SEEED, 22.08.2013, Wuhlheide Berlin

So viele Menschen…

Meine Tochter ist ein großer Fan von Peter Fox. Dass sie damit in ihrer Altersklasse nicht allein da steht, wurde mir spätestens bewusst, als bei ihrer letzten Geburtstagsparty eine Horde Achtjähriger ekstatisch zu „Alles Neu“ tanzte und beeindruckend textsicher mitsang. Dementsprechend war natürlich klar, wer mich am gestrigen Abend zum ersten der vier aufeinander folgenden Seeed Konzerte in der Berliner Wuhlheide begleiten würde.
Derartige gemeinsame Ausflüge sind nicht nur für sie etwas ganz Besonderes. Auch ich erlebe so einen Abend ganz anders, wenn ich ihn gleichzeitig mit meinen und den Augen meiner Tochter sehe. Diese Menschenmassen! Es fasziniert mich schon selbst, wie viele Menschen sich versammeln, um die Mutter aller Berliner Bands live zu erleben. Aber als ich meiner Tochter erkläre, dass das hier nun vier Abende in Folge stattfinden wird, zeigt sie sich so beeindruckt, dass es mir selber noch einmal wie Schuppen von den Augen fällt, was für ein Wahnsinn das ist. Sie versucht nachzurechnen. Wie viele Menschen sind das dann insgesamt? Leider versagt im Anblick so hoher Zahlen dann doch ihre Mathematik. Kann ich ihr nicht verübeln.
Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal vor Beginn eines Konzertes eine La Ola mit gemacht habe. Eigentlich finde ich das eher ein bisschen nervig. Aber gemeinsam mit einer euphorisch jubelnden Achtjährigen macht es Spaß. Und plötzlich fällt mir wieder einmal auf, wie beeindruckend es doch aussieht, wenn so viele Arme in die Luft gehen. Wenn so eine große Menge vor Aufregung mit den Füßen scharrt und sich ab und zu in Jubel Luft macht, weil sie es kaum erwarten kann, dass es los geht. Meine Tochter fragt, wie Peter Fox sich im Moment wohl fühlen mag. Verdammt gute Frage, das wüsste ich auch gern.

Mit Eisenfaust im Klammergriff

„Wir sind Seeed!“ heißt es dann kurz nach acht. Das wissen wir natürlich, aber kaum eine Band macht so beeindruckend zum Beginn eines Konzertes klar, wer sie ist und was jetzt abgehen wird wie, nun ja, Seeed. Meine Tochter muss aufs Klo. Das muss man in Kauf nehmen, wenn man mit einer bezaubernden Begleitung in diesem Alter reist. Erstes Lied hin oder her, die Toilette muss aufgesucht werden. Diejenigen, die das gleiche Schicksal ereilt hat wie uns, tanzen auch dort. Überhaupt, wie uns später auffällt, wird im Laufe des Abends überall getanzt. Auf den Sitzen, in den Gängen, auch das Personal an Essen-, Getränke- und Merchständen tanzt. Ist aber auch kein Wunder. Zu behaupten, dass Seeed ihr Publikum vom ersten Moment an bei der Hand nehmen wäre eine schamlose Untertreibung. Es ist mehr eine eiserne Faust, mit der sie es packt und bis zum Ende erbarmungslos im Klammergriff hält. Entkommen ausgeschlossen. Seeed haben einfach den fettesten Bass, die souligsten Bläser und den coolsten Tanzstil. Letzterer begeistert meine Tochter ganz besonders. Und als Peter Fox, Boundzound und Dellé bei „Alles Neu“ Verstärkung von einer Steel Drum Band erhalten und alle gemeinsam synchron am Rand der Bühne tanzen, rastet nicht nur meine Tochter vor Begeisterung aus, auch ich fange an mich zu fragen, ob Seeed nicht vielleicht doch einfach die coolsten Socken von Berlin sind. Mindestens.

Und nun?

Nach zwei Stunden (wohlgemerkt müssen wir etwas eher los, da Schule am nächsten Tag) mit vielen Hits, hüpfender und Klamotten schwingender Menge und inklusive dem schönsten Feuerzeuglichtermeer, das ich seit meinem 12. Lebensjahr bei Michael Jackson gesehen habe, trotten wir zufrieden durch die dunkle Wuhlheide Richtung S-Bahn. Dabei überlegen wir, welches Konzert wir als nächstes gemeinsam besuchen könnten. Ich schlage Philipp Poisel vor, den meine Tochter Zuhause auch gern hört. Sie überlegt kurz, dann schüttelt sie den Kopf. „Ne, Mama, der geht nicht so ab wie Seeed.“ Recht hat sie. Aber wer tut das schon?

War dabei: Gabi Rudolph (& Tochter)