm ist, weil uns alle Fans nach den Texten fragen.

Dave: Jemand hat mich nach dem Text für „Calm Down“ gefragt.

Danny: Ein paar Leute haben danach gefragt. Freaks. Weißt du, „Calm Down“ ist das instrumentelle Stück und Leute fragen nach dem Text dafür.

Vielleicht denken sie, dass sie den Text verpassen.

Danny: Es gibt merkwürdige kleine Sounds im Hintergrund, wo ich ein wenig herumgebastelt habe. Vielleicht denken sie ja, dass das Texte sind, aber sie sind es nicht.

Dave: Ich höre immer so etwas wie ein Mariachi Ding im Hintergrund ablaufen. Da läuft etwas merkwürdiges ab, das ich jedes Mal höre.

Danny: Es ist fast so, als ob man eine Platte rückwärts abspielt…

Dave: Das schon wieder. [lacht]

Weiter geht es im zweiten Teil des Interview. Dann gibt es mehr zu erfahren über die beiden weiblichen Mitglieder des Kollektivs, Maria Q und Holly Martin, das nächste Album, England und Alkohol. Die Daten für die nächste Tour wird es dann auch geben.

Interview: Dörte Heilewelt

Die englische Version des Interviews kann man auf Dörtes Blog nachlesen.

https://www.archiveofficial.com/
https://www.simonlole.com/