Viel ist in der letzten Woche geschrieben über das erste europäische Lollapalooza Festival, das am 12. und 13. September in Berlin auf dem Gelände des ehemaligen Flughafen Tempelhofs stattfand. Dass die Koordination und Organisation vor Ort etwas zu wünschen übrig ließ, hat sich dank sozialer Netzwerke bereits während des ersten laufenden Festivaltages schnell herumgesprochen. Bis zu einer Stunde Wartezeit an Toiletten und Essensständen vermiesten so einigen Besuchern die Laune. Auch als geladener Gast der Presse bekam man die ein oder andere Unstimmigkeit zu spüren. Mein Interview mit der Band Chvrches schaffte ich nur rechtzeitig, weil ich nach einer Stunde Anstehen am Gästelistencounter meine Mitansteher bat mich vorzulassen, sonst hätte ich noch eine weitere Stunde in der Schlange verbracht. Und zur späten Stunde war es nicht zu „überriechen“, dass einige Männer es vorzogen, die Wartezeit an den Toiletten zu verkürzen, indem sie sich am nächstbesten Zaun erleichterten. Ganze Rinnsäle von Pisse zogen sich an manchen Stellen durchs Festival und dämmten die Lust, sich über das Gelände zu bewegen, durchaus ein.
Zugute halten muss man den Organisatoren, dass man schnell aktiv wurde um Abhilfe zu schaffen. Warum man nicht gleich für ausreichend Toiletten sorgte sei dahin gestellt, zumindest wurden bereits am Samstag weitere Dixi Toiletten heran gekarrt und auch die Situation an den Essensständen hatte sich dank weiterer Anbieter um einiges entspannt. Und außerdem ging es letztendlich um die Musik, auf die man sich ungestört konzentrieren konnte. Oder?
Das Line-Up war abwechslungsreich und wartete mit einigen Perlen auf. Positiv war die gute Durchmischung, endlich mal wieder ein Festival, das nicht zu 80 Prozent in der Hand elektronischer Acts zu sein schien. Dank weniger Überschneidungen im Schedule und kurzer Wege zwischen den Bühnen konnte man schnell und nahtlos von einer Show zur anderen wechseln. Allerdings wurde der Spaß stellenweise getrübt durch starke Soundüberschneidungen. Mit denen hatte nicht nur das Publikum sondern vor allem auch die Bands auf der Alternative Stage zu kämpfen, deren Sound sowieso zu wünschen übrig ließ. Chvrches Frontfrau Lauren Mayberry (deren Stimme zum Teil kaum zu hören war) beschwerte sich auf der Bühne genauso über den laut von der Mainstage herüber schwappenden Konkurrenzsound wie Peter Doherty von den Libertines, bei deren Show man sich auch gut unterhalten konnte ohne sich gegenseitig ins Ohr schreien zu müssen.
Deichkind waren, wie hätte man es anders erwartet, leider geil. Eitelkeit kann man den Herren Kryptic Joe, Ferris Hilton und Porky nicht unterstellen. Da werden die etwas in die Breite gehenden Hüften schmerzfrei in alberne Kostüme gezwängt, unter den Masken schauen die ein oder anderen weißen Bartstoppeln hervor. Dafür wumst und kracht es was das Zeug hält, auf die Dauer vielleicht sogar ein bisschen sehr. Stumpf ist trumpf bei Deichkind, aber was die Bühnenshow angeht, macht ihnen, besonders unter den Kollegen aus der Heimat, aktuell niemand so schnell was vor.
Schade, dass FFS, die Supergroup aus Mitgliedern von Franz Ferdinand und Sparks, sich etwas verhalten im späten Nachmittagsprogramm versteckte. Die Jungs hätten mit ihrem mitreißenden Sound, ihren großartigem Sound und der guten Laune, die sie bei ihrer Show versprühen, durchaus das Zeug zum Headliner gehabt. Collaborations don’t work? Hier straft eine Band ihre eigenen Aussagen Lügen!
Mit am meisten in der Presse und in den sozialen Medien diskutiert wurde der Auftritt der Libertines am Samstag Abend. Nach zwei abgesagten Shows unmittelbar zuvor, war es schon spannend genug, ob sie überhaupt kommen würden. Dementsprechend heiß wurde der Auftritt erwartet, nur um ihn hinterher gepflegt in Grund und Boden zu stampfen. Haben The Libertines ihre besten Zeiten bereits hinter sich? Versuchen hier zwei abgehalfterte Rocker mit ihren Bandkollegen krampfhaft den Rock’n Roll zu retten? Vieles derart wurde geschrieben. Und je nachdem mit welcher Einstellung man im Vorfeld an den Auftritt der Libertines ran ging, könnte man das auch so sehen. Mann kann sich aber auch an der offensichtlichen Verbindung von Peter Doherty und Carl Barat erfreuen, die sich näher denn je zu stehen scheinen. Und daran, dass The Libertines es immer noch besser als kaum eine andere Band verstehen, schrammeligen Gitarrenrock mit schönen Melodien zu verbinden.
Tag zwei hatte nicht nur mehr Toiletten und genügend Essen für alle auf der Pfanne, sondern auch die Beatsteaks. In gewohnter Manier hatten die heimischen Rockveteranen ihr Publikum im Griff. An ihrer Show erfreuten sich sichtlich auch die internationalen Gäste. Womit die Beatsteaks wieder einmal bewiesen haben, dass sie den Vergleich mit internationalen Kollegen nicht scheuen müssen!
Und da wir schon bei internationalen Gästen sind: Chrystal Fighters, Londoner Band mit baskischen Wurzeln, vereinten zu zwei Drittel spanische Fans vor der Bühne. Es gab viel Liebe im Publikum und auf der Bühne und Wasserbälle, die durch die Luft flogen.
Eine gewohnt solide Show ohne große Überraschungen lieferten sowohl Little Dragon als auch Seeed. Immer wieder schön aber auch oft schon gehabt.
Zum Ende kam das Spektakel am Sonntag Abend dann mit dem Auftritt von Muse. Bombastischer Sound, bombastische Bühne, bombastische Lichtshow – eben das, was man von Muse erwartet. Ein würdiger Abschluss. Wir sind gespannt aufs nächste Jahr!
War dabei: Gabi Rudolph
Fotos: Markus Werner