Niemand konnte vorhersehen, dass „Notes On A Conditional Form“ das Pandemiealbum von The 1975 werden würde. Ursprünglich war die Veröffentlichung bereits für 2019 geplant, aber nach zahlreichen Verschiebungen erschien das vierte Album der britischen Band genau zu der Zeit, in der man eigentlich kein Album veröffentlichen möchte – im Frühling 2020, mitten in den ersten Wochen einer globalen Pandemie, die die erfolgreiche Vermarktung eines Albums so gut wie unmöglich machte. Und gleichzeitig ist es fast beängstigend, wie perfekt „Notes On A Conditional Form“ in genau diese Zeit passte. Ein viel zu langes, chaotisches Album, das Opfer einer noch chaotischeren Planung wurde, da es viel zu schnell nach dem 2018er Vorgänger „A Brief Inquiry Into Online Relationship“ in Angriff genommen wurde und unter viel zu großem Zeitdruck, zum Großteil auf Tour entstand.
Die Überforderung merkt man der Band im Nachhinein betrachtet auf dem Album an, den Überehrgeiz, so schnell wie möglich den nächsten Meilenstein zu schaffen, der am Ende hoffentlich der ist, für den man auf immer in Erinnerung bleibt. Böse Zungen behaupten, „Notes On A Conditional Form“ hätte keinen roten Faden und würde sich deshalb kopflos in sich selbst verlieren. Vielleicht ist aber auch genau das der besagte rote Faden – der Versuch, sich in einer auf dem Kopf stehenden Welt zurechtzufinden und dabei nicht die eigene Identität zu verlieren.
Etwas mehr als zwei Jahre später sind The 1975 nun zurück, nach einer Zeit, in der die Fans schon befürchtet hatten, die Pandemie und die Rückschläge rund um „Notes On A Conditional Form“ könnten zur heimlichen Auflösung der Band geführt haben. Stattdessen veröffentlichen sie nun mit „Part Of The Band“ eine neue Single, die danach klingt, als wäre die erst so traumatische Zwangspause genau das gewesen, was Matty Healy und seine Bandkollegen George Daniel, Adam Hann und Ross MacDonald gebraucht haben. Sichtlich gereift, man könnte gar sagen geläutert, wirken sie auch im dazugehörigen Video, welches so ziemlich alles triggert, was es an The 1975 zu lieben gibt: die Rückkehr zur Schwarz-Weiß-Ästhetik aus den Anfangsjahren, symbolische Bilder, die sich liebevoll trauen, ein bisschen cheesy daher zu kommen (wie das bildliche „Emotional Baggage“, das Matty Healy den Strand entlang trägt), sogar der bereits verschollen geglaubte Bandhund Mayhem hat einen Auftritt. Und eingefleischte The 1975 Fans werden auch visuelle Verweise auf frühere Zeiten darin entdecken.
Der Song selbst ist eine mutige Wahl für eine Auftaktsingle. Er hat weder ein besonders leicht nachvollziehbares Reimschema, noch besticht er mit einem eingängigen Chorus. Und trotzdem schraubt er sich direkt ins Ohr und verzaubert mit seiner aufrichtigen Herzlichkeit sowie den zärtlichen Streicher- und Bläserarrangements.
„Being Funny In A Foreign Language“, das fünfte Studioalbum von The 1975, wird am 14. Oktober 2022 erscheinen. Es kann hier vorbestellt werden.
Foto © Samuel Bradley