Es ist eine der härtesten Künste überhaupt – aber auch eine der schönsten. Kaum etwas verlangt dem menschlichen Körper so viel ab wie das klassische Ballett. Und dabei sieht es im Idealfall aus wie die leichteste Sache der Welt. Nahezu schwerelos scheint sich Iana Salenko, erste Solistin beim Staatsballett Berlin, an diesem Morgen durch den Ballettsaal zu bewegen. Geführt wird sie dabei von Marian Walter, ebenfalls erster Solotänzer und, ganz nebenbei, ihr Ehemann. Die persönliche Verbindung merkt man den beiden während des Trainings aber kaum bis gar nicht an. Alles läuft extrem diszipliniert, hoch konzentriert ab. Zwischendrin ist auch mal Zeit für ein Scherzchen, ein kurzes Lachen, aber insgesamt werden die gut 90 Minuten der Solistenprobe straff genutzt. Erster Ballettmeister Gentian Doda lässt die beiden die einzelnen Passagen ihrer Pas de Deux mehrmals wiederholen. Es sind Kleinigkeiten die er anmerkt und verbessert, bis ins kleinste Detail werden Drehungen, Hand- und Fußhaltung immer wieder korrigiert. Die Stimmung im Raum ist ruhig, konzentriert, erst wenn zwischen den einzelnen Passagen etwas besprochen wird, merkt man am schneller gehenden Atem der beiden Tänzer, wie anstrengend das Training ist.
Auf dem Plan stehen an diesem Morgen für die Solisten Proben zu „Der Nussknacker“, den Nacho Duato, Intendant des Staatsballett Berlin, in diesem Jahr in einer neuen Fassung auf die Bühne bringt. Das bedeutet, dass nicht nur eine völlig neue Choreografie einstudiert werden muss, auch das Arbeitspensum für die Solisten ist in diesem Jahr viel höher. Denn in der neuen Inszenierung werden keine Kinder und Jugendlichen von der Staatlichen Ballettschule Berlin mehr mitwirken. Das bedeutet, dass Clara und der Nussknacker im ersten Akt nicht mehr von Nachwuchstänzern, sondern bereits von den Solisten getanzt werden. Auch sämtliche anderen Kinderrollen werden mit Tänzern aus dem Ensemble besetzt.
„Ich finde das an dieser Inszenierung besonders schön“, erzählt Iana Salenko, als wir nach der Probe noch bei weihnachtsgerechten Lebkuchen im Aufenthaltsraum der Tänzer zusammen sitzen. „Die junge Clara tanzen zu können macht Spaß, dieses kindliche, verspielte, das gefällt mir.“ Dafür nimmt man als Tänzer doch auch gerne den größeren Aufwand in Kauf. „Wir hatten früher auch nicht so viel zu tun beim Nussknacker“, ergänzt Marian Walter. „Das waren ja eigentlich nur zwei große Pas de Deux.“
Natürlich ist die Choreografie unter Nacho Duato auch eine völlig andere geworden. Der Intendant sieht zum Ende der Probe hin auch selbst im Ballettsaal vorbei. Duatos Choreografien sind modern, haben ihren Ursprung aber dennoch im klassischen Ballett. Die Pas de Deux wirken etwas freier, Solist und Solistin bewegen sich nicht nur miteinander sondern auch getrennt voneinander, sie nehmen mehr Raum ein. „Ich mag Nachos Choreografien“, sagt Iana. „Sie sind modern, aber trotzdem klassisch.“ „Die Presse wird sie wieder verreißen, aber das sind wir ja gewöhnt,“ zwinkert Marian.
Nein, wir würden das natürlich niemals tun! Wir freuen uns darauf, wenn ab dem 7. Oktober „Der Nussknacker“ seine vorweihnachtliche Stimmung verbreitet. Freuen darf man sich auf einen pompösen Ballettabend, mit wunderschönen Kostümen, die aus Mailand kommen, wo die Inszenierung bereits seit diesem Frühjahr zu sehen ist. Und wirklich Gedanken machen sich Iana Salenko und Marian Walter nicht darum, wie das Publikum die Neuinszenierung aufnehmen wird. „Es ist wichtig, dass hier immer wieder neue Dinge passieren,“ sagt Iana. „Damit es uns Tänzern nicht langweilig wird und dem Publikum auch nicht. Wir freuen uns auf jeden Fall sehr auf die Premiere.“
Wir uns auch! Am 7. Oktober geht es los, alle Termine für „Der Nussknacker“ gibt es hier.