Der Bedroom-Indie ist nicht tot
Im Jahr 2011 trägt man als synthi-pop Musiker vorzugsweise die hippsten Klamotten vom Kiez-Designer um die Ecke und singt von der gebeutelten Jugend in ländlichen Gefilden. So auch George Lewis Jr., besser bekannt als Twin Shadow.
Unausweichlich landet der vor Coolness strotzende Hippster-Solokünstler irgendwann in New York und vor Ort gibt es zur Zeit nur eine Option mit entsprechendem Lokalkolorit: Brooklyn. Dort, in einem Hinterhaus, entstand das bemerkenswertes Debütalbum „Forget“. Das steht auch ganz in der Tradition des „Bedroom-Indie“: Zuhause am eigenen Mac-Book wird an den Songs rumgefrickelt, bis man aus seinen Nachbarn Feinde gemacht hat. Ein solitärer, aber kreativer Prozess. „The next big thing“ aus New York?
„Forget“ wird dem neuen 80er-Jahre-Retro-Pop Hype gerecht. Verträumte Synthies, soulige Zeitlosigkeit und Drumpad-Atmosphäre gewürzt mit einigen der eingängigsten elektronischen Melodien seit MGMT. Der Schnurrbartträger mit der James Dean Tolle sticht aber nicht nur musikalisch ins Auge, sondern auch modisch.
„I try and look better every day just walking to buy coffee.”
Das Time Out New York Magazin kürte den gebürtigen Puertoricaner 2010 zu einem der best-angezogensten Bewohner der Metropole. Der Mann mit dem speziellen, stylischen Flair macht kein Hehl aus seinem unnahbaren und abgehobenen Modebewusstsein. Touch-Screen-Handy am Ohr, komplizierte Uhr am Arm, ein mal mit der Hand durchs Haar und los geht’s. Ganz der mondäne Indie-Künstler. Doch nicht nur die Haare sind pompös, ausdrucksvoll und groß. Ebenso das Drama, der Chorus, die Effekte in seinen Liedern.
“I needed a good label to back me up in the rest of the world; we talked, had lunch, had cocktails, had beer… voila!”
Das passende Lable im Gepäck kommt Twin Shadow nun für ein paar Auftritte nach Deutschland. „Forget“, so der Name des ersten Longplayers, ist ein verspieltes Synthi-Pop Album, das auf den elf Tracks zum Tanzen und Träumen einlädt, mal schwermütig, mal unbedarft und leicht daherkommt. Der langsam anschwellende Puls des Openers „Tyrant Destroyed“ und die zarte Stimme erzeugen eine Intensität, die das Album wie einen roten Faden durchzieht und nicht mehr ablässt. Vielseitig, manchmal wirr, aber nie die Struktur aus den Augen verlierend. Mit einer schmachtenden Kopfstimme kommt „When We’re Dancing“ daher, dazu leiernder Retro-Synthi und eine treibende Gitarre – Coolnes auf dem Dancefloor. „You’re my favourite daydream / I’m your famous nightmare / Everything I see looks like gold / Everything I touch goes cold / Castles in the snow.“. Schaurig, dramatisch und nächtliche ist die Ballade „Castles in the Snow“, die Erinnerungen an David Bowie in den Achtzigern wach werden lässt.
Mit den zuhause aufgenommen Demos als Grundlagen, ging es in das professionelle Setting eines Studios, dort verpasste Grizzly Bear’s Chris Taylor dem Album den letzten Schliff. Gern benutzte Einflüsse des Chillwaves – wie heftiger Einsatz von Sound-Effekten, Loops, Samples und Synthesizern – und klangliche Relikte der Achtziger. Komplex und doch homogen. Einen würdigen Abschluss der elf Songs bietet „Forget“, das mit einem minimalistischen Basslauf und schlichtem Beatgerüst aufwartet und sogar ein zähnefletschendes Gitarrensolo entblößt. Perfekt reihen sich die elf Songs aneinander und ergeben einen mehr als anhörlichen Einstand.
“Party after party, charity, kissing someone’s ass, kissing someone new, kissing babies, making records, listening to my friends make good records, taking drawing lessons, becoming a painter…“
Voller Selbstbewusstsein gibt Lewis seine ambitionierten Pläne für 2011 Preis. Vom 6. bis zum 11. Februar ist der hippe Paradiesvogel hier zu Lande auf Tour. Schnell noch Tickets sichern und „the nex big thing“ genießen.
06.02.2011 | Hamburg Molotow
08.02.2011 | Köln Studio 672
10.02.2011 | Berlin Comet
11.02.2011 | München 59-1
12.02.2011 | Wien Badeschiff
vorgestellt von: Sebastian Schelly