Als Ende April das vierte Album von The Veils veröffentlicht wurde, konnte man das „Time Stays, We Go“ betitelte Werk ebenfalls als limitierte Doppel-CD mit Aufnahmen von den Londoner Abbey Road Studios erhalten. Diese Stücke besitzen eine untrügliche Intensivität und Dringlichkeit, welche in ihrer eigentümlichen Art des Vortragens aus dem Wust von Neuveröffentlichungen herausstechen. Im Besonderen „The Pearl“ beißt sich dabei im Gedächtnis fest. Es teilt ein Gefühl vergangener Zeit mit, das sich immer wieder sehnsüchtig in den Vordergrund spielen muss. Speziell in der Live-Variante wirkt ein solches Lied weniger aufpoliert, distanziert und das Stimmvolumen von Finn Andrews umso einnehmender.
Nach einem derartig positiven Höreindruck erschien der Konzertbesuch im Berliner Bi Nuu am 12. Juni unumgänglich. Der Club, welcher zunächst zu gedrungen für die neunköpfige Live-Band wirkte, erwies sich als rundum passender Klangraum für die melancholisch hoffnungsvollen Songs von The Veils. Zwar lag das Hauptaugenmerk bei der Setlist auf den Melodien des neuesten Tonträgers, doch nichtsdestotrotz stellte sich das luftig verteilte Publikum als textsicher dar. Finn Andrews präsentierte sich an diesem Abend als der charismatisch leidende Kopf der Gruppe. Während einzelner Stücke wie „Birds“, der aktuellen Single „Through The Deep, Dark Wood“ oder auch dem 2006er „Calliope!“ (von dem Album „Nux Vomica“) schien er um jeden Ton kämpfen zu müssen. Stets die Augen geschlossen, verzerrte er sein Gesicht als hätte er größte Schmerzen zu erdulden und wand sich das ein oder andere Mal auch von den neugierig blickenden Zuschauern ab.
Bei dieser Musik muss man ganz genau zuhören. Und wenn man dies tut, wird man mit erstaunlichen Geschichten belohnt, welche ein Zerfließen in dem Moment ermöglichen. Umso überraschender erwies sich die zwischen den Liedern dargebotene Unsicherheit von Andrews. Ansagen flüsterte in sein Mikrofon und ließ seine Sätze nur zu gern ohne Punkt enden. Als Sahnehäubchen der Zugabe stellte er sich gar dem Publikum allein entgegen und konnte damit den Albumeindruck mit einer noch kraftvolleren Live-Performance unterfüttern. Trotz dieses Gefühls, welches sich in so manchem lächelnden Besuchergesicht wiederspiegelte, fragte Andrews immer wieder vorsichtig an, ob ein weiterer Song überhaupt gewünscht wäre. Obwohl der Beifall eine klare Sprache zu sprechen wusste, fand auch dieses eigenwillige Konzerterlebnis noch vor Mitternacht seinen Abschluss.
Dieser Augenblick wird im Gedächtnis bleiben, auch wenn The Veils weiterziehen und die Gäste nach und nach aus dem Club gedrängt wurden. Die Erinnerung wird diese unzähligen Minuten zu romantisieren wissen.
War dabei: Hella Wittenberg