Laura Jansen: „I have a crush on Berlin…“

…das hat Laura Jansen getwittert, auf Facebook geschrieben und auch während unseres Interviews erzählt. Bevor sie alle im Berliner Privatclub bezauberte, haben wir sie zum Gespräch getroffen. Nicht nur ihre Musik ist sehr charmant, sie selbst auch – nicht zu vergessen ihr wunderbarer Sinn für Humor. Aber lest selbst:

_DSC0584_2_500pxWie hast du angefangen Musik zu machen?

Als ich vier Jahre alt war, hatten meine Nachbarn ein Klavier, und ich konnte das Klavier gerade so erreichen – ich war eine sehr kleine vierjährige. Ich habe immer die gleiche Melodie gespielt, also hat meine Mutter gesagt ‚Ich sollte vielleicht ein Klavier für mein kleines Mädchen besorgen‘. Und es war immer klassisches Klavier, immer. Stundenlanges spielen. Ich liebte klassisches Klavierspiel. Als ich älter wurde habe ich realisiert, dass klassisches Piano keine Karriere bot. Entweder du bist richtig gut oder du wirst Klavierlehrer. Ich liebte Politik, also habe ich angefangen Politik zu studieren. Das war wirklich niederschmetternd, weil wenn man Politik studiert lernt man, dass es eine Wissenschaft ist, und für mich ist es ein sehr emotionales Thema. Und als ich dann, ich denke, 21 war, habe ich mich dazu entschlossen zum Konservatorium zu gehen um Musik zu studieren, aber nicht zu schreiben. Ich dachte nicht, dass ich etwas hätte, über das ich schreiben könnte. Und als ich 27 war, schrieb ich meinen ersten Song nachdem man mir das Herz gebrochen hatte. Ich fühlte mich endlich stark genug und hatte genug Geschichten zu erzählen, langsam baute ich den Mut auf. Es ist sehr beängstigend deine eigene Geschichte zu erzählen und deine eigene Stimme zu finden. Als ein Sänger versuchst du wie andere Sänger zu klingen und ich musste meinen eigenen Stil finden und jetzt ist es alles was ich mache. Es ist wie dein Kaffee. [Gelächter. Ich habe vor dem Interview erwähnt, dass in meinen Venen Kaffee statt Blut fließt.]

Das klingt unglaublich. Du bist in die eine Richtung gegangen und hast dann eine 180° Drehung gemacht.

Ich habe eine totale Veränderung gemacht, total. Meine Freunde aus der Highschool, die zu einer meiner Shows kommen, erwarten nicht, dass ich eine Lederjacke trage. Sie erwarten mich ein einem Anzug oder mit einem Baby oder so. Ich habe sozusagen mein ganzes Leben verändert. Man kann immer von neuem anfangen. Ic mag die Idee, niemals hängenzubleiben. Ebenso mit Musik. Vielleicht ändert sich die eines Tages und ich mache etwas völlig anderes. Aber im Moment soll ich das hier machen.

Es ist immer gut sich zu verändern._DSC0581_500px

Ich höre so viele Sachen. Ich denke, ich kann nicht anders als mich zu verändern.

Was hörst du, wenn du so viele andere Sachen hörst?

Im Moment höre ich viele alte Sachen. Bitte nicht lachen, aber ich höre viel alte Popmusik – von den Beatles über ABBA bis zu Queen…

Das sind alles großartige Bands!

Klassiker. Wenn man sich die Musik anhört, wie haben sie das ohne Computer, ohne die ganzen Einflüsse, die wir heute haben, gemacht? Ich höre aber auch sehr viele Singer/Songwriter aus dem Hotel Cafe in L.A., weil ich verblüfft bin von ihrem Talent, den Geschichten, die sie erzählen. Und im Moment auch viel elektronisches Zeug. Ich höre viel Pixies und Metronomy. Es ist sonderbar, ich bin ebenso an der elektronische Seite von Sachen interessiert. Ich lerne, wie man das macht. Ich denke nicht, dass ich jemals ein Album in die Richtung schreibe, aber ich mag den Einfluss.

Ich kenne das von mir selber, da ich oft Singer/Songwriter höre, aber auch richtiges Techno Zeug und alles dazwischen.

Ich denke, das muss man. Und eine Menge Reggae.

Ich habe meine liebe zu Reggae bisher noch nicht entdeckt. (* s.u.)

Nein? Ich habe in Hamburg einen Laden gefunden. Es war ein (Vinyl-)Plattenladen und er hatte nur alte, alte Reggaemusik. Es war irgendwie großartig, Platten zu hören an einem regnerischen Tag. Der Besitzer hat mir Platten gegeben „Check this one out! Check this one out!“ Es war sehr cool. Ich habe eine Liste gemacht.

Das ist großartig. Heutzutage hat man so viele Einflüsse. Du hast auch eine enge Verbindung zu deinen Fans. Twitter und Facebook. Ist das anstrengend? [Gelächter auf allen Seiten]

In der Minute, in der ich in eine Stadt komme, suche ich nach W-Lan und wenn ich es nicht habe… Ich hatte es für 3 Tage nicht. Es ist wie „aaaahh“, man geht in eine Ecke und findet ein Netz, so dass ich die Leute wissen lassen kann, dass ich in der Stadt spiele. Das ist so wichtig für mich. Ich denke, manchmal ist es zu viel. Es ist schwer die Grenze zwischen Zeit für sich, der Zeit für das Kreative zu ziehen und mit jedem eine Verbindung aufbauen zu wollen, weil das ein Teil meiner Geschichte ist: Ich teile _DSC0586_500pxmeine Geschichten, so dass ich deine hören kann. Aber ja, es ist großartig. Man findet Fans in jedem Land. Das hätte man vor 20 Jahren nicht machen können.

Als Fan möchte man sich nicht als  „Cash Cow“ fühlen. Ich finde, man sollte intelligente Wege finden, wenn man Geld braucht und nicht die offensichtlichen.

Ja, und das ist sehr kompliziert. Es ist interessant, wie neue kleine Unternehmen im Internet auftauchen, die das kombinieren. Es gibt da ein neues Unternehmen namens „Pledge“, das Künstler unterstützt, die Geld für ein Album brauchen und die dort ein Video hochladen mit „I need money for my record“. Was die Webseite also macht ist, dass man Geld von den Fans kriegt und 20% davon gehen an Wohltätigkeitsvereine. Jeder Wohltätigkeitsverein, den man möchte und es ist großartig. Es funktioniert. Ich werde es eventuell für mein neues Album benutzen, denn ich möchte so unabhängig wie möglich bleiben. So wie es gerade ist, möchte ich meine Rechte nicht an ein Plattenlabel abgeben. Heutzutage muss man als Musikerin Geschäftsfrau, Politikerin, PR-Beauftragte sein, was man anziehen soll… Es ist so viel mehr als nur Songs schreiben. Es nervt. Man muss noch all diese anderen Sachen machen. Aber die erfolgreichsten Musiker sind diejenigen, die beides machen und das sind die, die ich bewundere. Man kann nicht länger warten bis man entdeckt wird. Man muss raus gehen. Ich könnte mit dem was ich gerade mache überleben – für 30 Leute überall auf der Welt spielen. Ohne Probleme. Das ist ein gutes Leben. Ich habe keine Ziele mehr. Mein Ziel ist es weiterzuarbeiten.

Einfach das zu machen, was du liebst….

Oh mein Gott, ich habe mich in Berlin verliebt.

Hast du? Ich erinnere mich daran, dass du beim letzten Mal  gesagt hast, dass du hierher ziehen willst.

Ich will hierher ziehen. Ich denke, das werde ich auch…. Ich denke, dass ich mit meiner Band im August zurückkommen werde. Das wird sehr cool. Ich möchte hier nächsten Frühling herziehen nachdem mein nächstes Album erschienen ist [Anmerkung: bei uns ist das erste Album noch nicht erschienen]. Vielleicht in sechs Monaten und vielleicht nach Kreuzberg.

Spielst du live lieber mit deiner Band oder allein?P1090117

Ich mache beides, von daher habe ich viel Glück. In Holland spiele ich in Hallen mit ungefähr 1200 Leuten – wirklich groß, viel Druck und die Band. Und wenn ich nach Deutschland komme weiß keiner wer ich bin. Ich liebe die Herausforderung. Für mich ist es ein wenig wie ins Gefecht ziehen „Ok, hier sind 3 Leute. Ich muss 4 Leute herbekommen. Wie kriege ich jetzt 4 Leute.“ Gestern Nacht war ich in München und dort waren 50 Leute und für mich war das ein Wunder. Wieso sind diese 50 Leute bei meiner Show? Jeder hat sich hingesetzt, und es war nur ich und mein Klavier, manchmal habe ich nicht mal das Mikrophone benutzt. Ich habe es manchmal ausgemacht und geredet, und wir haben miteinander geredet. Am Ende der Show fühlt man sich, als ob man neue Freunde gefunden hat, man fühlt sich richtig verbunden mit den Leuten. Ich denke, das alleine spielen ist gut für mein Herz. Es hält mein Herz frisch. Und es hält mich auch am Klavier frisch. Ich habe niemanden, der mir hilft. Ich muss es alleine durchziehen. Das ist wirklich gut für mich. Und wenn ich mit der Band spiele, dann fühlt es sich an, als ob ich wachse. Die Herausforderung ist, es Intim zu halten obwohl es noch eine Band gibt. William [Fitzsimmons, die beiden sind gut befreundet und waren im November 2009 zusammen auf Tour] hatte die gleiche Herausforderung als er zum ersten Mal die Band mitbrachte. Einige Leute meinten „Nein, keine Band“, aber für ihn ist es auch eine Entwicklung. Ich muss jetzt lernen, wie ich das, was ich am Klavier mache mit anderen auf der Bühne mache…

Bei William war das ziemlich verwirrend…

Das wette ich. Für eine Menge Leute war es das, aber das ist sein Weg, und wo er hingeht muss man folgen.

Ja, ich weiß. Ich tue das. Wenn er Techno machen würde, würde ich immer noch zuhören.

Es ist wirklich fordernd, weil Fans einen bestimmten Sound erwarten und man als Musiker nicht einfach ein Kassettenrekorder sein will. Man will ausprobieren. Ich mag beides. Diese Tour war wirklich fordernd, weil ich sie alleine gemacht habe. Es macht Spaß, neue Fans zu gewinnen und neue Leute zu finden. Ich mag beides.

Deine Songs schreibst du aber allein?

Ja, ganz allein.

Ganz allein im Keller?

Ja, sehr traurig. Ich habe keinen Keller, aber ich hänge immer ein bisschen rum und schreibe meine Musik, [Ganz viel Gelächter]

Vielen Danke für das Interview!

*William White, der großartige Support von Laura Jansen an diesem Abend, macht Reggae. Der erste kleine Schritt in Richtung Liebe zum Reggae ist getan.

Interview: Dörte Heilewelt

Fotos (c) Lynn Lauterbach

Konzertfoto (c) Dörte Heilewelt

Laura Jansen:

www.myspace.com/laurajansenmusic

https://twitter.com/laurajansen

https://www.facebook.com/LauraJansenTunes

William White:

https://www.williamwhite.ch/

Pledge Music:

https://www.pledgemusic.com/