Wie SMILLA ZORN mit ihrer Musik die Welt verändern möchte

In unserer Reihe „Künstler*innen, die die Welt verändern wollen“, stellen wir euch ab sofort Nachwuchskünstler*innen vor, die mit ihrer Kunst mehr wollen als nur unterhalten. In ihren eigenen Worten erklären sie uns, was ihre persönlichen Anliegen sind und warum sie glauben, dass Kunst die Kraft hat, die Welt zu verändern.

SMILLA ZORN ist das musikalische Alterego der Berlinerin Lotte Schubert. Bevor sie 2021 ihr Schauspielstudium an der HfS Ernst Busch abschloss, arbeitete sie vier Jahre lang als kuratorische Assistenz und Co-Kuratorin in Weimar sowie Leipzig und studierte Grafikdesign und Kunstgeschichte. Seit sie 12 Jahre alt ist, schreibt sie eigene Lieder am Klavier und auf der Ukulele, später kamen elektronische Elemente hinzu. Mit dem Berliner DJ FareC104 kollaboriert sie seit letztem Jahr und arbeitet derzeit an einer ersten gemeinsamen Techno-EP. Ihre selbst geschriebenen Songs veröffentlicht sie in Eigenregie über SoundCloud.

Ihre Musik beschreibt sie als ihren persönlichen „coping mechanism“, mithilfe dessen sie zwischenmenschliche, gesellschaftliche und vor allem feministische Themen verarbeitet. Wie alles seinen Anfang genommen hat und was sie antreibt weiter zu machen, hat sie für uns in einem sehr persönlichen Statement zusammen gefasst. Wir hoffen, dass wir in Zukunft noch ganz viel von SMILLA ZORN hören werden.

Als wir wieder im Auto saßen, erklärte er mir, was „consent“ bedeutet: Er hatte Angst, dass das, was da oben unterm Dach passiert war, ohne ihn stattgefunden hatte. Ich war damals sehr jung und hatte noch nie etwas davon gehört. Trotzdem versicherte ich ihm, dass nichts ohne meinen „consent“ geschehen war. Dass ich allerdings nie richtig gelernt hatte, nein zu etwas zu sagen, meine Grenzen zu kennen und sie zu verteidigen, erwähnte ich nicht. Er erzählte mir, während wir durch Upstate New York fuhren, von einer Geschichte, die er gehört hatte: Ein Mann, der mit einer jüngeren Frau geschlafen hatte, fand Jahre später einen Essay über sich in einer Zeitung. „I just don’t want to find an essay about me in some newspaper some day.” I promised not to write an essay about you. But what if it’s a song? 

Jahre später schrieb ich „Sick Note (My Border and My Line)”. Auf der Aufnahme hört man, dass ich krank bin, ich hatte schrecklichen Husten, meine Stimme knackst wie das Klavier, an dem ich sitze. Ich schrieb über die Männer, die mir begegnet sind und die alle nicht wollen würden, dass ich einen Essay über sie schreibe. I scratch their pictures from underneath my skin. Ich schrieb über mein zukünftiges Ich, das auf mein damaliges zurückblickt und vieles dann hoffentlich besser weiß. I burn down all your words, building a forest inside my head. Outch. 

Neulich hörte eine Freundin den Song und sagte: „Du kennst das also auch.” Genau. Ich kenne all das auch. Wir sprechen nur zu selten darüber. Wir leben in einer Gesellschaft, die uns viel Schadvolles beibringt. Wir lernen von ihr schon als Kinder jede Menge lebensfeindliche und realitätsferne Konzepte. „Boys will be boys“ zum Beispiel. Oder „from rags to riches“. Dass wir daran kaputt gehen, ist kein Wunder. Ich möchte nicht mehr über all das hinweg schweigen, worüber wir miteinander sprechen sollten. Musik, ob ich sie höre oder mache, hilft mir dabei. Ich bin froh, dass sich immer mehr Singer- und Songwriter:innen von allbekannten Themen verabschieden und neue aufmachen, die lange, vor allem im Pop, ausgespart wurden. SMILLA ZORN ist über die Jahre mein coping mechanism geworden, den ich gern in die Welt gebe, weil ich an das Einander-Erzählen von Geschichten glaube. An das gemeinsame Eingestehen, Zulassen und Feiern von Unzulänglichkeit und Scheitern, an Auseinandersetzung und Zusammenhalt. Es geht mir um das offenherzige Teilen von Erfahrung, weil irgendjemand, der:die „das auch kennt“ dadurch ein kleines Stück Ermutigung, vielleicht sogar Heilung erfahren kann. 

„Sick Note“ endet mit einer Stimme im Hintergrund, die sagt: And that’s what I did not say. Ja, wahrscheinlich hätte ich das, was im Song steht, schon im Auto in New York  sagen sollen. Vielleicht erreicht es aber so, in Form eines Liedes, viel mehr. Denn ich glaube, dass Musik schon immer eine verbindende Kraft hatte: Sie lässt uns einander sehen, zuhören, verstehen. Uns berühren. Und ich glaube, dass eine Welt dadurch besser wird.

Du glaubst, dass deine Kunst die Welt verändern kann und möchtest dich auch bei uns in deinen eigenen Worten vorstellen? Dann schreib uns eine E-Mail an redaktion@fastforward-magazine.de.

Foto © Daniel Nartschick