Victoria Canal im Interview: „Ich fühle mich der Musik völlig verpflichtet, ein Leben lang“

Ich treffe Victoria Canal an einem sonnigen Spätsommertag in Berlin, als sie für eine ihrer Solo-Headline-Shows in der Stadt ist. Es ist noch nicht lange her, dass sie als Support von Hozier auf Tour war, und eine Reihe von Leuten, die bei den Shows waren, haben mich hinterher gefragt, ob ich schon von Victoria Canal gehört hätte. Hatte ich nicht, muss ich zugeben, aber die Art und Weise, wie Freund*innen und Kolleg*innen von ihr schwärmten, ließ keinen Zweifel daran, dass ich das unbedingt schleunigst nachholen musste. Was soll ich sagen, ich war sofort Feuer und Flamme. Victoria Canal schreibt schlichtweg wunderschöne Lieder. Sie begleitet sich selbst auf der Gitarre und am Klavier, und die Art, wie sie singt, trifft einen mitten ins Herz. 

Kurz nach Veröffentlichung ihrer neuen EP „Well Well“ kommt sie erneut nach Berlin, und ich nutze direkt die Chance, sie zu treffen. Wir trinken Kaffee am Wasser, sitzen in der Sonne und plaudern über die Reise, die sie hierher gebracht hat. Sie verrät mir das Geheimnis, warum ihre Musik einem so unglaublich nah geht und was ihre Großmutter damit zu tun hat. Wir sprechen darüber, wie sie es geschafft hat, die Kontrolle über ihre eigene Geschichte zu übernehmen und ihren eigenen signifikanten musikalischen und visuellen Stil zu etablieren, anstatt als Künstlerin mit einer körperlichen Behinderung auf das „Mädchen mit einem Arm, das Klavier spielt“ reduziert zu werden. Oh, und das Tagebuchschreiben! Aufgepasst: Victoria Canal weiß, wie man Träume wahr werden lässt. Mit (Spoiler) harter Arbeit. Aber auch mit einem kleinen bisschen Magie. 

Ich muss zugeben, dass ich erst vor kurzem zum ersten Mal von dir gehört habe. Und wenn man dann sieht, wie viel Mühe du über die Jahre in deine Karriere gesteckt hast – egal, woher man kommst, man muss einfach sehr engagiert sein, um es zu schaffen.

Das stimmt. Man sagt ja, dass es zehn Jahre dauert. Ich erinnere mich an ein Interview, das ich mit 14 Jahren mit dem Leadsänger von The Script, Daniel O’Donoghue, gehört habe. Ich war damals besessen von ihnen. Er sagte, dass es zehn Jahre dauert, um eine Karriere aufzubauen. Und es stimmt. Seit ich 14 war, dachte ich, ich werde mir diese zehn Jahre voll und ganz geben. Ich bin jetzt 25: nach etwas mehr als zehn Jahren auf Tour und auf der Bühne, bin ich endlich an dem Punkt, an dem ich Tickets für meine eigenen Headline-Shows verkaufe. Es hat lange gedauert! 

Wie schafft man es, so lange durchzuhalten?

Wie ich durchhalte? Es ist eine Besessenheit! Ich habe keine andere Wahl. Wenn ich die Wahl hätte, etwas anderes zu tun, wenn ich in etwas anderem gut wäre, würde ich das wahrscheinlich tun und die Musik als Hobby machen. Die Branche ist kein schöner Ort. Wenn du Künstler*in bist, kannst du nicht anders, dann musst du es tun. Ich weiß, das klingt ganz schön überheblich und egozentrisch, aber es ist wahr. Ich fühle mich der Musik völlig verpflichtet, ein Leben lang. Zwanghaft. 

Hat dir schon mal jemand gesagt, dass man ab einem bestimmten Alter zu alt ist, um es zu schaffen? 

Klar, das passiert. Oh ja. Sie sagen es einem oft nicht ins Gesicht, man merkt es einfach. Die Art wie man mit dir spricht, fängt an, sich zu ändern. Es wird so viel Wert auf das „Wunderkind“, den 17-jährigen TikTok-Star gelegt. Sobald man 27 oder 28 Jahre alt ist, sieht die Sache schon ganz anders aus. Es fühlt sich definitiv wie eine ziemlich altersfeindliche Branche an, besonders für Frauen. 

Ich sehe immer wieder, wie heutzutage Jugendliche Plattenverträge bekommen, die noch nie in ihrem Leben eine einzige Live-Show gespielt haben. 

Ich würde sagen, für die ist es schwieriger als für mich. Natürlich möchte ich in meiner Karriere einen Punkt erreichen, an dem ich mich erfolgreich fühle. Bis zu einem gewissen Grad fühle ich mich erfolgreich. Wenn du mich vor zehn Jahren gefragt hättest, was ich machen wollte, dann wäre es das hier. Eine Headline-Tour durch die ganze Welt, als Vorgruppe für Künstler*innen wie Hozier… er stand auf meiner Liste, als ich 14 war. Als ich aufgeschrieben habe, für wen ich Support sein wollte, war er einer davon. Vieles ist also schon wahr geworden, aber ich habe noch mehr Ziele. Und außerdem würde ich gerne mehr Geld verdienen (lacht). Das ist es, was sich wirklich verändert hat. Wofür ich aber wirklich dankbar bin, ist, dass ich ein Fundament von Hunderten und Hunderten und Hunderten von Auftritten im Laufe der Jahre habe, sowie diverse Kollaborationen, bei denen ich mit vielen Leuten über eine lange Zeit zusammengearbeitet habe. Das hilft mir, ein stärkeres Fundament für den Rest meiner Karriere aufzubauen. Deshalb bin ich auch froh, dass es acht Jahre gedauert hat, bis ich bei einem Major-Label unter Vertrag gekommen bin. Als ich unterschrieben habe, wusste ich, was ich wollte. Und jetzt habe ich das Gefühl, dass meine Vision ziemlich stark ist. Ich weiß, wie man in einer Besprechung aufsteht und sagt: „Das ist es, was ich brauche. Nein, ich werde nicht tun, was Sie sagen, sondern das, was ich will.“ Es gibt keine Systeme, die uns Künstler*innen schützen. Ich habe in den letzten zehn Jahren genug darüber gelernt, wie ich mich in vielerlei Hinsicht schützen kann. 

Kurz bevor ich hierherkam, hatte ich ein langes Gespräch mit einer Freundin über die emotionale Wirkung, die Musik auf uns haben kann. Ich bin überzeugt, dass Musik die Kunstform ist, die unsere Gefühle am unmittelbarsten beeinflusst. Würdest du dem zustimmen? Ich weiß, dass die Menschen das ganz unterschiedlich sehen. Ich habe zum Beispiel kürzlich mit jemandem über die emotionale Wirkung gesprochen, die EDM auf mich hat, und die Person war ziemlich überrascht, weil sie es ein eher emotionsloses, distanziertes Genre findet. 

Ja, man kann es auch als eskapistisch sehen. Eher so, als ob man seinen Gefühlen ausweicht. Das könnte der Eindruck sein. Es ist lustig, dass du das sagst, denn ich hatte gerade eine Session mit Milky Chance. Am Ende der Session hat mir Phil, der Produzent, elektronische Musik vorgespielt, an der er gerade arbeitet. Es war dasselbe, ich hatte überall Gänsehaut, super emotional! Und ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas bei Dance Musik empfinden könnte. Es ist so inspirierend. Etwas, das mir in letzter Zeit aufgefallen ist, ist, dass ich in den letzten Jahren kaum Schlagzeug in meiner Musik hatte. Ich arbeite ja gerade an meinem Album und möchte wirklich Rhythmus und Schlagzeug zurück in meine Musik bringen. Ich bin es leid, immer nur langsam zu sein. Es juckt mich in den Fingern, Leben in die Musik zu bringen. Aber es geht darum, wie ich das, was du sagst, Rhythmus plus Gefühl, tiefe Emotionen, erreichen kann. Denn das ist es, was mich an meiner Musik interessiert. Es sind die tiefen Dinge. Ich hoffe, dass ich, je weiter ich in den Albumprozess eintauche, diese Balance finden kann. 

Das würde ich sehr gerne hören! Und ja, die Emotionen in deiner Musik sind sehr roh und ehrlich. Ich finde es wirklich mutig, sich auf diese Weise zu öffnen. Damit meine ich nicht nur die Texte, die sehr persönliche Geschichten erzählen. Aber auch die Art und Weise, wie du deine Stimme einsetzt, klingt für mich so ehrlich. 

Danke… lustig, dass du das sagst. Ich habe dieses Tattoo, „con alma“. Es ist die Handschrift meiner Großmutter und bedeutet „mit Seele“. Ich liebe das Wort „alma“, es bedeutet so viel wie „Bedeutung“, „Seele“, „Sorgfalt“, „Liebe“… Meine kubanische Großmutter hat mir immer gesagt, ich solle „con alma“ spielen und „con alma“ singen, wenn ich übe. Sie sagte immer: „Ich muss dir glauben, wenn du spielst. Auch wenn es nur eine Tonleiter ist. Oder wenn du ein Lied singst, das nichts mit deinem Leben zu tun hat. Ich will jedes Wort glauben, das du singst, und jede Note, die du spielst.“ Ich habe immer großen Wert darauf gelegt, ehrlich zu sein, durch die Musik. Selbst wenn es ein Lied von jemand anderem ist, die Wahrheit darin zu finden und es mit meinem verletzlichsten, wahren Selbst zu singen. Danke, dass du das aufgegriffen hast. Das ist mir wichtig. 

Ist es manchmal beängstigend? Warst du jemals an einem Punkt, an dem du dachtest: „Scheiße, das ist etwas, an den Punkt kann ich nicht gehen“?

Es ist einfach immer knifflig. Man möchte über Dinge sprechen. Aber heutzutage gibt es diese Tendenz, zu viel zu erzählen, fast schon etwas darüber zu kommerzialisieren oder zu verkaufen. Ich hüte mich davor, als Künstlerin zu viel von mir preiszugeben, um meine Karriere voranzubringen. Ich möchte nicht, dass das der Ursprung meiner Kunst ist. Ich möchte nur das ausdrücken, was mir wichtig ist, was ich für Kunst halte und was die Menschen berührt und ihnen in ihrer Sache hilft. Ich will mich nicht darin suhlen. Ich hoffe, dass ich mit der Musik, die ich herausbringe, und der Art und Weise, wie ich über sie spreche, genau dieses Gleichgewicht finde. Es ist auf jeden Fall eine Navigationssache – ich möchte nicht, dass es peinlich wird. Verstehst du, was ich meine? Ich will nicht, dass sich die Leute unwohl fühlen, wenn ich meine Gefühle über ihnen ausschütte. 

Um auf die Ehrlichkeit zurückzukommen – ich glaube nicht, dass Oversharing unbedingt ehrlich ist.

Ah. Das ist interessant. 

Ich denke, es kann genau das Gegenteil sein.

Findest du?

Ja, ich finde es kann performativ sein. Ich glaube nicht, dass „ich spreche über psychische Gesundheit“ heutzutage als alleinige Geschichte herhalten sollte.

Ja, jeder ist depressiv! Jeder ist ängstlich! Eben. Das sollte nicht dein Markenzeichen sein. Ich möchte verdammt nochmal nicht, dass mein Körperbild oder meine Körperdysmorphie zu meinem Markenzeichen werden. Ich habe das nur in zwei Liedern thematisiert. Tatsache ist, dass ich vorher nicht über meine Behinderung gesprochen habe. Wenn ich über meinen Körper und meine Beziehung zu meinem Körper nachdenke, habe ich andere Probleme als meine Behinderung. Mein Arm ist nicht das erste, bei dem ich denke: „oh, das mag ich an mir nicht“. Manchmal fühle ich mich dick. Oder ich habe das Gefühl, mein Gesicht ist nicht schön genug. Ich fühle also diese Dinge und spreche in der Musik darüber. Aber dann habe ich Angst, dass es darüber hinaus zu meinem Markenzeichen werden könnte. Der Gedanke bereitet mir Kopfschmerzen. Ich möchte in der Musik einfach alles machen können, was ich will. Wenn ich morgen so richtig seichtes Zeug machen will, in dem es nur darum geht, sich an einem Freitagabend zu besaufen oder was auch immer, dann möchte ich die Freiheit haben, das zu tun. Ohne dass es mich davon abhält, über Trauer und solche Dinge zu sprechen. Du hast Recht, es ist einfach schwierig. Manche machen es richtig, manche nicht. Es ist schwer zu sagen, wie man es als Künstler*in am besten macht. Ich habe keine Außenperspektive. Ich muss einfach ehrlich sein. 

Da ist es zum Beispiel wichtig, ein gutes Team zu haben.

Sehr wahr. Um dir zu sagen, was Sache ist. Mein Manager ist auf jeden Fall jemand, der mich zur Rede stellt, wenn ich zu viel erzähle. Auf jeden Fall. Vor allem online. Er sagt dann: „Dude, nimm das runter. Niemand muss das sehen.“ Er ist mein schärfster Beobachter. 

Und was du gerade gesagt hast, ist ein so wichtiger Punkt. Dass man als Mensch mit Behinderungen auch noch andere körperliche Dinge haben kann, die einen stören. 

Das ist wirklich schwierig. Bevor ich angefangen habe, in meiner Musik darüber zu sprechen, hat jeder über meine Behinderung gesprochen, ob ich wollte oder nicht. Das ging so weit, dass es Schlagzeilen und so gab, ohne dass mein Name darin vorkam, in denen über meine Behinderung gesprochen wurde. Zum Beispiel: „Mädchen mit einem Arm spielt Klavier“. So billiges Zeug. Es fühlt sich so reduzierend an. Deshalb wollte ich über meinen Körper auf eine Weise sprechen, die mir das Gefühl gibt, dass er mir gehört. Wenn auch nicht in dem Sinn wie: „Ich liebe verdammt nochmal alles an mir“. Das ist einfach nicht ehrlich. Das wäre dann so unrealistischer „Inspiration Porn“. Ich möchte einfach offen mit meinem Weg umgehen, sodass diese Art von Gesprächen hier runder, umfassender werden. Es fühlt sich autonomer an. 

Das ist dir so gut gelungen. Du hast es in deiner Kunst ausgedrückt und gesagt: „Hier ist es, hier spreche ich darüber“. Das gibt dir die Kontrolle über dein eigenes Narrativ.

Ich danke dir. Ich weiß das wirklich zu schätzen.

Und ich muss auch sagen, dass ich es einfach LIEBE, wie du in dein Tagebuch geschrieben hast, dass du eines Tages Support für Hozier sein willst und es wahr geworden ist. Hast du noch andere Dinge in dein Tagebuch geschrieben, die in Erfüllung gegangen sind?

Oh ja! Ich habe geschrieben, dass ich Chris Martin treffen möchte. Seit zehn Jahren mache ich jedes Neujahr anstelle von Vorsätzen Manifestationen. Und ich war Support für Hozier auf seiner Tour. Ich habe geschrieben, dass ich Chris Martin treffen möchte, mit meiner eigenen Band auf Headline-Tour gehen möchte, was ich jetzt gerade mache… was habe ich sonst noch geschrieben. Einen Manager finden – ich habe einen Manager, bei einem Label unterschreiben – ich habe bei einem Label unterschrieben, in London leben… Ich hatte ein Ziel, wie viel ich im Jahr verdienen wollte, das habe ich erreicht. 

Wirklich? Das ist so cool.

Ja! Ansonsten musikalische Dinge. Leute, mit denen ich zusammenarbeiten wollte, einen Ivor Novello gewinnen… das ist ein Preis, den ich Anfang des Jahres gewonnen habe. Das war etwas, wovon ich seit letztem Jahr träume. Also ja, es war großartig. Aber natürlich gibt es noch viel mehr Dinge, die ich aufgeschrieben habe und die nicht in Erfüllung gegangen sind. Alberne Sachen, du weißt schon. Einen Grammy gewinnen, in einer Liebeskomödie mitspielen (lacht). 

Das kommt noch, ich fühl’s! Tagebuchschreiben kann so kraftvoll sein. Wenn man regelmäßig Yoga macht, sagt man, wenn man sich körperlich nicht gut genug fühlt, um physisch zu üben, sollte man sich wenigstens hinsetzen und Tagebuch schreiben. Das hat eine ähnliche Wirkung aufs Gehirn.

Das stimmt. Absolut. Jedes Mal, wenn ich mich hinsetze, um Tagebuch zu schreiben, ist es innerhalb der ersten fünf bis zehn Minuten so, als ob ich Dehnübungen gemacht hätte, nur für mein Gehirn. Als ob man einen kleinen Sonnengruß für sein Gehirn macht. Es ist das gesündeste Mittel, das ich gefunden habe, abgesehen von körperlicher Betätigung. Und ich habe es schon regelmäßig gemacht, bevor ich überhaupt schreiben konnte. Ich weiß noch, wie ich meine Mutter gebeten habe, meine Gedanken auf Papier zu übertragen, bevor ich selbst schreiben konnte. So habe ich angefangen, Tagebuch zu führen. Ich habe langsam angefangen, in sehr unordentlicher Handschrift selbst zu schreiben, und gelegentlich übernahmen sie für mich das Schreiben, wenn ich müde war. Ich habe mein Tagebuch immer bei mir, ich schreibe, seit ich fünf Jahre alt bin. Es ist so beständig und man kann es überall und auf allem machen. Auf Servietten, deinem Telefon… 

Und fühlt sich das Songwriting heute ähnlich an?

Ich glaube, es sind zwei verschiedene Dinge. Das Tagebuchschreiben dient dazu, das Durcheinander in meinem Kopf aufzuräumen, und das Songwriting ist eher wie ein Puzzle oder ein Spiel, mit dem ich herumspiele. Normalerweise muss ich also zuerst das Durcheinander in meinem Kopf in Ordnung bringen, indem ich Tagebuch schreibe, und dann bin ich bereit, den Laptop aufzuschlagen oder ein Instrument in die Hand zu nehmen. Aber ich schreibe auch immer auf, was die Leute sagen oder worüber ich nachdenke oder was ich so beobachte. Oder wenn ich stoned bin, schreibe ich die Gedanken auf die kommen, wenn ich high bin, und das fließt dann oft in den Text und die Musik ein (lacht). Das Besondere am Songwriting ist für mich, dass man eine Milliarde Dinge sammeln muss, um einen bestimmten Punkt zu erreichen. Man kann da nichts überspringen. Man muss jedes kleine Fitzelchen sammeln. Selbst wenn 99 Prozent davon weggeworfen und nie wieder gesehen werden, fließen sie in den nächsten Song ein. Macht das Sinn?

Oh, absolut. Ich muss sagen, dass ich Songwriting fast magisch finde. Ich habe keine Ahnung, wie man das machst.

Es ist ganz schön magisch. Es fühlt sich ein bisschen an, als würde etwas durch dich hindurch kanalisiert werden. So sieht es auch Chris Martin. Er sagt: „Ich schreibe keine Songs. Sie kommen zu mir. Sie werden durch mich empfangen. Meine Aufgabe ist es, sie in die Welt hinauszutragen.“ Es ist lustig, so darüber zu denken. Du bist nur der Kanal, durch den es passiert. 

Und wie viel, glaubst du, gehört dazu, dass man einfach regelmäßig auftaucht und seine Arbeit macht?

Ich denke, 90 bis 95 Prozent. Auf jeden Fall. Ich habe lange darüber nachgedacht, wie ich mein Album fertigstellen kann. Ich bin so sehr mit anderen Dingen beschäftigt, dass ich mir keine Zeit am Stück dafür nehmen kann, ich mache es einfach Stück für Stück, Song für Song. Aber ich würde mich wirklich gerne zurückziehen und es in einem Monat oder so fertigstellen. Auf Tour zu gehen ist körperlich so anstrengend. Es ist völlig unnatürlich. Ich habe keine Ahnung, wie wir da hin gekommen sind, aber es ist jetzt der Standard. Es ist der Wahnsinn. Das ist etwas, das ich wirklich gerne erreichen würde: In einem Bus schlafen. Das ist das Ziel. Wer hätte gedacht, dass als Erwachsene in mein Manifestationstagebuch schreiben würde „in einem Bus schlafen“ (lacht). Das ist alles, was ich mir für mein Leben wünsche. Ich weiß nicht, wie wir Musiker*innen das machen. Ich glaube, man schafft es einfach, Stück für Stück. Es ist Zeitmanagement. Ich würde auf jeden Fall gerne noch viel mehr tun. Das ist einer der Gründe, warum ich noch kein Album herausgebracht habe. Ich möchte mit meinem Debüt die stärkste Aussage machen, die ich machen kann, und ich denke, ich brauchte die Jahre der Entwicklung, um das zu erreichen. Ich musste mir Zeit lassen. 

Weißt du, normalerweise habe ich diese Regel, dass ich, wenn ich mit tollen Frauen spreche, versuche, nicht über die Männer zu sprechen, mit denen sie arbeiten.

(lacht) Das ist okay, man muss auch mit tollen Männern arbeiten!

Aber ich muss sagen, ich finde es so cool, dass du mit Ross von The 1975 zusammenarbeitest.

Das tue ich! Es ist lustig. Ich habe sowieso eine Menge Freunde, die Männer sind (lacht). Ich glaube, es fällt mir wirklich leicht, im Studio mit Leuten kreativ zu sein, die zufällig Kerle sind. Auf der visuellen Seite und auf der Seite des Labels besteht mein Team aus einer Menge Frauen. Mein Mastering Engineer ist eine Frau. Aber ja, die Arbeit mit Ross ist fantastisch. Er ist ein großartiger Songwriter. Ich weiß noch nicht, was wir machen, wir spielen nur ein bisschen herum. Es ist wirklich toll, mit Leuten zu arbeiten, die ich tatsächlich höre. Ross und ich haben uns bei Jools Holland kennengelernt, weil wir beide in der gleichen Folge aufgetreten sind, und wir haben uns angefreundet. Und dann haben wir uns gesagt: „Wir sollten mal ins Studio gehen.“ Ganz zwanglos, so wie es sein sollte.