„Jupiter 4“ macht auf der Setlist für Berlin den Anfang. Es ist ein typischer Sharon-Beginn. Melancholisch schleppend, irgendwie nicht als Startschuss für einen toppen Konzertabend geeignet. Aber bei einer Show von Sharon Van Etten eben schon. Da macht so was Sinn. Da fühlt sich das Langsam-Sehnsüchtige richtig an. Wie eine Million. Wenn sie darauf „Comeback Kid“ anstimmt, ebenfalls ein Stück von ihrer aktuellen Platte „Remind Me Tomorrow“, ist das Wirrwarr in der Bauchgegend in sich komplettiert. Erst sind wir mit ihr ganz unten, nur um von dort das Hoch anzugehen. Ohne Wechsel geht es bei ihr nicht.
Und doch lässt sie einen nie zu nah an sich heran. In ihrem bordeauxrot-schimmrigen Anzug stellt sich Sharon in Posen – mal selbstbewusst und fotowirksam in Richtung Publikum stierend, mal mit geschlossenen Lidern, gerade so wie aus einer ihrer Szenen in „The OA“. Selbst bis zu ihrer ersten direkten Ansage ans Publikum lässt sich diese Ausnahmekünstlerin Zeit. Bis jeder im Columbia Theater ausatmen möchte, da mit ihren Worten endlich die Anspannung aufgelöst wird, die sie erst mit der Stille zwischen den Songs kreiert hat. Ihre freundlich zurückhaltende Art ändert tatsächlich die Stimmung. Als sie während „Seventeen“ ekstatisch ins Mikro brüllt, sieht sie dabei vor sich in ihr Spiegelbild. Ihre Handlungen schaffen Reaktionen. Und so hat sie bis zum Schluss des knapp anderthalbstündigen Sets die Menschen fest im Griff.
Fotos und Bericht: Hella Wittenberg