Sasami im Interview: „Zollt den Lehrer*innen dieser Welt mehr Respekt!“

Lupengenaue Beobachtungen von jeglichem Gefühlsgewaber zu soften Indie-Melodien: Sasami Ashworth weiß zwischen dem Spotify-Playlisten-Gedöns herauszuragen. Nachdem sie jahrelang mit Cherry Glazerr unterwegs war, dann auch mal bei Mitski und Baths vorbeischipperte, verewigte Sasami ihre Sicht der Dinge in diesem Jahr endlich auf ihrem gleichnamigen Debüt. Wer die zehn bitterehrlich und gleichzeitig watteleichten Tracks erst mal durchlaufen lassen hat, will sich weiter mit der kalifornischen Singer-Songwriterin auseinandersetzen. Und hat man erst mal die Gelegenheit dazu – ob bei einer ihrer Shows, wo sie mit Gollumstimme Weirdo-Ansagen hervorbringt, oder in einem Interview – merkt man schnell: Diese Künstlerin ist so obersmart, witzig und weiterdenkend, dass man gar nicht anders kann, als ihr ständig euphorisch zuzunicken. Zum Beispiel bei diesen Punkten: Lehrer*innen sollten wir alle mehr anerkennen, mehr unterstützen und allen anderen, die nicht so privilegiert sind wie wir, sollten wir obendrauf sowieso mehr Aufmerksamkeit schenken.

Fühlst du dich privilegiert?

Schon. Ich habe eine gute Bildung genossen und bin sehr privilegiert aufgewachsen. Jetzt gebe ich mir Mühe, mir immer meiner privilegierten Situation in der Welt bewusst zu sein und damit auch anderen Leuten zu helfen.

Wie stellst du das an?

Bei meiner letzten Tour habe ich über 1.000 US-Dollar für eine Organisation gesammelt, die immigrierenden Familien hilft, die getrennt wurden. Hin und wieder verkaufe ich auf Konzerten Ohrstöpsel für drei Dollar, die ich dann spende. Daraus will ich auch noch eine richtige Organisation machen, sodass sich weitere Künstler*innen und Bands beteiligen können. Ich finde, das ist eine smarte Möglichkeit, für die Leute beim Konzert sowie für andere hilfsbedürftige Menschen etwas zu tun. Ansonsten buche ich immer Frauen und People of Colour, um mit mir auf Tour zu gehen, mit mir zu spielen und als Support aufzutreten. Und ich achte darauf, dass alle bei einem Konzert von mir gut sehen können, aber auch gesehen werden.

Jetzt muss ich an den Mann denken, der über dein Konzert gemeckert hat, weil er sich nicht willkommen gefühlt hat.

Ich habe wortwörtlich gesagt: „Geht bitte einen Schritt zurück, sodass Frauen und People of Colour nach vorne kommen können.“ Und er hat daraufhin herumposaunt: „Sie hat mir gesagt, ich soll verschwinden!“ Dieser Typ wird wahrscheinlich ziemlich oft sauer, wenn er eine kleine Sache nimmt und sie zu einer großen – nur über sich – macht. Wenn diese Situation bereits seine Sicherheitsblase zerstört hat, ist die Welt wohl sehr hart für ihn. Und am Ende hat meine Vorgehensweise diese einzelne Person wütend gemacht, aber auch genügend Leute berührt und den Abend für sie besser gemacht. 

Ist es möglich, anderen zu helfen, und sich damit auch?

Ich habe lange als Lehrerin gearbeitet, was wirklich anstrengend war, aber mir gleichzeitig auch immer wie eine Belohnung vorkam. Manchmal frage ich mich, ob das Leben als Musikerin mir jemals so viel geben kann wie das Lehren. Als Lehrerin hilfst du ganz direkt. Du siehst die Zukunft der Kinder, der Musik und der Gesellschaft vor dir. Das macht ein gutes Gefühl. Als Musikerin bin ich Tag für Tag im Van und frage mich manchmal, welchen Zweck ich damit erfülle. Welchen Dienst erweise ich der Gesellschaft in dem Moment? Aber sobald ich Wege finde, mit meiner Arbeit auch für andere Menschen Vorteile zu schaffen, fühle ich mich weniger beschissen.

Du meintest mal, Lehren sei so krass wie sechs Shows hintereinander zu spielen.

Damit wollte ich vor allem sagen: Lehrer*innen sind die am meisten unterschätzten Menschen. Sie sind überarbeitet, unterbezahlt, haben keinen Urlaub und keine Unterstützung. Dabei sehen viele Kinder ihre Lehrer*innen oft sogar mehr als ihre Eltern.

Welche Art von Musiklehrerin warst du?

Eine wunderliche, die sehr auf Kreativität, Bewegung und Improvisation aus ist. Die Klasse wurde von mir gerne mal zu einer magischen Theaterproduktion umgewandelt. Die Kinder sollten sich weit weg von ihren Stühlen und dem Klassenzimmer, in dem sie den gesamten Tag sitzen, transportiert fühlen. Das fand ich eh nicht natürlich. Sie würden doch viel lieber herumrennen und spielen. Und so ist es sowieso schon schwierig, ihre Energie in eine bestimmte Richtung zu lenken. Ich habe nur meine Singstimme benutzt, um Aufgaben zu erklären. Denn das beruhigt. Es nimmt auch das Ernsthafte aus einer Situation. So konnte ich dem einen Kind singend mitteilen: „Bitte nimm deinen Fuß vom Schlagzeug!“ (lacht)

Kann das auch auf das Schreiben eines Albums bezogen werden – beruhigt dich da die Musik auch?

Musik ist ein Ventil. Es verändert, wie sich Worte anfühlen. Manchmal weiß ich, was ich in einem Song sagen will, aber eine Melodie dazu zu schreiben, hilft mir, es wirklich auszuspucken. In mancherlei Hinsicht ist Musik eine leichtere Sprache als Englisch.

Bei dir scheint das Motto zu sein: „Bloß kein Bullshit!“ Woher kommt das?

Ich bin jetzt 29. Also alt genug, um zu wissen, was ich will und worauf ich mich fokussieren möchte. Mittlerweile weiß ich, was mir Energie gibt und was nur Verschwendung meiner Zeit ist. Und so wie ich jetzt meine Musikkarriere angehe, ist das in jedem Fall gut für meine mentale Gesundheit, aber wahrscheinlich nicht so toll für meine finanzielle Sicherheit. (lacht)

Was genau gibt dir Energie?

Wenn ich in meiner Community sein kann, zusammen mit meinen Freunden. Da gibt es auch nicht dieses extreme Wettbewerbsdenken. Ich meine, es gab Freunde, die später zu mir meinten, dass sie eine Zeitlang neidisch auf mich gewesen wären, aber dann haben wir eben darüber geredet. Wir sind total offen miteinander. Und viele meiner Freunde sind weibliche Bandleader – wenn wir über den Umgang mit Produzentinnen und das Booking von Musikerinnen sprechen, bringt uns das alle weiter und gleichzeitig auch näher zusammen. So habe ich zum Beispiel gelernt mich damit wohlzufühlen, Ansagen zu machen.

Was möchtest du als nächstes machen und lernen?

Ein neues, vielleicht sogar wütenderes Album aufnehmen. Dafür will ich neue Aufnahmetechniken lernen. Damit es ein Mix aus Analogem und Digitalem wird. Die Musik von Frank Ocean inspiriert mich da sehr.

Interview und Fotos: Hella Wittenberg

www.sasamiashworth.com