Sandra Kolstad ist die neueste norwegische Elektro-Pop Entdeckung. Zuhause in Oslo, Berlin und ab und an in ihrem alten Haus an der norwegischen Westküste, weiß sie so einiges zu berichten. Ihr Debüt-Album „Crux“ erfreute sich in ihrer nordischen Heimat ausgezeichneter Kritiken. Nun ist ihr drückender und tanzbarer Pop-Silberling in Deutschland erschienen. Recherchiert man im Internet ein wenig zu Sandra Kolstad, finden sich immer wieder Vergleiche zu The Knife oder Fever Ray. Doch die Künstlerin besitzt ihre ureigene Intention. Ein Protokoll.
„Verdrießlich stimmen mich solche Vergleiche zu anderen Bands nicht wirklich… Ich finde es schon ein wenig komisch. Wenn du mich fragst, ist es nicht das Gleiche und es gibt auch andere Referenzen die Sinn ergeben, wahrscheinlich sogar mehr Sinn. Vielleicht gibt es ja eine Art Bedürfnis, skandinavische Musik miteinander zu verbinden?
Ich mache tanzbare und etwas düstere elektronische Musik und meine Stimme ist weiblich. Ich denke das gilt sowohl für The Knife als auch für mich. Aber darüber hinaus gibt es so viele Unterschiede. Menschen sollten sich das Album anhören, dann darüber entscheiden. Generell ist es schade, dass sobald es um Frauen geht, die elektronische Musik machen, Artikel und Rezensionen dazu neigen, nur einige weibliche Charaktere – Fever Ray oder Kate Bush – einzubeziehen. Der Vergleich ist zweifelsohne eine Ehre, aber es sollte ebenso einfach sein, andere Referenzen zu entdecken. Und warum immer Frauen mit Frauen vergleichen?“
Die meisten Instrumente, die auf dem Album Verwendung finden, sind analoge Synthesizer und Drum-Machines. Das gibt der Musik, so die ausgebildete Pianistin „ein organischeres, lebendigeres Gefühl„. Stunden wurden auf spezielle Sounds, ihre Klangästhetik verwendet. An manchen Stellen dunkel, tanzbar, plötzlich beides, bisweilen licht und leicht, dann wieder verliebt oder zweifelnd.
Keineswegs ein Album das ausschließlich am Laptop entstand, es ist vielmehr eine große Sound-Collage. Sandra wollte bei jeder sich bietenden Gelegenheit elektronische Elemente einbringen, jedoch kein stupides Programming, sondern viel mehr ein Einspielen der Instrumente und Experimentieren, eine Herausforderung, sie neu zu nutzen. Ein gewaltiger Batzen, so ein Album zu produzieren.
Ich liebe es und hatte keine andere Wahl. Ich habe ein paar Produzenten ausprobiert bis ich realisierte, dass ich es alleine zustande bringen muss. Manchmal schreibe ich Songs während ich vor dem Piano sitze, beginne mit einem Beat, improvisiere mit meiner Stimme und schau mir an was dabei rauskommt. Aber es kann auch ein bestimmter Sound oder Wort sein, das mich stimuliert. Dieser Prozess ist ein alleiniger. Die Umsetzung auch. Mein ultimative Popkünstler… Brian Eno.“
In Norwegen ist nicht gleich in Norwegen aufwachsen, so Sandara. Oslo ist ihre Heimatstadt, dort wächst sie mit ihren zwei Geschwistern auf. Die Mutter Kleider-Designerin, der Papa erst Plattenladen-Besitzer, später Lehre. Die Familie zieht in einen finanzkräftigen Außenbezirk der Hauptstadt, doch dank der Hilfe und Unterstützung ihrer Eltern gelingt es der Sängerin der Freak zu bleiben, der sie schon immer ist. Trotz der Freak-feindlichen Umgebung. Die Bedeutung von Popmusik? Unmöglich diese Frage zu beantworten, das bedeutet so viel, man hirnt darüber so häufig nach, wenn es unsereins nicht gelingt, warum solle Sandra Kolstad es gelingen?
„Ich denke oft darüber nach, wie sich unser Musik-Konsum verändert. Ich bin mit meinem Vater aufgewachsen, der einen Platten-Laden in Oslo besaß. Wir hatten die wundervollste Musik-Sammlung, zum Großteil Vinyl, die wir gemeinsam zuhause gehört haben. Dann kamen die Mitt- und Spät-90er und mein Vater hat sämtliche Alben verkauft oder weggegeben. Die letzten Jahre sind wir damit beschäftigt gewesen sie Stück für Stück zurück zu erwerben. Ich bin immer noch sehr traditionell in der Art und Weise, wie ich Musik konsumiere. Ich kaufe ein Album und höre es mir von Anfang bis Ende an. Meine Schwester ist 14 und das Gegenteil, 180°-Wende. Sie kauft sich hier und da einen Song, alle zusammen ergeben eine bunte Kollektion verschiedenster Songs, Genres, Künstler und Klänge. Die ergeben ihr musikalisches Universum. Das ist auch wunderschön.“
Mittlerweile lebt die Norwegerin mit ihrem Mann in Berlin. Ein großes Klischee, wie sie sagt, denn Liebe und Kunst waren ausschlaggebend für diese Entscheidung – in jener exakten Reihenfolge. Er lebte in Kopenhagen, sie in Olso. Am Ende einigte sich das Paar temporär auf Berlin. Die freundliche und dauer-entspannte Stadt, in der permanent etwas faszinierendes, aufregendes geschieht, sei ihr neues Zuhause geworden. Ein Gefühl, das Sandra Kolstad nur selten befällt.
„Ich liebe es. Am besten gefällt mir das Stadtbad Wedding, der Treptower Park, das indische Restaurant bei mir um die Ecke, der portugiesische Bäcker gegenüber, das Berghain, der Hamburger Bahnhof und unsere Wohnung. Die ist eine bunte Sammlung an Hausrat, den wir auf den Straßen gefunden oder auf dem Flohmarkt gekauft haben sowie tonnenweiße Bücher und Alben, die wir von Skandinavien nach Berlin transportieren mussten.
Das Einzigartige an Berlin ist, neben seiner gelockerten, entspannten Art, dass es die Hauptstad für Kultur und Kunst ist. Hier leben einige der größten Künstler aus allen Bereichen, von Tanz, klassischer Musik, Jazz, bis zu Techno oder sie besuchen die Stadt regelmäßig. Und dann ist es immer noch so entspannt und liebenswürdig, Berlin behält seine Coolness. Es ist die Stadt, wo Geschichte so nahe und sichtbar ist wie an keinem anderen Ort. Es ist die Stadt, die sich immer verändert. Wenn ich früher auf Grund des Tourens länger weg war, habe ich anschließend in dem alten Haus am Meer mein Ruhe gefunden. Heute ist es das neue Café in unsere Straße, die Lieblings-Apotheke ist weg und andere Nachbarn sind eingezogen.“
Protokollant: Sebastian Schelly.
Fotos von: Jennifer Eberhardt.
Am 02.12.2011 tritt Sandra Kolstad in Berlin bei der Norwegian Wave Night im Rahmen der Scandinavian Disco im Roten Salon in Berlin live auf. Wir haben 2 x 2 Tickets zu verlosen. Schreibt uns eine Mail mit dem Betreff „Norwegian Wave Night“ an gewinnen(at)fastforward-magazine.de. Einsendeschluss ist der 01.12.2011. Viel Glück!