Erst kürzlich habe ich von einem Kollegen gehört, dass Darwin Deez als nicht ganz leichter Interviewpartner gilt. Klar, der Typ ist wahnsinnig unterspannt. Wenn er seinen schlaksigen Körper aufs Sofa lümmelt, könnte man schon den Eindruck bekommen, er schläft gleich ein. Außerdem könnte man denken, er wäre etwas einsilbig. Das liegt aber nur daran, dass Darwin für alles was er tut, ein klein wenig mehr Zeit braucht. Zwischen zwei seiner Sätze können schon einmal ein paar Sekunden dahintropfen. Dafür wird man, wenn man ihm diese Zeit gibt und nicht gleich mit der nächsten Frage dazwischen schießt, mit wunderbaren Geschichten aus seinem Leben als Lo-Fi-Indie-Popstar belohnt. Diese findet man auch auf seinem neuen, dritten Album „Double Down“. Der Mann ist ein Poet! Und Fakt ist auch: niemand ist so schön onduliert wie er. Hier kommt mein drittes Gespräch mit Darwin Deez.
Zu deinem dritten Album sprechen wir heute zum dritten Mal miteinander.
Oh ja! Die drei hat schon was Magisches. Nicht ganz so magisch wie die sieben, aber die drei hat auch was.
Zuletzt haben wir uns getroffen als Du in Berlin gespielt hast, kurz nachdem Dein zweites Album „Songs For Imaginative People“ raus gekommen war. Dann warst Du auch schnell wieder verschwunden. Ich hätte gedacht, Du würdest ein paar mehr Shows mit dem Album spielen.
Ich brauche einfach lange, um ein Album zu machen. Zweieinhalb Jahre sind eine völlig normale Zeitspanne für mich. Ich wollte schnell wieder zurück ins Studio und weiter machen.
Du hast mir schon einmal erzählt, dass Du Deine Zeit brauchst um einen Song zu schreiben. Und dass Du pro Album am Ende in der Regel nicht mehr hast als die Songs, die auf dem Album landen. War das diesmal auch so?
Ich habe versucht, ein paar mehr Songs zu schreiben. Diesmal hatte ich sogar fast zehn Songs, die es nicht auf das Album geschafft haben. Aber von denen kamen vier noch nicht einmal in Betracht, sie waren nicht gut genug. Früher hätte ich sie gar nicht fertig geschrieben. Aber ich habe versucht, mich mehr zu disziplinieren was das angeht. Die Leute sagen mir immer, ich soll es tun. Es ist seltsam, weißt Du… (schweigt lange) Ich sage Dir jetzt, welche Erfahrungen als Songwriter ich in den letzten Jahren gemacht habe. Ich kann Dir jederzeit auf Wunsch einen mittelmäßigen Song schreiben. Aber wenn ich einen wirklich guten haben möchte, muss ich fischen gehen. Und Glück haben. Ich bin in dem Sinne ein guter Fischer. Aber ich kann nicht kontrollieren, wie viele ich fange. Ich muss viele Tage am Wasser verbringen. Wenn man in der Zeit immer nur die kleinen Fische einholt, hat man am Ende nun mal viele kleine Fische. Aber man möchte doch einen richtig dicken Fang machen. Die kleinen Fische einholen, das ist für mich die Arbeit an den mittelmäßigen Songs. Manchmal habe ich nichts anderes zu tun, dann setze ich mich dran und bringe sie zu Ende. Damit kann man gut Zeit totschlagen. Wenn ich es könnte, würde ich aber immer nur die großen Fische fangen. Aber das kann ich einfach nicht kontrollieren. Deshalb brauche ich so lange und schreibe nicht viele Songs. Ich kann aber auf jeden Fall sofort sagen, wenn ich einen großen Fisch an der Leine habe.
Deine Aufnahmen machst du immer noch selber Zuhause in Deiner Wohnung, oder?
Ja.
Das ist interessant, weil man trotzdem das Gefühl hat, dass Dein Sound sich verändert hat, er ist dichter und größer geworden.
Das liegt zum Teil einfach daran, dass die Software, mit der man Zuhause aufnehmen kann, sich in den letzten Jahren extrem verbessert hat. Vor ein paar Jahren konnte man noch keine Drums aufnehmen, die so fett und real klingen. Sie haben sich immer unecht angehört. Die Drums die ich jetzt auf meinem Album habe, hören sich für mich total real an.
Wie darf man sich das vorstellen – Du sitzt Zuhause in Deinem Appartment?
Mhm.
Ganz allein?
Mhm.
Wer sind die ersten Leute, die Deine Songs hören dürfen?
Meine Freunde. Meine Freundin. Musiker mit denen ich befreundet bin. Obwohl, die eigentlich weniger. Ich suche mir bewusst Leute aus, von denen ich weiß, dass sie eine positive Meinung zu dem haben, was ich mache. Wenn ich etwas fertig habe, geht es mir nicht wirklich um Feedback. Ich suche Leute, mit denen ich meine Freude teilen kann über das, was ich geschaffen habe. Die Begeisterung darüber, dass ich etwas wirklich Gutes geschaffen habe. Da muss man sehr vorsichtig sein, wenn man so tickt wie ich. Wenn ich meinen Eltern etwas schicke, verbiete ich ihnen vorab immer, mich zu kritisieren.
Würden sie das denn tun?
Sie lieben es, mich zu kritisieren! Das ist ihre Art, ihre kreativen Muskeln zu trainieren. Aber ich möchte wirklich nur meine Freude teilen. Vielleicht ändert sich das irgendwann mal. Noch bin ich nicht so weit. Ähnlich ist es mit dem Zusammenarbeiten. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, mit jemandem zusammenzuarbeiten. Okay, wenn ich jetzt einem großen Producer etwas schicken würde, würde mich wahrscheinlich schon interessieren, was er dazu sagt. Vorausgesetzt ich würde mich das trauen. Ich suche mir lieber Leute von denen ich weiß, dass ihr Feedback safe ist. Ich bin wirklich sehr, sehr sensibel was das angeht.
Darwin Deez – Kill Your Attitude from Dent de Cuir on Vimeo.
Andersrum: ist schon mal ein Producer auf Dich zugegangen um mit Dir zusammenzuarbeiten?
Produzenten, nein. Aber ich selber wäre gerne in der Position. Am liebsten wäre mir es, man würde mich als Songschreiber anheuern. Aber dafür muss man erst einmal einen richtig großen Hit gehabt haben.
„Radar Detector“?
Nicht groß genug. Mehr ein Indie Hit.
Er bewegt sehr viel bei den Menschen, wenn Du ihn live spielst.
Das macht das Uptempo. Ich liebe Uptempo Nummern. Die nicht Punkrock sind. Punkrock ist auch cool, aber ich bevorzuge eher „Not-Punkrock“. Früher stand ich wahnsinnig auf Drum’n Base. Da dreht man doch total drauf durch! Als Teenager habe ich auch selber Drum’n Base gemacht. Dafür muss man nicht ins Studio gehen. So habe ich im Prinzip mit dem Musik machen angefangen.
Als wir über „Songs For Imaginative People“ gesprochen haben, hast Du mir erzählt, dass Du Dich auf dem Album bewusst von Hooks und Melodien weg bewegen wolltest. Du hast mehr mit Beats experimentiert und Deinen Gitarrensound erweitert. Damals meintest Du, vielleicht konzentrierst Du Dich beim nächsten Album wieder mehr auf die Melodien. Man könnte sagen, dass Du das gemacht hast, oder?
Definitiv. Zum Glück! Auf dem zweiten Album ist schon etwas gewachsen. Einige der Songs sind wilder, größer und besser als die Songs auf meinem ersten Album. Und einige sind es einfach nicht. Das erste Album ist für mich auf sehr hohem Niveau ein befriedigendes Erlebnis. Das zweite ist voller Experimente und einige sind gescheitert. Es ist definitiv nicht mein Lieblingsalbum. Aber ich glaube es war trotzdem wichtig für mich. Ich kann so viel mehr tun und ich werde noch so viel mehr tun in der Zukunft als ich auf meinem Debüt gemacht habe. Mein neues Album sehe ich mehr in einer Linie mit dem ersten. Ich wage nicht so viel Neues, lasse aber alle meine Erfahrungen einfließen.
„Double Down“ zu hören ist für mich ein bisschen wie einen alten Freund wiederzutreffen, der sich in der Zwischenzeit weiter entwickelt hat.
Das ist gut.
Und weißt Du was ich noch denke? Ich hoffe Du nimmst mir das nicht krumm. Du klingst sehr jung auf diesem Album. Nicht unreif, aber jung. Man kriegt so ein Teenager Gefühl, wenn man es hört.
Tut man, oder?
Absolut. Und es ist trotzdem eine ernsthafte Angelegenheit. Ich finde kaum etwas ist ernstzunehmender als die Probleme eines Teenagers.
Das ist gut. Das ist sehr gut. Ich glaube, dass die Stimme der Popmusik immer die eines Teenagers ist. James Murphy war über 30 als er das erste Mal etwas raus gebracht hat. Ich bin jetzt auch über 30. Es ist schön, wenn man nicht mehr so jung sein muss und die positiven Seiten des jung Seins trotzdem ausleben kann. Es sind die jungen Menschen, die Musik kaufen, um in ihr ein Stück ihrer eigenen Identität zu finden. Zwischen 12 und 20 hast Du diese Vision von Dir wie Du bist, aber Du kannst sie noch nicht richtig umsetzen. Du brauchst Zeit dafür. In dieser Zeit braucht man Musik besonders, um diese Identität zu verkörpern. Später, wenn man sich selber ein bisschen mehr gefunden hat, braucht man Musik vielleicht nicht mehr so dringend. Außer Du machst zum Beispiel eine richtig harte Zeit durch. Aber in jungen Jahren identifizierst Du Dich über die Bands, die Du hörst. Du möchtest ein Teil von ihnen sein. Deshalb ist es gut jung zu klingen, damit die Leute sich mit Dir identifizieren können.
Wie hast Du diesmal mit den Songs angefangen, über den Text oder die Melodie?
Es gab erst die Melodien, dann die Texte.
Ich erinnere mich, dass es bei „Songs For Imaginative People“ anders rum war.
Richtig. Aber diesmal ging es mir nicht um Experimente. Beim letzten Album habe ich das gemacht, um noch ein wenig mehr meine Stimme als Texter zu finden. Diesmal ging es mir in erster Linie um die Riffs und die Melodien. Die Texte habe ich ganz klassisch strukturiert: finde die Strophe, lege den Refrain fest. Ein bisschen wie wenn man Schienen einen Berg hinauf verlegt. Der Refrain bringt Dich ganz nach oben, bei der Strophe fährst Du wieder hinunter ins Tal und hast mehr Ruhe, die Aussicht zu genießen und die Details in Dich aufzunehmen, bevor es wieder den nächsten Berg hoch geht. Und alles ist miteinander verbunden. Die Texte erfüllen den Zweck, die Songs glänzen zu lassen. So bin ich diesmal dran gegangen und nicht mit der Frage: Was kann ein Text allein für sich sein?
Selbst wenn Du mit dem Ergebnis nicht rundum zufrieden warst, finde ich es aber gut, dass Du Dir den Raum für solche Experimente gegeben hast.
Ich finde es auch gut, dass ich das gemacht habe. Ich hoffe, ich kann so weiter machen. Ich wünsche mir nichts mehr, als dass es genau so weiter geht. Dass ich vielleicht noch ein paar mehr Platten verkaufe und neue Fans dazu gewinne. Mit Musik Geld verdienen zu können, das ist doch großartig. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob es auf die Dauer genug Menschen geben wird, die mir folgen werden. Aber ich werde es weiter versuchen. Ich möchte einfach nur wahnsinnig erfolgreich sein mit dem was ich mache. Noch viel erfolgreicher als ich es jetzt bin.
Das bringt mich auch direkt zu meiner letzten Frage. Wir haben das die letzten beiden Male auch gemacht, es ist also quasi schon eine Tradition. Ich möchte wissen, was Deine drei großen Wünsche für die Zukunft sind. Und wenn Du sie mir gesagt hast, verrate ich Dir, was Du die letzten beiden Male gesagt hast.
Okay. Die drei größten Wünsche… (überlegt lang) Ich würde gerne eine Million Dollar verdienen. Außerdem würde ich gerne in einer Late Night TV Show auftreten. Weiter Musik machen und davon leben können.
Die letzten beiden Male hast Du gesagt, Du würdest gerne bei einer Award Show auftreten. Am besten bei den Grammy’s.
Oh, das ist gut.
Die TV-Show ist ja nicht so weit davon weg.
Stimmt. Aber ein kleines bisschen realistischer.
Dann hatten wir letztes Mal: Ein Nummer 1 Hit in den USA und spirituelle Erleuchtung.
Verdammt. Das ist viel besser.
Beim ersten Mal hatten wir wie gesagt auch die Award Show. Dann wolltest Du, dass Pitchfork über Dich berichtet. Der Wunsch hat sich inzwischen ja erfüllt.
Ja, leider. (Anm: Pitchfork haben Darwins zweites Album „Songs For Imaginative People“ nicht besonders wohlwollend besprochen)
Und zuletzt: Dass jemand ein Baby nach Dir benennt.
Ahhh. Das sind auch gute Antworten. Die zweiten fand ich am besten. Dieses Mal war ich nicht so gut.
Ich finde aber die Essenz ist jedes Mal die Gleiche: Du möchtest einfach mit der Musik weiter machen.
Ja, mein Traum hat sich schon erfüllt. Ich bin mittendrin… (überlegt) Aber eine Million Dollar würde ich trotzdem nehmen!
Darwin Deez Live:
02.11. München – Technikum
07.11. Frankfurt – Zoom
10.11. Berlin – Heimathafen
12.11. Köln – Stollwerck
Interview: Gabi Rudolph