„Ich bin ein 40jähriger Mann, der glücklich ist mit dem was er macht.“ – Interview mit Danny Griffiths von Archive

Die britische Band Archive hat einen neuen Weg gewählt, um ihre erste Live Archive portrait joinertDVD zu produzieren: Sie hat einen Pledge eingerichtet. Fans können dort etwas von ihrer Lieblingsband kaufen und damit die Band und ihr Projekt finanziell unterstützen. Gleichzeitig geht ein Teil des Geldes an eine Hilfsorganisation. „Pledgen“ kann man u.a. alte Singles, Shirts, ein Ticket zu einer Underground Party in Paris, besondere Plätze für das Konzert und auch Archive als DJs auf der eigenen Party.

Im Zuge dessen habe ich letzten Freitag mit Danny Griffiths, der sich zu der Zeit in einem Hotel irgendwo in Frankreich befand, telefoniert. Dies ist der erste Teil des Interviews, in dem es hauptsächlich um dieses Projekt geht.

Wieso habt ihr Pledge Music gewählt und nicht einen anderen Weg  für die Live DVD?

Mit Pledge? Um ehrlich zu sein: Als es darum ging, sie zu uns gekommen sind und gefragt haben, ob wir interessiert wären, fanden wir es eine interessante Idee – die Idee  Fans zu involvieren, dass sie tatsächlich mit uns arbeiten um zusammen ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Letzten Endes wollen die Leute das gleiche, was wir wollen. Es war eine sehr faszinierende Idee. Die Plattenlabel mühen sich zur Zeit auch und sind nicht in der besten Situation, in der sie jemals waren. Sie haben kein Geld und wir haben auch kein Geld. Wir sind keine reiche Band.

Ihr habt viele Mitglieder… [Anm.: In voller Besetzung tourt Archive mit 9 Mitgliedern, plus die Menschen, die hinter der Bühne aktiv sind]

Es ist hart für uns. In Europa geht es uns gut als  Liveband und so. Es ist nicht so, dass wir eine sehr reiche Band sind und viel Geld haben. Wir Archive_Pledgekönnen nicht einfach an Orte gehen und Sachen machen – wir können nicht nach Amerika gehen oder sogar UK und spielen, weil wir kein Geld haben, um das zu machen. Es ist ein Kampf. Ich denke, dass die Pledge Sache ein wenig wie ein frischer Wind für uns ist. Es macht irgendwie Sinn. Die Leute haben uns nach einer Live DVD gefragt, aber wir konnten es uns nicht leisten und unser Label konnte es sich zu der Zeit definitiv auch nicht leisten. Ich mag die Idee. Und wir geben Geld an eine Wohltätigkeitseinrichtung. Es wirkte wie ein guter Plan. Wir haben uns angesehen was andere Bands machen und es gab Bands, die ich mag, wie I Like Trains, die das ebenfalls machen. Es ist kooperativ, aber auf eine interaktive Art und Weise. Ich bevorzuge das gegenüber einer puren Kooperation.

Hattest du jemals Angst, dass die Fans so etwas denken wie „Die sind diese bekannte Band. Sie sollten selber genug Geld dafür haben.“?

Es ist so: Für uns ist es schwer, weil unsere Verkäufe und unsere Fanbase in Europa genau richtig für uns sind. Aber wenn wir in UK sind, dann haben wir das nicht. Unsere Fans sind europäisch. Es ist merkwürdig, weil wir in der Position sind,  Headliner eines Festivals zu sein und es uns gut geht mit unseren Fans und wir Shows ausverkaufen. Wir sind an einem Punkt an dem wir genug machen um zu spielen und weiterzumachen, aber nicht an einem Punkt, an dem wir viel Geld machen. Ich denke, das Problem ist, dass es Orte in Europa gibt, wo man uns anguckt und denkt „Oh ja, sie sind eine große Band und sie müssten in der Lage sein, sich das selber zu leisten…“

Ja, viele Leute denken so…

Aber das ist das Ding, wir sind es nicht. Die meisten Bands in unserer Situation würden das meiste ihres Geldes in ihrem Heimatland verdienen, aber wir tun das nicht. Es passiert nichts für uns in UK. Im Moment gibt es keinen Markt für uns dort. Ich glaube auch nicht, dass es den jemals geben wird. Wir haben unsere Fanbase langsam innerhalb der letzten 15/16 Jahre aufgebaut. Es hat lange gedauert, bis wir an den Punkt gekommen sind, an dem wir jetzt sind. Ich denke, das ist großartig, weil es unsere Fanbase sehr stark, macht sehr stabil und sie schätzt, was wir tun. Ohne das hätten wir keinen solchen Erfolg. Wir haben ihn sehr langsam aufgebaut und ich bin viel glücklicher damit als mit dem großen Erfolg. Darius [Anm. Darius Keeler, Mitbegründer von Archive] und ich haben die Band nicht deswegen gestartet. Wir wollten einfach Musik machen. Und es hat sich natürlich so aufgebaut. Ich bin sehr glücklich. Aber als Band sind wir kein finanzieller Erfolg. Wir kommen gerade so über die Runden. Dies ist das erste Jahr, in dem wir eventuell etwas Geld machen – normalerweise verlieren wir Geld oder decken gerade so die kosten.

Hast du gedacht, dass du jemals an diesen Punkt kommen würdest, als du die Band gestartet hast? Dass die Band immer noch existieren würde und ihr immer noch Musik zusammen macht?

Nein. Ich habe Darius 1990 getroffen und wir haben House zusammen gemacht. Ich hatte nie gedacht, dass wir in einer Band spielen würden. Es kam mir nie in den Sinn, mit einer Liveband aufzutreten, auf der ganzen Welt zu spielen und all das. Es ging nur darum, in einem Studio zu sitzen und Musik zu machen. Das war alles woran ich dachte und heute noch denke. Hin Archiveund wieder muss ich mich hinsetzen und mich daran erinnern wie großartig es ist, dass wir das tun können. Ich meine ich habe gerade gesagt, dass ich in einem kleinen Chateau mitten in Frankreich sitze und ich habe keine Idee wo ich bin und ich spiele morgen eine Show. Die letzten Tage habe ich in der Schweiz, Österreich, Frankreich und Italien gespielt. Es ist faszinierend. Es ist der beste Job der Welt, aber ich habe nicht geplant diesen Job zu machen. Ich bin ein 40jähriger Mann, der glücklich ist mit dem was er macht.

Eine weitere Frage über Pledge: Habt ihr euch den Wohltätigkeitsverein selber ausgesucht oder habt ihr ihn aus einer Liste ausgewählt?

Wir haben ihn ausgewählt. Es war eine Diskussion zwischen uns allen was wir nehmen sollten. Ich sage dir was es ein wenig geändert hat: Normalerweise bevorzuge ich Krebsorganisationen, weil meine Mama daran gestorben ist und das etwas ist, was für mich sehr wichtig ist. Aber dann haben wir in unserem Tourbus eine Dokumentation über einen Kameramann gesehen. Er hat Dokumentationen über Afrika und Afghanistan und Palästina und all diese Orte gedreht. Es ist ein wirklich schöner Film und schöne Fotografien. Er ist Kriegsfotograf. Diese ganzen Bilder in Afrika haben uns zerrissen. Es war sehr, sehr stark. Wir haben angefangen zu denken, dass es eine gute Sache ist. Ich meine, den Leuten eine Möglichkeit zu geben sich mit Musik zu beschäftigen ist ein Weg raus. Es ist eine Möglichkeit und es ist etwas für sie selber, ihre Seele, etwas um sich gut fühlen zu können. Es war eine gemeinsame Vereinbarung. Ja, es war gut. Wir hätten es niemand anderen wählen lassen. Eigentlich wollten wir ein Kind unterstützen oder etwas dergleichen. Es wurde uns aber gesagt, dass etwas Individuelles keine gute Entscheidung wäre. Es ist besser eine Organisation zu unterstützen, die Menschen hilft. Wir sind in der privilegierten Position, das entscheiden zu können.

Hättest du jemals gedacht, dass ihr in 5 Tage 79% erreichen würdet?

Das ist unglaublich. Ich muss zugeben, dass ich zuerst etwas unsicher war als wir anfingen über Pledge zu reden. Es hat sich am Anfang für mich angefühlt wie… Wir verkaufen einen Haufen Sachen. Ich habe viele Sachen dazugegeben. Ich habe alles gesammelt, dass Archive je gemacht hat von Anfang an – all die 7“, 10“ und 12“ und all das was wir auf Pledge verkaufen stammt aus meiner persönlichen Sammlung. Ich war besorgt deswegen, weil ich aus einem egoistischen Blickwinkel heraus alles behalten möchte, was wir jemals machen. Und zweitens war ich unsicher, ob es sich nicht wie ein Ausverkauf anfühlt. Aber dann dachte ich, ich horte all diese Dinge und Leute wollen sie haben. Je mehr ich über Pledge gelernt habe, desto mehr dachte ich, dass es keine so blöde Idee ist. Es ist ein schöner Weg mit Leuten zu interagieren. Aber ich war wirklich überrascht, wie schnell Leute sich darauf einließen. Es ist erstaunlich.

Ich war auch überrascht. Ich habe zwar viel erwartet, aber nicht so viel.

Es ist lächerlich. Es ist wunderbar. Es ist wirklich mächtig, weil es uns einen Auftrieb gibt, keinen Auftrieb des Egos, sondern eher in Form von….Weißt du, wir vergessen, dass wir eine bekannte Band sind, wenn wir in Großbritannien sind werden wir nicht daran erinnert. Wir vergessen manchmal, wie viele Leute eigentlich das mögen, was wir machen. Es ist wunderbar manchmal daran erinnert zu werden. Pledge ist eine schöne Alternative. Es ist wirklich positiv.

Glaubst du, es ist möglich, die Intensität eurer Shows mit einer Videokamera einzufangen?

Ich hoffe es. Es ist wirklich schwer. Ich denke es. Es wird bestimmt. Das Material, dasswir von den Festivals haben, ist phänomenal gewesen. Diese Show wird sehr kraftvoll sein. Ich habe ein wenig Angst davor, aber ich will nicht ängstlich sein. Ich will mich nicht sinnlos darüber verrückt machen. Ich schätze jeden Auftritt. Ich möchte diese Show nicht größer machen als alle anderen, weil wir immer unser Bestes geben. Die eine Sache, die wir machen werden, ist eine Menge Songs zu spielen, die wir schon lange nicht mehr gespielt haben.

Je mehr du mir davon erzählt, desto mehr will ich da sein.

Die Show am 25. September in Athen, Griechenland, wird für die Live DVD aufgezeichnet. Die Liste der Songs, die Archive eventuell spielen werden, würde jedes Fanherz höher schlagen lassen und es gibt auch schon Diskussionen wie man die Show am besten ausleuchtet und dergleichen.


Teil 2 dieses Interviews gibt es nächste Woche – es geht um Archive, Rosko, ihr letztes Album „Controlling Crowds“ und wie die Anfänge waren.

https://www.archiveofficial.com/

https://www.pledgemusic.com/