So war’s beim Deichbrand Festival 2013

Was macht man, wenn das kulturelle Angebot der heimatlichen Region nicht genug her gibt, um jugendlichem Tatendrang standzuhalten? Warum nicht ein Festival auf die Beine stellen? Vielleicht nicht die naheliegendste Lösung, aber im Falle des norddeutschen Deichbrand Festivals eine recht erfolgreiche. Bereits rund 35.000 Besucher hatte die diesjährige neunte Auflage zu verzeichnen.  Dabei setzen die Macher in ihrer Bookingstrategie anscheinend vor allem auf Vielfalt. So ein richtig eindeutiges Profil kann man zwischen Frida Gold, Frittenbude, den Orsons und In Flames irgendwie nicht erkennen. Vielleicht muss Unsereins noch lernen, ein bisschen besser zwischen den Zeilen zu lesen. Bis dato herrscht der Eindruck, es wird in etwa nach dem Motto „Hauptsache, es brennt!“ verfahren.  Und das tat es nicht nur auf den Bühnen…Nachdem das Festival im vergangenen Jahr einige Acts wegen kritischer Wetterbedingungen ausfallen lassen musste, machte es in diesem Jahr seinem Namen alle Ehre. Bei rund 27 Grad, prallem Sonnenschein und dem abwechslungsreichen Line-Up kann man mit Fug und Recht behaupten, dass der Deich rundum brannte!

Die Vielfalt konnte man als Festivalbesucher dann nicht nur aufgrund es bombigen Wetters entspannt genießen: Durch die abwechselnde Bespielung der Fire- und der Waterstage kam es höchstens mal mit den Auftritten im Palastzelt  oder mit denen auf dem Red Bull Tourbus, der auf dem Campinggelände gastierte, zu Überschneidungen. Im Vergleich zu manch anderen Festivals gerät man hier also kaum in Freizeitstress, muss nicht von Bühne zu Bühne hasten um die Lieblingsbands, die ausgerechnet wieder genau gleichzeitig auf möglichst weit voneinander entfernt liegenden Bühnen spielen, nicht zu verpassen. Entspannte Tage konnte man hier verbringen. Aber man wird sehen, wie lange man solchen Luxus auf dem Deichbrand noch genießen kann, wenn es so rasant weiterwächst wie bisher. Fast ist zu erwarten, dass der Deich im nächsten Jahr noch mehr Zulauf von Seiten der Besucher zu erwarten hat, da das Omas Teich Festival, welches sich in den vergangenen Jahren ebenfalls in Norddeutschland etablierte, nicht nur in diesem Jahr unerwartet und plötzlich ausfiel, sondern voraussichtlich in den nächsten Jahren auch nicht mehr stattfinden wird (schade, schade!) und den Norddeutschen Fastivalfans also nicht mehr als Alternative zur Verfügung stehen wird.

Das Hurricane Festival in Scheeßel wird zwar auch bei weiterhin schnellem Wachstum in Punkto Größe nicht so schnell einzuholen sein, wenn es um die Staubigkeit des Untergrundes geht, stand der Nordseenahe Cuxhavener Militärflugplatz dem Eichenring jedoch von Anfang an in nichts nach. Bereits bei der Anreise am Freitag staubte der Campingplatz gewaltig. Nachdem wir unseren Kram einmal über das komplette Gelände geschleppt hatten, zeichnete sich bereits ein deutlicher Anflug von Festivalbräune auf unserer Haut ab. Gegen Abend bewölkte sich der Himmel dann und es ließ sich wunderbar auf dem Festivalgelände aushalten, wo Acts wie Casper der Masse ordentlich einheizten.

Der Bielefelder hat wieder einmal mehr den Auftritt des Festivals hingelegt, er weiß scheinbar welche Knöpfe man drücken muss. Und wieso dabei von Bewährtem abrücken? Er spielte nahezu das gleiche Set wie gut einen Monat zuvor schon bei Rock am Ring, sodass wir uns einen Spaß daraus machen konnten, seine Ansagen vorherzusagen. Vor allem seine Erklärung, dass die Hip Hopper ja wie die Rocker mit dem Pogo auch einen eigenen Tanz hätten, wobei er einen Arm hochhebt und diesen eben wie beim Hip Hop auf und ab wandern lässt, erwarteten wir zum wiederholten Male mir Freude. Schon beim Dockville 2011 und dem darauffolgenden Hurricane fanden wir diese Ansage äußerst amüsant. Immer wieder gut, der Casper.

Auch am Samstag bei Kraftklub fiel auf, dass man während einer Festivalsaison wohl mit einem bewährten Set durchs Land reist, denn auch sie zeigten uns die gleiche Show wie amRing. Das ist ja alles erst einmal nicht weiter schlimm, aber eben auffällig. Das absolute Highlight, mit dem die Kraftklub Jungs selbst vorher nicht rechnen konnten, lieferte während ihres Auftritts ein Kerl namens Franz. Während sich Felix mal wieder stagedivend zur Mitte des Publikums tragen ließ, erneut den obligatorischen Schuh verlor, welcher sich dann auf der Bühne wieder anfand, bekam er einige Sachen auf dem Weg zugesteckt. Um eine Mütze und einen Zettel reicher verkündete er,  einen Heiratsantrag bekommen zu haben. Zurück auf der Bühne erinnerte er sich an diesen und ließ ihn sich noch einmal vom Publikum geben. Erst dann klärte sich auf, dass dieser Antrag gar nicht an ihn gerichtet war, sondern an Romy. Wer ist Romy? Die Angebetete von Franz natürlich!

Und wie aus dem Nichts stand der Heiratsantrag schreibende Franz auch schon der Bühne, um seiner  Romy, mit der er bereits seit 4 Jahren zusammen ist, genau diesen zu machen. Romy wurde von Freunden hochgehoben und signalisierte mit Daumen nach oben, dass sie ihren Franz heiraten will. Als hätten die Kraftklub Jungs es geahnt, spielten sie im Anschluss „Songs für Liam“ und konnten selbst kaum fassen, wie gut das alles zusammen passt. Solche Geschichten können einfach nur auf Festivals passieren!

Was gab es sonst noch beim Deichbrand zu sehen? Ein ganz erstaunliches Phänomen, das wir so auf bisher keinem anderen Festival beobachten konnten:  Je kleiner das Festival, desto weniger Merch Stände, das macht so weit erst einmal Sinn. Beim Deichbrand gab es dementsprechend nur einen Merchstand, der sich in Band- und Festivalmerch unterschied. Als wir am Freitag das erste Mal das Gelände betraten, zeichnete sich vor einem dieser Zelte eine endlos lange Schlange ab, sodass wir erst einmal vermuteten, die Leute stünden wegen einer Autogrammstunde brav Schlange. Aber weit gefehlt! Auf die Frage, wegen wem man denn da anstehe, bekamen wir aus der gesitteten Reihe von brav anstehenden Deichbrandfans in etwa die verdutzte Antwort: „Hä? Wie wegen wem? Wegen Festivalshirts!“ Das Erstaunliche an dieser Sache war, dass sich die Schlange während des gesamten Festivals nicht verringerte und immer wenn man dort vorbei lief Unmengen an Menschen anstanden.

Für uns auf jeden Fall bemerkenswert. Nun ja, zum Ende des Festivals lief dann auch wirklich jeder Zweite in seinem hart erkämpften Deichbrand Merch mit stolzer Brust übers Festivalgelände. Da hat sich das Warten wohl gelohnt.

Insgesamt wirkte das Deichbrand (immer) noch ein bisschen chaotisch. Die Ordner wussten kaum, wer und wo sie eigentlich waren und auch hinter den Kulissen haben wir bereits Angenehmeres erlebt. Und als es am Samstag zwischendurch mit der Sonne doch fast schon zu viel wurde, die Hitze deutliche Spuren auf die Haut und in die Gemüter der Besucher brannte, wurde leider verpasst, die Leute frühzeitig mit Wasser zu versorgen oder mit einem Feuerwehrschlauch die Menge etwas abzukühlen. Am späten Nachmittag wurde vor der Firestage immerhin der Gartenschlauch gezückt…Aber weil ein bisschen Drunter und Drüber ja immer halb so schlimm ist und wir es bei all der freundlichen gut gelaunten Menschen und nicht zuletzt dem Bühnenprogramm, trotz dem ein oder anderen Kritikpunkt, sehr genossen haben am Deich zu sein, schauen wir uns das Spektakel bei nächster Gelegenheit gerne nochmal an…Ende gut, alles gut!

Waren dabei: Lena Krüger & Samira Szago